Aufschwung als Ausgangspunkt für die Siedlungsbewegung und für zahlreiche Kirchen- und Klostergründungen. Auch der heutige Magdeburger Dom ist damals entstanden, und zwar unter Erzbischof Adalbert II. (1205–1232), der in Paris studiert hat, ein Kenner der frühen französischen Gotik ist und den neuen Baustil nun erstmals in den Bereich der mittleren Elbe überträgt.
Der Prämonstratenserorden, 1120 von Norbert von Xanten gegründet, nimmt seinen Ausgang vom Kloster „Unserer Lieben Frauen“ in Magdeburg. Er sieht seine Aufgabe vor allem in der Slawenmission und verbreitet sich im gesamten östlichen Mitteleuropa. Seine Kirchen haben etwas Burgenartiges: strenge Baugliederung, hoch aufragendes Westwerk, flankierende Türme. Die Klosterkirche von Jerichow und der Havelberger Dom lassen noch heute etwas von der Gesinnung erahnen, die hinter einer solchen Architektur steht.
Die Kulturleistung Ostsachsens und der Harzlandschaft beschränkt sich aber nicht nur auf Religion, Kunst und Architektur. Bedeutsam sind auch die Literatur und die Geschichtsschreibung, in der ein starkes regionales Identitätsbewußtsein zum Ausdruck kommt. Widukind von Corvey und Thietmar von Merseburg, die Chronisten der ottonischen Zeit, schreiben voller Stolz über die politischen Erfolge Sachsens und seiner Dynastie und fühlen sich in diesem Sinne ganz als Norddeutsche, auch wenn ihre Geschichtsschreibung sich auf das gesamte Reich bezieht. Das gleiche gilt für die Nonne und Dichterin Roswitha von Gandersheim. Sie fühlt sich, wie ihr Gedicht „De gestis imperatoris Ottonis I.“ zeigt, ganz ihrer Heimat und deren großem Sohn verbunden. Sie behandelt aber auch, und zwar auf hohem Niveau, in ihren geistlichen Stücken und in sechs Dramen zahlreiche Gegenstände, die sie als Kennerin der europäischen Geschichte und Literatur ausweisen. Roswitha schreibt in lateinischer Sprache und gilt als herausragende literarische Vertreterin der „ottonischen Renaissance“.
Auch nach dem Ende der ottonischen und der salischen Epoche bleibt der Harz-Elbe-Raum eine wichtige Kulturregion. Bemerkenswert ist hier vor allem der Sachsenspiel Eikes von Repgow, der zum ersten Mal das niederdeutsche Gewohnheitsrecht systematisch darstellt. Von überregionaler Bedeutung ist ferner das Magdeburger Stadtrecht, das die bürgerlich-freiheitliche Stadtverfassung Magdeburgs ebenso widerspiegelt wie das Lübische Recht diejenige Lübecks. Während letztes jedoch auf den Küstenraum der Ostsee beschränkt bleibt, breiten sich das Magdeburger Recht und seine ostpreußische Variante, die „Kulmer Handfeste“, bis über die Weichsel nach Osten hin aus. Das Magdeburger Recht ist damit ein bedeutendes Phänomen der europäischen Stadtkultur.
All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die wirklich große Zeit der Region mit dem Ende der ottonischen Dynastie vorbei ist. Nie wieder sind Orte wie Quedlinburg und Magdeburg die Zentren deutscher und europäischer Politik gewesen, nie wieder werden Rang und Rolle des Magdeburger Erzstifts von den Menschen so hoch eingeschätzt wie in der Zeit Ottos des Großen und des ersten „Bischofs der Russen“. Zwar behält die Stadt Magdeburg als wichtigster Elbübergang für den Handelsverkehr in West-Ost-Richtung große Bedeutung, doch auch damit ist es nach der nahezu totalen Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg vorbei. Erst seit dem 18. Jahrhundert gewinnt Magdeburg wieder eine gewisse Bedeutung: als wichtigste Festung im Westen des Königreichs Preußen, als Verwaltungs- und Industriestadt. Heute ist Magdeburg Hauptstadt des wieder errichteten Landes Sachsen-Anhalt, doch ist das alte Stadtbild durch die Zerstörungen des Dreißigjähren Krieges und des Zweiten Weltkrieges unwiderruflich zerstört.
D. Für Kirche und Reich (Erzbistümer Köln, Mainz und Trier)
Christliches Leben hat es in Köln, Mainz und Trier schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gegeben, seit Anfang des 4. Jahrhunderts sind Bischöfe bezeugt. Die Tradition der drei rheinischen Erzbistümer reicht also viel weiter zurück als die der übrigen Erzdiözesen Salzburg, Hamburg-Bremen und Magdeburg. Dies ist der Grund dafür, daß die westdeutschen Kirchenprovinzen während des ganzen Mittelalters eine Vorrangstellung in der Kirchenorganisation des Reiches eingenommen haben.
