Paul Fenzl

Scherbentanz


Скачать книгу

Einsatzleiter zu. Der streckte ihr zur Begrüßung eine Hand hin und meinte:

      »Hallo Frau Söll! Kein Grund zur Aufregung! Wir haben alles im Griff!«

      »Sie sind gut! Hier brennt’s und Sie sehen keinen Grund zur Aufregung?«, lamentierte Frau Söll, wenig angetan von der verniedlichenden Darstellung.

      »Halb so wild, wie’s aussieht! Wir mussten kein Feuer löschen. Die starke Rauchentwicklung stammte vermutlich von einer Rauchgranate!«, versuchte der Feuerwehrmann erneut sie zu beruhigen. Aber mit dem Wort ›Granate‹ wählte er – du wirst es dir schon denken – nicht das geeignete Wort, um Frau Sölls Sorgen zu zerstreuen.

      »Rauchgranate?«, fragte sie kopfschüttelnd. Allein schon der Begriff verursachte ihr Magenschmerzen.

      »Das ist nur so ein Fachterminus«, erwiderte der Einsatzleiter, dem schlagartig bewusst wurde, dass er mit ›Granate‹ die Situation etwas überspitzt dargestellt hatte. Genau das Gegenteil von dem, was er wollte. »Explodiert ist da nichts! So ein Teil erzeugt nur jede Menge Rauch.«

      »Dann gab’s gar kein Feuer?«, fragte Frau Söll. Ein Hauch von Erleichterung schwang in ihrer Stimme mit.

      »Leider doch! Aber beruhigen Sie sich! Größerer Schaden ist keiner entstanden. Irgendwer muss einen brennenden, mit Benzin getränkten Lappen in Ihre Einfahrt geworfen haben und dazu die Rauchbombe. Beides zusammen simulierte einen Brand, der uns auf den Plan rief!«

      Astrid schüttelte verwirrt den Kopf.

      »Aber warum?«, fragte sie.

      »Sieht mir nach einem üblen Streich aus. Vielleicht auch eine Warnung! Aber das ist nicht mein Metier! Sehen Sie die Dame dort vor Ihrer Haustüre? Das ist Kommissarin Koch von der Kripo. Ist vielleicht besser, wenn Sie mit der weiterreden.«

      »Kripo?«, fragte Frau Söll erstaunt, wartete jedoch seitens der Feuerwehr keine Antwort mehr ab und wandte sich stattdessen der Kommissarin Koch zu.

      Vermutlich wunderst du dich jetzt, was die Koch von der Mordkommission in der Mathildenstraße zu suchen hatte, wo es doch dort gar keine Leiche gegeben hat.

      Ganz ehrlich gesagt, das war reiner Zufall. Die Koch hatte ihren freien Tag und wollte den nutzen, einmal im Showroom bei der Astrid Söll vorbeizuschauen. Die Sekretärin von der Astrid, die Sandra Würtz, die ist eine alte Freundin von der Koch. Alles Weitere kannst du dir denken.

      Damit hat die Kommissarin Koch natürlich jetzt auch gegenüber Frau Söll ihre Anwesenheit erklärt. Dass ihr Chef, der Köstlbacher, dass der wenige Tage später auch hier aufkreuzen würde, und zwar letztendlich doch noch im Zusammenhang mit einem Mord, das konnte zu dem Zeitpunkt freilich noch keiner wissen.

      Kapitel 5

      Aus dem einen Bier waren beim Köstlbacher längst zwei geworden. Und der Roland, der deutlich schneller schluckt, der Roland erfreute seinen Gaumen soeben sogar schon am Schaum vom vierten Weißbier.

      Ich weiß, das klingt nach sehr viel und lässt Gedanken aufkommen, als ob die beiden Alkoholiker wären. Aber rechne das doch einmal in Maß um. Siehst du! Vier Halbe sind auch nicht mehr als zwei Maß! Und auf der Dult, da würde einer nach einer Maß noch lange nicht unter die Alkoholiker gezählt werden. Es ist einfach wie überall im Leben: Die Betrachtungsweise beschreibt das Ergebnis!

      »Ich hab’ noch einmal über die Makarow PB nachgedacht. Ich bin mir sicher, dass es eine PB war«, sagte der Roland, als er vom Köstlbacher auf dieses Thema angesprochen wurde.

      »PB? Was soll ich mir darunter vorstellen?«, fragte der Köstlbacher.

      »Die Makarow PB Kal. 9,2x18 ist die schallgedämpfte Version der Makarow PM. Beide Modelle haben 8 + 1 Schuss, also 8 Schuss im Magazin und einer im Lauf. Interessant ist die relativ geringe Mündungsenergie von 310 m/s. Somit kommt es zu keinem Überschallknall. Der Mündungsknall wird mittels des Schalldämpfers fast gegen Null reduziert.«

      »Aha! Dann wäre der Schuss also auch ohne den Straßenbaulärm nicht zu hören gewesen?«, fragte der Köstlbacher.

