HOFKÜNSTLER UNTER HERZOG COSIMO I. DE’ MEDICI (1544–1571)
„Die Bestie“ – Baccio Bandinelli
Perseus – Triumph und Propaganda
Ein folgenreicher Auftrag: Die Büste des Bindo Altoviti
Anni horribiles – Verschwiegene Jahre
Kunst als Legitimierungsstrategie für Homosexualität
Paragone – Im Kampf für die Vorrangstellung der Bildhauerei
Von chiffrierten Alphabeten und literarischer Polyamorie: Cellinis Literatur
Das Marmorkruzifix und die Odyssee der Grabfindung
Apotheose der Goldschmiedekunst
Eine Art Nachwort: Goethes Cellini
Vorwort
B envenuto Cellini gilt als das enfant terrible unter den Künstlern der italienischen Renaissance. Er scheint all das in seiner Persönlichkeit zu vereinen, was das Klischee des Renaissancemannes auszeichnet. Dazu zählen seine Sinnlichkeit und Gewalttätigkeit – er beging zwei Morde und einen Totschlag –, sein Verlangen nach Schönheit, das stolze Bewusstsein seiner künstlerischen Geschicklichkeit, sein abenteuerlicher Lebenswandel.
Streitsüchtig und unangepasst, wurde er oft inhaftiert, einmal sogar zum Tod verurteilt. Darüber hinaus besaß Cellini die Fähigkeit, seine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen in einer hinreißenden Lebensbeschreibung mitzuteilen. Dass er es darin mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt und heftig prahlt, passt zu seinem schillernden Naturell. Cellini, der sehr viel konnte und alles wagte, war in seinem Leben vieles: Musiker, genialer Goldschmied und Bildhauer, Soldat, Münzmeister, Teilhaber eines Wettbüros, päpstlicher Stabträger, Fachbuchautor, Dichter und Festungsingenieur. Seine schöpferischen Energien entluden sich auf erstaunlich vielen Gebieten. Von seinen bildkünstlerischen Werken blieb jedoch nur ein Bruchteil erhalten. Das wenige, das der Nachwelt überliefert ist, etwa seine Skulptur des Perseus auf der Piazza della Signoria in Florenz, sein Marmorkruzifix im Escorial oder sein Salzfass im Kunsthistorischen Museum Wien, zählt zum Kanon der abendländischen Kunst.
In Österreich hat Cellinis Salzfass geradezu identitätsstiftenden Status erlangt. Verantwortlich dafür war auch der spektakuläre Raub des Prunkstücks aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, der ein tosendes Medienecho und eine mehrjährige Fahndung nach sich zog. Dank hervorragender Polizeiarbeit nahm die Suche 2006 ein glückliches Ende. Infolge einer ausgefeilten Marketingstrategie des Museums gibt es das Salzfass heute als Souvenir auf Halstüchern, als Puzzle oder Flaschenöffner. In den Sommermonaten der letzten Jahre konnten Besucher vor dem Haupteingang ein übergroßes Exponat der Saliera besteigen, das zum beliebten Fotopoint geworden ist. Cellini, dem Ruhmsüchtigen, der sich oft unterschätzt fühlte, würde dies wahrscheinlich schmeicheln.
Cellinis Lebenslauf lässt sich grafisch mit einem Giebeldach vergleichen, wobei die als aufwärtsstrebend zu bezeichnende Seite länger ist als die abfallende. Aus der Florentiner Mittelschicht stammend, ging es für ihn beruflich steil bergauf, auch wenn die ersten vierundfünfzig Jahre seines Lebens nicht linear verliefen und dramatische Karriereknicks enthielten. Er arbeitete für die Päpste in Rom, die Medici in Florenz, den französischen König und bewohnte in Paris zeitweise ein Schloss. Nach der Aufstellung seiner Perseus-Skulptur 1554 in Florenz – dem künstlerischen Höhepunkt seines Lebens – ging es bergab. Cellini wurde zu einem Außenseiter am Hof der Medici, größtenteils selbst verschuldet, obwohl er das Gegenteil behauptete. Cellini schlug lebenswirkliche Fakten immer gern über einen literarischen Leisten.
Bereits der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt sah in Cellini das „Urbild des modernen Menschen“.1 Modern ist, aus heutiger Perspektive betrachtet, vieles an Cellinis Persönlichkeit. So etwa seine Haltung den Großen und Mächtigen gegenüber. Cellini hatte stets das Verlangen, sich vom Diener-Herr-Verhältnis des Künstlers zu emanzipieren und Gleichwertigkeit zu beanspruchen, teilweise mit drastischen Konsequenzen für sich selbst. Noch heute wird Cellini als Vorkämpfer für die Anerkennung des Künstlers in einer Welt gefeiert, die Künstler entwertet, zuletzt im Musical Cellini.2 Wagemut und Durchhaltevermögen zeichneten ihn aus, ja man kann Cellini als vormodernen Self-Made-Man bezeichnen. Er hatte sich aus eigener Kraft hochgearbeitet, weitgehend ohne Unterstützung und gegen den Widerstand vieler.
Doch nicht nur in gesellschaftlicher Hinsicht, auch auf technischem und künstlerischem Gebiet war Cellini ein Grenzüberschreiter. Bei der Herstellung von Münzpressen erwies er sich als Innovator. Dass Cellini seine bronzene Perseus-Figur aus einem Stück goss und sie nicht aus mehreren zusammensetzte, war eine staunenerregende Meisterleistung. Da er als Kunsthandwerker auch den kreativen Akt der Erfindung (invezione) beanspruchte, leistete er einen wichtigen Beitrag zum modernen Begriff des „Künstlers“. Münzmeister und Medailleure galten als Handwerker,