Alle drei Erzbischöfe sind zunächst einmal Inhaber eines geistlichen Amtes, das sich nicht nur auf die eigene Diözese beschränkt, sondern die untergeordneten Bistümer mit umfaßt. Sie bauen sich zweitens auf der Grundlage der politischen Privilegien, die sie genießen, im Laufe des Hochmittelalters jeweils mittelgroße Territorien auf, sind also zugleich weltliche Herrscher – seit etwa 1200 Landesherren in einem geschlossenen Territorium. Drittens sind sie entscheidend an der Gestaltung der Reichspolitik beteiligt; vor allem der Erzbischof von Mainz ist während des ganzen Hochmittelalters einer der wichtigsten Berater des Königs und damit einer der mächtigsten Männer des Reiches. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts gestalten sie nicht nur die deutsche, sondern die europäische Politik mit.
Als weltliche Herrscher und als Berater in der Reichspolitik verhalten sich die angesehensten deutschen Kirchenfürsten nicht anders als andere Politiker: ehrgeizig und machtbewußt, mitunter skrupellos und intrigant. Wie alle Bischöfe sind sie geistliche Hirten, Waffenträger und oberste Gerichtsherrn zugleich; sie gehören darüber hinaus dem exklusivsten gesellschaftlichen und politischen Führungszirkel an. Dies alles läßt sich damals auch in den Augen der Bevölkerung durchaus mit dem religiösen Auftrag vereinbaren, da die beiden Universalgewalten, Reich und Kirche, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln, dasselbe Ziel anstreben: ein Reich des Friedens und des Evangeliums.
Am ungebrochensten ist die kirchliche Kontinuität vom Altertum zum Mittelalter in Trier, wo die Liste der Bischöfe auch in den turbulenten Zeiten der Völkerwanderung und der fränkischen Landnahme keine Lücken aufweist. Den Trierer Erzbischöfen gelingt es in erstaunlich kurzer Zeit, ein Territorium im Bereich der unteren Mosel zu errichten, dessen Grenzen im Raum Koblenz den Rhein weit nach Osten überschreiten. Aber die Moselstraße hat nicht die Bedeutung der Rheinschiene, und im Vergleich zu Köln und Mainz liegt Trier bereits randlich, nicht weit von der deutsch-französischen Sprachgrenze entfernt. Die wenigen Bistümer der verhältnismäßig kleinen Kirchenprovinz, Metz, Toul und Verdun, befinden sich alle auf französischsprachigem Gebiet.
Dies alles sind Gründe dafür, daß die Erzdiözese Trier nicht ganz mit Köln und Mainz mithalten kann. Gleichwohl ist der Trierer Einfluß auf die Reichspolitik besonders seit der Einbeziehung Burgunds in das Imperium (1033) bedeutend. Den Erzbischöfen von Trier obliegt nämlich die Leitung der Kanzlei für das Königreich Burgund, so daß sie die Politik in diesem Reichsteil maßgeblich mitbestimmen. Mit dem Amt ist außerdem die Nähe zum jeweiligen Herrscher und damit der Einfluß auf die Gesamtpolitik verbunden, auch und besonders bei den Königswahlen. In dem siebenköpfigen Kursfürstenkollegium, das seit 1356 den deutschen König und römischen Kaiser wählt, haben die Trierer Erzbischöfe den dritthöchsten Rang, obwohl die vier Laienfürsten dieses Gremiums über wesentlich größere Territorien gebieten.
Deutlich stärker ist die politische Position der Kölner Erzbischöfe bereits seit Beginn der deutschen Geschichte. Erzbischof Brun (953–965), der jüngste Sohn Heinrichs I., ist seinem Bruder, Kaiser Otto dem Großen, treu ergeben und spielt die entscheidende Rolle bei der Durchsetzung des Reichs-Kirchen-Systems in Westdeutschland. Als Herzog von Lothringen verfügt er über politische Möglichkeiten, die weit über sein Amt und seine Diözese hinausreichen. Er hat diese Möglichkeiten genutzt, um den hohen rheinischen Klerus zur Reichstreue und zur Loyalität gegenüber dem König zu erziehen, und damit wesentliche Grundlagen der künftigen Reichspolitik geschaffen. Der Aufstieg des Kölner Erzstifts hält auch nach Bruns Tode an: 1028 erhalten die Erzbischöfe das Recht der Königskrönung und -salbung, 1031 übernehmen sie die Leitung der Reichskanzlei für Italien, 1180 werden sie Herzöge von Westfalen und damit de iure Nachfolger der Welfen im Westen des alten sächsischen Stammesherzogtums.
Die Königssalbung, die im Aachener Münster, gleichsam in Gegenwart des dort bestatteten Karls des Großen stattfindet, muß man mit den Augen des Mittelalters betrachten, wenn man ihre politische Bedeutung ermessen will. Der Kölner Erzbischof, der diese Zeremonie vornimmt, wird dadurch zu einer „heilsvermittelnden Instanz“ für die Reichspolitik. Durch die Leitung der für Reichsitalien zuständigen Kanzlei gewinnen die Erzbischöfe maßgeblichen Einfluß auf die kaiserliche Rom- und Italienpolitik. Die Erhebung in den Herzogsstand schließlich belohnt die reichstreue Haltung des Stifts, gerade auch in