Paul Fenzl

Scherbentanz


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musste her. Noch wichtiger, aber davon sollte hier niemand etwas mitbekommen, der Jens Spitzer von der Technik musste auf die Schnelle eine Kopie der Festplatte machen. Ohne Wissen der Frau Söll illegal! Aber mit ihrem Wissen zu riskant, schlafende Hunde zu wecken.

      Kaum war der Liebknecht draußen, da brachte die Frau Würtz noch einmal das Gespräch auf den PC.

      »Wollen Sie noch wissen, was ich rausbekommen habe, als ich ›zuletzt verwendete Dokumente‹ aufrief?«, fragte sie.

      »Selbstverständlich!«, antwortete der Köstlbacher. Er war davon ausgegangen, dass diese Frage der Spitzer würde lösen können. Aber dazu müsste der Spitzer auch erst wieder rekonstruieren, wann genau die Würtz vor dem Brand ihre Arbeit beendet und wann nach dem Brand sie die Arbeit wieder aufgenommen hat. Diese Frage würde er ihr fürs Protokoll unbedingt noch stellen müssen. Aber im Augenblick war es besser, der Würtz erst einmal zuzuhören.

      »Der Ordner, in dem detaillierte Angaben zur neuesten Kollektion drin sind, inklusive der finanziellen Kalkulation dazu, den hatte ich seit Tagen nicht mehr im Gebrauch. Die Arbeit war abgeschlossen und die Produktion lief bereits. Keine Ahnung was der große Unbekannte da suchte«, sagte die Frau Würtz.

      »Ich kann dazu auch nichts sagen. Natürlich denkt man gleich an Betriebsspionage oder so. Aber wer sollte das machen wollen beziehungs­weise gemacht haben?«, ergänzte dazu Frau Söll.

      »Wir werden sehen! Interessant ist das auf alle Fälle!«, sagte der Köstl­bacher und kratzte sich am Kragen, was er immer tat, wenn ihm eine ­Situation nicht so recht gefallen wollte.

      In dem Moment trat der Liebknecht wieder in den Raum.

      »Dauert höchstens 20 Minuten! Jung und Spitzer sind schon auf dem Weg.«

      Kapitel 9

      »Du willst uns verlassen?«, fragte der Köstlbacher den Roland.

      Der Roland reagierte nicht gleich. Wie immer, wenn er ein Bier vor sich stehen hatte, nahm er erst einmal einen kräftigen Schluck, bevor er antwortete.

      »Warum triffst du dich mit mir hier im Hofbräuhaus und bestellst mich nicht zu dir ins Präsidium? Scheust du dich davor, mit mir zusammen gesehen zu werden?«

      »Schmarrn! Du bist nicht offiziell an den Ermittlungen beteiligt. Das ist alles. Und bevor sich wieder lästernde Mäuler den Mund zerreißen, wenn sie dich bei mir sehen, dann lieber hier!«, antwortete der Köstlbacher.

      »Dein Scheiß-Team ist vielleicht nachtragend! Ich hab’ keinem was getan! Und dass ich damals bei dem Fall mit der Bedienung vom Kneitinger vorne am Arnulfsplatz nicht immer mit Bandagen gearbeitet habe, da kann ich nichts dazu! Beschwert euch beim LKA!«, sagte der Roland.

      »Aber meine Kollegen sind doch hoffentlich nicht der Grund. Oder doch?«, fragte der Köstlbacher.

      »Nein! Die gehen mir am Arsch vorbei! ›Verlassen‹ ist übrigens der falsche Ausdruck! Ich ziehe mich vom Geschäft zurück! Ist nicht dasselbe, oder?«

      »Du arbeitest doch sowieso schon lange nicht mehr für uns!«, entgegnete der Köstlbacher.

      »Du verstehst nicht: Ich ziehe mich allgemein vom Geschäft zurück! Auch kein München mehr oder sonst was! Nur noch Fahrschule! Der Rest Freizeit! Musik! Motorrad! Frauen! Einfach leben! Verstehst du?«, sagte der Roland und leerte, als ob er damit seine Aussage bekräftigen wollte, das noch halb volle Glas in einem Zug.

      Der Köstlbacher sah den Roland etwas verwundert an, weil so energisch hatte er ihn noch selten erlebt, eigentlich sogar noch nie.

      »Du hast dafür doch einen Grund?«, fragte er ihn.

      Der Roland ignorierte den Köstlbacher und bestellte stattdessen bei der gerade vorbeieilenden Bedienung noch eine frische Halbe.

      Natürlich merkte der Köstlbacher, dass ihm der Roland da etwas ganz bewusst verschwieg. Aber wenn er ihm jetzt keine Antwort geben wollte, würde er das auch nicht tun, wenn er ihn weiter bedrängte.

