Zeit aber weit darüber hinausreicht, vor allem in den südwestfälischen Raum.
Einige Kölner Erzbischöfe gehören zu den bedeutendsten Köpfen mittelalterlicher Politik, vor allem Anno II. (1056–1075), Rainald von Dassel (1059–1067) und Philipp von Heinsberg (1167–1191). Erzbischof Anno öffnet seine Diözese der von Cluny ausgehenden kirchlichen Reformbewegung und gibt der „Kölner Sakrallandschaft“ durch den Bau oder Umbau zahlreicher Gotteshäuser ihr heutiges Gesicht. Sein Zeitgenosse Adam von Bremen beschreibt die damalige Kölner Kirche wie folgt: „Sie war vorher schon groß gewesen; er machte sie so bedeutend, daß sie über jeden Vergleich mit einer anderen Kirche des Reichs erhaben war.“
Rainald von Dassel (1120–1167), Erzbischof von Köln und Kanzler Kaiser Friedrich Barbarossas (Büste am Drei-Königs-Schrein im Kölner Dom)
In der Reichsgeschichte ist Anno vor allem durch den „Staatsstreich von Kaiserswerth“ bekannt geworden. Im Jahre 1062 läßt er den damals zwölfjährigen späteren Kaiser Heinrich IV. von einem bei der Pfalz Kaiserswerth (nördlich von Düsseldorf) ankernden Schiff entführen und wird auf diese Weise der mächtigste Fürst des Reiches. Zwar muß er diese Stellung bald an seinen Amtsbruder Adalbert von Bremen abtreten, doch beauftragt der junge König ihn 1072 noch einmal mit der Reichsregentschaft. Trotz seiner Sympathie für die cluniazensische Reformbewegung, die zur Machtsteigerung der Kirche und zum Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser führt, hat Anno ebenso wie seine Nachfolger in politischer Hinsicht unbeirrt die Interessen des Reichs vertreten – ohne den Rückhalt der rheinischen Erzdiözesen hätten Heinrich IV. und Heinrich V. den Investiturstreit kaum führen können.
In der großen Politik hat Rainald von Dassel die bedeutendste Rolle aller Kölner Erzbischöfe gespielt. Als Leiter der Italien-Kanzlei ist er für die Konzeption und bis zu seinem Tod auch für die praktische Durchführung der Papst- und Rompolitik Barbarossas zuständig. Unter dem Schlagwort „Honor Imperii“ zielt er ebenso konsequent wie kompromißlos auf die Wiederherstellung der im Investiturstreit und im staufisch-welfischen Bürgerkrieg weitgehend verlorengegangenen Hoheit des Kaisers über Reichsitalien, ohne seine Gegner – die Kurie, die oppositionellen Fürsten und die aufblühenden lombardischen Städte – jemals über seine Zielsetzung im Unklaren zu lassen. Schon vor Beginn der eigentlichen Auseinandersetzung steckt er die Fronten klar ab. Auf dem Reichstag von Besançon hat er in seiner Zuständigkeit für Italien eine Grußbotschaft des Papstes verlesen, in der das Reich als „beneficium“ des Heiligen Stuhls bezeichnet wird. Rainald von Dassel übersetzt das Wort mit „Lehen“ – nicht aus zwingenden sprachlichen Gründen, sondern in wohlkalkulierter politischer Absicht: Die Teilnehmer des Reichstags reagieren daraufhin mit äußerster Empörung.
Da die Italienpolitik für Barbarossa einen sehr hohen Stellenwert hat, ist der Erzbischof durch sein Reichsamt dermaßen stark in Anspruch genommen, daß er sich kaum um seine Diözese kümmern kann. Seine bedeutendste Leistung für das Erzstift besteht darin, daß er die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die ihm der Kaiser nach der Zerstörung Mailands überläßt, nach Köln bringt. Sie werden bis heute in einem Prunkschrein des Domes aufbewahrt und tragen viele Jahrhunderte lang zur religiösen Bedeutung Kölns bei.
Gleichsam nebenbei errichtet Rainald von Dassel als „Legat für Tuscien“ in der Toskana eine zweite ausgedehnte Herrschaft, kann dieses Werk aber nicht zu Ende führen, da er wie viele Angehörige des deutschen Heeres 1167 vor Rom einer Malariaseuche erliegt. Sein Nachfolger als Erzbischof und Kanzler, Philipp von Heinsberg, ist bei aller Konsequenz im grundsätzlichen politisch flexibler als Rainald und hat maßgeblichen Anteil daran, daß die Hoheit des Reiches über Italien – wenn auch mit gewissen Abstrichen – schließlich mit diplomatischen Mitteln erreicht wird. 1180 erhält der Erzbischof, der zu den wichtigsten Verbündeten des Kaisers im Kampf gegen Heinrich den Löwen gehört, nicht nur den Titel eines Herzogs von Westfalen, sondern auch die Gebiete um Soest und Werl, zu denen später noch die Grafschaft Arnsberg kommt. In den Folgejahren baut er unter enormem finanziellen Aufwand das gesamte Kölner Herrschaftsgebiet zu einem geschlossenen Territorium aus, zahlreiche Burgen werden damals neu errichtet oder modernisiert. Als Philipp 1191 – ein Jahr nach dem ihm stets sehr nahestehenden Kaiser – stirbt, ist er der mächtigste Reichsfürst nördlich der Alpen.
