Thomas Prinz

Der Unterhändler der Hanse


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für einen schnellen Frieden mit Dänemark eintreten, kann ihn nicht umstimmen. Erst als der Lübecker Bürgermeister selbst Opfer eines Anschlags wird, entschließt sich Kelmer, die gefährliche Aufgabe zu übernehmen.

       In Stralsund gilt es nicht nur einen gerechten Frieden auszuhandeln, sondern auch die Anschläge aufzuklären, denn der Mörder ist in der Stadt, und er tötet weiter. Ganz oben auf seiner Liste steht Reinekin Kelmer, doch der ist ein kluger Kopf, ein geschickter Diplomat und ein hervorragender Schachspieler. Ihm zur Seite steht sein langjähriger venezianischer Freund Pietro Bottone und die junge, geheimnisvolle Frauke Tyrbach. Reinekin fühlt sich zu der außergewöhnlichen Frau hingezogen, doch sie ist schon einem anderen versprochen …

      Thomas Prinz, 1959 in Wetzlar geboren, arbeitete als freier Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag. Seit 1990 ist er beim Auswärtigen Amt mit Stationen in Bonn, Bukarest, Jakarta und Berlin tätig. Er veröffentlichte die Krimis »Mode, Morde und Models«, »Ankunft in Bukarest« und »Abschied von Jakarta sowie »Das Silber der Ostsee«.

       Am Anfang des Jahres 1370 hatten die Städte mit der Beherrschung des Sundes und Schonens ihre Kriegsziele gegen Dänemark erreicht. Die Fürsten dagegen hatten keinen endgültigen Erfolg gegen Waldemar errungen, so dass sie weiterkämpfen mussten. Nun hatten die Städte die Wahl zwischen Krieg und Frieden. Die Städte wandten sich von der Sache der Fürsten ab. Diese Politik war nicht ohne Gefahr.

      Philippe Dollinger, »Die Hanse«

       Leicht ist das Fähnlein an die Stange gebunden, aber es ist schwer, es mit Ehren wieder abzunehmen.

      Hinrich Castorp, Lübecker Ratsherr,

       Bürgermeister und Diplomat

      Reinekin Kelmer, Lübecker Kaufmann und Ratsherr

      Johanna Kelmer, geb. Grevenrode, seine verstorbene Frau

      Jan, Geseke und Johanna, Reinekins Kinder

      Balthasar Grevenrode, Bürgermeister von Lübeck und Schwiegervater von Reinekin

      Pietro Bottone, Freund und Partner von Reinekin

      Hermen Burskup, Lübecker Kaufmann und angehender Bürgermeister

      Bertram Wulflam, Bürgermeister von Stralsund

      Frauke Tyrbach, Stieftochter des Wirts im Artushof in Stralsund

      Heinrich Molteke, Ratsherr aus Danzig, ertrinkt im Hafenbecken

      Sievert Classoen, nimmt an Moltekes Stelle an den Verhandlungen teil

      Hildebrand Karbow, Ratsherr aus Wismar, wird von einem Armbrustschützen ermordet

      Thymme Ghulsowe, nimmt für Karbow an den Verhandlungen teil

      Hermen Wackerowe, Bremer Ratsherr, wird in einem Wirtshaus vergiftet

      Rudolf Sudermann, nimmt an Wackerowes Stelle an den Verhandlungen teil

      Gerkin Wollepont, Hamburger Ratsherr

      Henning von Putbus, dänischer Verhandlungsführer

      Admiral Johann Nicleson, Mitglied des dänischen Reichsrates

      Vicko Diederckes, Kapitän mit zwielichtiger Vergangenheit

      Der einäugige Claas, Knecht von Reinekin

      Der kleine Claas, Hannes, Söhne des einäugigen Claas

      Albert Puster, Armbrustschütze

      Die rote Lisbeth, Hure in Stralsund

      PROLOG • STRALSUND, 25. MAI 1370

      Der zierliche Mann mit dem vernarbten Gesicht, der sich Albert Puster nannte, trat in den eisernen Steigbügel, der mit Hanfseilen am Bogen der Armbrust befestigt war. Dann bückte er sich, hakte die Sehnenklauen des Spanngurts, den er mit einem ledernen Gurt um die Hüfte geschnallt hatte, in die Sehne ein und richtete sich auf. Es bedurfte einer Zugkraft von über einhundert Kilogramm, um die Sehne zu spannen und in der Nuss zu arretieren. Dann nahm er einen der vierzig Zentimeter langen Bolzen mit Metallspitze aus dem Köcher, der an seinem Gürtel hing, und legte den Bolzen in eine Kerbe der Nuss. Die Waffe war nun schussbereit. Er verschloss den Bolzenköcher und kniete hinter einem Stapel mit Fellen nieder. Einen zweiten Bolzen würde er nicht brauchen. Albert Puster war ein Meisterschütze.