      »Lassen wir das Thema! Geht mich auch nichts an! Ich brauch’ deinen Rat! Es geht um die Mordwaffe.«

      »Habt ihr sie schon gefunden?«, fragte der Roland.

      »Nein!«, antwortete der Köstlbacher und schaute nicht gerade glücklich dabei drein. »Aber der Baldauf und der Dirmeier haben vorgeschlagen, dass ich sie ein bisschen auf einigen in Frage kommenden tschechischen Vietnamesenmärkten ihr Glück versuchen lassen soll.«

      »Gute Idee! Ich begleite die beiden!«, sagte der Roland.

      »Du?«, fragte der Köstlbacher ungläubig und überrascht in einem.

      »Klar ich! Was dagegen? Impf’ deine beiden Revolverhelden! Ich hab’ nichts gegen sie. Und sie auch nichts gegen mich, soweit ich das beurteilen kann.«

      »Aber warum willst du das machen?«, fragte der Köstlbacher.

      »Weil ich da auch schon dran gedacht habe. Aber allein wirst du da schneller in einem Loch verscharrt, als dir lieb ist. Zu dritt hätten wir eine reale Chance, was in Erfahrung zu bringen und heil wieder zurückzukommen.«

      »Du weißt aber schon, dass jede Aktion über der Grenze illegal wäre?«, stellte der Köstlbacher mit einem fragenden Unterton in seiner Stimme fest.

      »Logo! Anders würd’ mich die Sache auch gar nicht reizen!«

      Da atmete der Köstlbacher tief durch und trank jetzt seinerseits einen großen Schluck von seinem Bier.

      »Ich spreche mit der Dr. Sieber drüber. Müsste die beiden unter irgendeinem Vorwand nach Bayerisch Eisenstein schicken.«

      »Zum Beispiel! Oder sie nehmen gleich drei Tage Urlaub, und wir machen das auf unsere Weise!«, meinte der Roland.

      »Ganz inoffiziell? Und auf eigene Kosten?«, fragte der Köstlbacher etwas zweifelnd.

      »Warum nicht! Einen einzelnen Ort anzupeilen, wäre ohnehin nicht erfolgversprechend. Ich habe da so einiges im Hinterkopf. Bayerisch Eisenstein beziehungsweise Železná Ruda auf der tschechischen Seite ist dabei, aber nicht ausschließlich. Und was das Geld betrifft, richte deinen beiden Sheriffs aus, ich übernehme das!«, meinte der Roland und prostete dem Köstlbacher zu. Quasi Vertragsbesiegelung mit Bier.

      Ich muss schon sagen, alles hatte der Köstlbacher vom Roland erwartet, nur nicht das. Aber weil er über die Köpfe vom Baldauf und dem Dirmeier hinweg nichts entscheiden konnte, vertröstete er den Roland: »Ich ruf dich morgen an! Muss mit den beiden erst reden!«

      »Musst du nicht!«, antwortete der Roland. »Gib mir ihre Nummern! Ich erledige das!«

      Erst hat der Köstlbacher gezögert, aber dann rückte er die Nummern der beiden Kollegen doch heraus. Sie würden spontan und unbürokratisch ein paar Tage Urlaub brauchen. Aber das konnte er auf dem kleinen Dienstweg hinbekommen.

      »Da wäre noch etwas, worüber ich mit dir reden möchte«, sagte der Köstlbacher. Das Bier hatte seine Hemmschwelle, offen mit Roland über laufende Ermittlungen zu reden, gegen Null heruntergeschraubt.

      Der Roland sagte nichts und schaute den Edmund nur erwartungsvoll an.

      »Was fällt dir zu ›AUSGEBRANNT‹ ein?«

      »Worauf willst du hinaus?«, fragte der Roland und hatte plötzlich einen lauernden Blick, den der Köstlbacher an ihm noch nie gesehen hatte.

      Aber wie das eben mit der Wirkung vom Bier so ist. Einerseits wirst du empfindlich. Andererseits macht es dich beim Denken träge. So fällt dir vielleicht spontan durchaus mehr auf, als in nüchternem Zustand. Weil durch den Alkohol sensibilisiert. Aber du kannst nicht einordnen, was dir aufgefallen ist, kannst es mit nichts verknüpfen und weg ist es auch schnell wieder.

      Jetzt wirst du mir dagegenhalten, dass der Roland ja auch Bier getrunken hat. Und damit würde sich letztendlich alles wieder ausgleichen. Dabei vergisst du aber, dass im Gegensatz zum Köstlbacher der Roland wesentlich häufiger Bier