Oberhaupt der Reichskirche, „Primas Germaniae“, ist jedoch nicht der Kölner, sondern der Mainzer Erzbischof. Seine Kirchenprovinz reicht von den Vogesen bis zur Altmühl, von Graubünden bis zur Lüneburger Heide und umfaßt damit den weitaus größten Teil des deutschen Altsiedellandes. Zwölf Diözesen sind dem Mainzer Erzbistum unterstellt, die Mehrzahl der deutschen Bistümer. Auch die territorialpolitischen Ambitionen der Mainzer Erzbischöfe sind weiter gespannt als die der meisten anderen geistlichen Fürsten. Das Kerngebiet ihrer Herrschaft stellen alte Besitzungen im Nahe-, Main- und Rheingau dar, die teilweise auf die karolingische Zeit zurückgehen. Zusätzlich erwerben sie im Laufe der Zeit entferntere Gebiete im nordhessisch-thüringischen Raum, unter anderem die Wetterau, das Eichsfeld und die Stadt Erfurt mit Umgebung.
Von spätmerowingischer bis spätstaufischer Zeit, also ein halbes Jahrtausend lang, haben die Mainzer Erzbischöfe eine zentrale, einige von ihnen eine überragende Rolle in der Reichspolitik gespielt. Bonifatius führt zwar noch nicht den Titel eines Erzbischofs, schafft aber mit seiner große Teile Deutschlands erfassenden kirchlichen Organisationsarbeit die Grundlagen für die spätere Entwicklung seines Sprengels. Im Zeitalter des niedergehenden ostfränkischen Reiches reicht die politische Autorität der Mainzer Erzbischöfe an die der schwachen karolingischen Könige heran, besonders während des Pontifikats des Erzbischofs Hatto (891–913).
Im Zusammenhang mit dem Reichs-Kirchen-System bauen die Erzbischöfe ihre politische Stellung weiter aus. Seit 975 üben sie das Amt des Erzkanzlers mit Zuständigkeit für das gesamte deutsche Reich aus. Sie stehen damit an der Spitze der wichtigsten Reichsbehörde, halten sich ständig in der Nähe des Königs auf und üben damit entsprechenden Einfluß aus. Zugleich behaupten sie die Schlüsselstellung, die sie seit der ausgehenden Karolingerzeit bei den Königswahlen haben und die noch in der „Goldenen Bulle“, dem Reichsgrundgesetz von 1356, ausdrücklich bestätigt wird: Der Mainzer Erzbischof, der den höchsten Rang unter den sieben Kurfürsten einnimmt, leitet die Wahl und gibt als erster seine Stimme ab.
Gestützt auf diese Befugnisse, haben die Erzbischöfe von Mainz eine wesentliche Rolle in der deutschen Geschichte des Mittelalters gespielt, auch wenn sie nach der Katastrophe des staufischen Hauses nur noch gelegentlich an ihre alte Bedeutung anknüpfen können. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem drei Pontifikate des 12. und 13. Jahrhunderts, nämlich die der Erzbischöfe Adalbert (1111–1137), Christian (1167–1183) und Siegfried II. (1200–1230). Adalbert betreibt eine nachhaltige Territorialpolitik und schafft die Voraussetzungen für die spätere erzbischöfliche Landesherrschaft, während sich Christian fast ausschließlich um die Reichspolitik kümmert; nach dem Tod Rainalds von Dassel wird er zum wichtigsten politischen Berater Kaiser Barbarossas. Unter Siegfried II. schließlich erreicht das Erzbistum Mainz den Höhepunkt seiner politischen Geschichte. Er verfügt zwar bei weitem nicht über das größte Territorium des Reiches, gehört aber zu den politisch einflußreichsten Männern seiner Zeit.
E. Königsland am Rhein (Nördliche Oberrhein-Region)
Das Einzugsgebiet des Rheins ist seit jeher eine völkerverbindende Region gewesen, der Strom selbst ist nicht nur im Bewußtsein der unmittelbaren Anwohner tief verankert. Schon in frühgeschichtlicher Zeit bietet sich hier die Möglichkeit, die verkehrsfeindliche Mittelgebirgsschwelle in Nord-Süd-Richtung zu überwinden. Vom Oberlauf des Rheins aus sind die nach Italien führenden Alpenpässe zu erreichen, auf dem Weg über die Burgundische Pforte auch das Rhônetal, das für den Nord-Süd-Verkehr bis heute eine ähnliche Bedeutung hat.
An zwei Stellen, am Nord- und am Südrand des Rheinischen Schiefergebirges, kreuzen bedeutende Ost-West-Verbindungen die Rheinschiene. Es ist kein Zufall, daß die Schwerpunkte