      »So sieht’s aus!«, bestätigte der Roland. »Ich glaube auch kaum, dass jemand für seine Tat das Gerattere eines Presslufthammers einplant. Zu viele Unwägbarkeiten!«

      »Hm!«, sagte der Köstlbacher nur. Er hatte eine Tote, wusste mit welcher Art Waffe sie erschossen worden war, und das war’s auch schon. Kein Motiv! Kein Täter! Nicht einmal einer, der verdächtig wäre! Nichts!

      »Du hast nichts!«, brachte es der Roland auf den Punkt, weil der Köstl­bacher nur verdrossen dreinschaute und schwieg.

      »Wir sind erst am Anfang!«, begann er auf einmal unerwartet zu erzählen. »Unbegreiflich! Das musst du dir einmal vorstellen! Direkt vor dem Evangelischen Krankenhaus! Einsehbar von allen Seiten. Und keiner hat was beobachtet! Keiner! Nicht einmal eine von den Sekretärinnen drüben in der Regierung. Normal entgeht denen aus Langeweile nicht die kleinste Bewegung unten auf dem Emmeramsplatz!«

      »Wahrscheinlich sind die frustriert vom Presslufthammerlärm, haben ihre Fenster geschlossen und schauen demonstrativ nicht runter!«, vermutete der Roland.

      »Und unten ist es nicht viel anders. Wer kümmert sich schon beim Vorbeigehen um das Geschehen auf einer Baustelle? Da schaut man doch meistens eher, so schnell wie möglich vorbeizukommen.«

      »Auch dass die Erschossene Vietnamesin war, muss nicht zwangsläufig was zu sagen haben. Ich meine, von denen gibt’s schließlich eine ganze Menge hier in Regensburg. Und bisher machten die uns keinerlei Probleme«, stellte der Köstlbacher fest.

      »Du vergisst den Brand in dem Laden in Burgweinting vor zwei Jahren! Oder waren das Chinesen? Jedenfalls sollte nach meiner Erinnerung damals die Konkurrenz ausgeschaltet werden«, gab der Roland zu bedenken.

      »Du hast ein gutes Erinnerungsvermögen. War Brandstiftung! Aber Genaueres weiß ich nicht. Werde gleich morgen den Akt anfordern. Vielleicht gibt’s da ja tatsächlich Parallelen«, meinte der Köstlbacher.

      »Ja, vielleicht!«, wiederholte der Roland die Worte des Kommissars. »Mich lässt diese Makarow PB nicht zur Ruhe kommen. Wenn du mich fragst, ist diese Waffe der Schlüssel zu dem Mord.«

      »Wie kommst du auf diese Idee?«, fragte der Köstlbacher.

      »Ich war zwar noch sehr jung, als ich die ehemalige DDR aktiv miterlebte. Aber an eines erinnere ich mich genau, unser sozialistischer Staat nahm viele Vietnamesen auf. ›Vertragsarbeiter‹ wurden sie genannt. Zeitweise sollen so an die 60.000 Vietnamesen in der DDR gelebt haben. Vermutlich sozialistisch geprägte. Aber was bedeutet das schon. Heute kehrt keiner mehr seine Gesinnung nach außen, zumal wenn es nicht mehr opportun ist.«

      »Was genau willst du mir damit sagen?«, fragte der Köstlbacher.

      »Kann sein, ich liege nicht richtig, und der Mord hat einen völlig anderen Hintergrund. Aber wenn du mich fragst, hast du ein vietnamesisches Problem am Hals. Die Leute sind äußerst geschäftstüchtig und lassen keine Möglichkeit aus, das unter Beweis zu stellen. Meines Wissens handeln einige Vietnamesen noch heute mit ehemaligen NVA-Beständen. Die waren nach der Wende ja für einen Appel und ein Ei zu haben. Legal wie illegal! Die Absatzmärkte dafür sind vielleicht nicht unbedingt in Regensburg, aber gleich über der Grenze in der nahen Tschechei dafür umso gehäufter.«

      »Mag ja sein, es stimmt alles, was du sagst. Aber wirklich hilfreich ist das für meine Ermittlungen nicht gerade.

      Könntest du da nicht einmal deine Kontakte für mich spielen lassen und versuchen herauszubekommen, in was der Clan, zu dem die ermordete Tran Thi Linh gehört, verwickelt sein könnte?«, bat der Köstlbacher.

      »Kann ich machen. Hilfreich wäre es, wenn du mir mehr Namen geben könntest«, antwortete der Roland.

      »Ich lass’ vom Liebknecht eine Liste zusammenstellen. Bisher haben wir Kontakt aufgenommen zu ihrem Mann und ihrer Mutter in der Ostengasse. Soweit ich weiß, wohnt dort eine ganze Großfamilie in einem Haus«, sagte der