      Es war die vierte Stunde nach Sonnenaufgang. Durch das halb geöffnete Tor im zweiten Stock des Lagerhauses konnte er den größten Teil des Stralsunder Hafenkais überblicken, ohne im Schatten des Speichers selbst gesehen zu werden. Wie immer hatte er sein Versteck sorgfältig ausgewählt. Ein optimaler Hinterhalt durfte nicht weiter als einhundert Meter vom Ziel entfernt sein und musste die Möglichkeit bieten, schnell und unerkannt zu verschwinden. Das Lagerhaus grenzte an die Stadtmauer, deren Brüstung zwei Meter unter dem Tor verlief, durch das mit Hilfe eines Seilzuges Waren vom Hafen direkt in den Speicher geladen werden konnten. Vor unangenehmen Überraschungen glaubte er sich sicher, denn die beiden Lagerarbeiter, die er seit Tagen beobachtet hatte, lagen mit durchschnittener Kehle im hinteren Teil des Lagerhauses. Vom Strelasund näherten sich Fischerboote und liefen im Fischerhafen ein. Gut siebzig Meter vor ihm plagten sich vier Männer mit dem Beladen einer Schute ab, die zwischen Kai und einer der Koggen pendelte, die draußen im Tiefwasser vor dem Hafenbecken lagen. Noch zwei Ladungen, schätzte der Mann hinter der Armbrust, würde es brauchen, um die am Kai aufgestapelten Säcke zur Kogge zu bringen. Erst danach würde der Lübecker Kaufmann erscheinen, der noch nichts von seinem bevorstehenden Ende ahnte. Er griff in die Tasche seiner Jacke, holte ein Stück harten Stockfisch heraus und biss davon ab. Danach kontrollierte er noch einmal seine Waffe. Sie wies keinerlei Verzierungen auf und hatte ihn dennoch ein kleines Vermögen gekostet. Das Wertvollste an ihr war der Bogen; gefertigt aus einer Kombination von Horn, Holz, Sehnen und Leim. Den Kern bildete ein Block aus zwanzig verleimten Hornplatten zwischen zwei Eibenholzstreifen, umgeben von einem dicken Mantel aus Tiersehnen. Dieser Bogen war wesentlich leichter und biegsamer als der Eschenholzbogen seines Vaters, mit dem er als Kind sein tödliches Handwerk gelernt hatte. Ein Bolzen, der von diesem Bogen abgeschossen wurde, konnte noch auf hundert Meter den Brustpanzer eines Ritters durchschlagen.

      Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als eine Gruppe von sieben Personen, gefolgt von vier Mann der Stadtwache, sich dem Hafenkai näherte. Albert Puster erkannte den Mann sofort, für dessen Tod er bezahlt wurde. Sein Name war Reinekin Kelmer, und er war ein reicher Lübecker Kaufmann, der auf den ersten Blick eher wie ein Handwerker aussah. Seine Kleidung ließ nahezu jeden Prunk vermissen. Er trug ein kurzes gegürtetes Wams, eine ärmellose Weste und eine enge Hose. Dennoch musste es sich um einen bedeutenden Mann handeln, da er vom Stralsunder Bürgermeister begleitet wurde. Kelmer war einen halben Kopf größer als die Personen, mit denen er zusammen war. Er mochte gut über dreißig Jahre sein, bewegte sich aber noch leichtfüßig wie ein Zwanzigjähriger. In seiner Begleitung befand sich ein mittelgroßer südländischer Mann mit schwarzem, langem Haar, das nach der neusten Mode mit einem Brenneisen gekräuselt zu sein schien. Sein Schwert baumelte vom Gürtel einer zweifarbigen Jacke, deren enge Ärmel in glockenförmigen Manschetten endeten, die bis über die Fingerspitzen herabfielen. Der Bürgermeister war an einer schweren silbernen Halskette zu erkennen, die er über einem schwarzen und mit Gold bestickten Mantel trug. An seiner Seite ging ein junger Mann, der leicht als Sohn des Bürgermeisters zu identifizieren war. Er hatte die gleiche Plattnase wie sein Vater und den gleichen kurzen Hals. Neben ihnen gingen zwei Frauen, die gekleidet waren wie adlige Damen. Die jüngere von ihnen trug den dicken Bauch einer Hochschwangeren vor sich her. Die ältere schmückte eine Schmetterlingshaube, deren Spitzen die Köpfe der Männer überragten und von denen ein Schleier über den gesamten Rücken bis fast auf den Boden fiel. Beide Frauen trugen teure Brokatmäntel, deren eingewebte Goldfäden in der Sonne schimmerten. Eine dritte Frau ging an der Seite von Reinekin