gibt es Verweise zu anderen Initiativen und Ansprechpartnern.
Hate Speech – eine neue Herausforderung auch für Schule?
In jüngster Zeit scheint das friedliche Zusammenleben durch neue Formen von Hass, Hetze und Diskriminierung in den Sozialen Netzwerken zunehmend bedroht. Die Auseinandersetzung mit Hate Speech ist zu einer gesellschafts- und bildungspolitischen Herausforderung geworden, der sich auch die Institution Schule nicht entziehen kann. Fast jeder Jugendlicher hat schon Erfahrungen mit Hass im Netz gemacht. Zwar ist Hass gegen bestimmte Gruppen, z. B. wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung, keineswegs neu. Dieser Hass hat aber offenbar als alltägliche Erscheinung eine neue Dimension angenommen. Die Institution Schule mit ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag ist dabei in doppelter Hinsicht gefordert: Zum einen ist Hate Speech kein reines Onlinephänomen, sondern kann auch das schulische Zusammenleben beeinträchtigen. Zum anderen ist Schule als demokratiebildende Instanz dafür prädestiniert, Hate Speech durch die Vermittlung entsprechender Kompetenzen entgegenzuwirken. Allerdings liegen über Hate Speech im Kontext Schule bisher kaum Erkenntnisse vor.
Unter Hate Speech verstehen wir eine kommunikative Ausdrucksform in der Öffentlichkeit mit Botschaftscharakter (z. B. Schrift, Sprache, Videos), die absichtlich Ausgrenzung, Verachtung und Abwertung bestimmter Bevölkerungsgruppen fördert, rechtfertigt oder verbreitet und durch die diese in diskriminierender Weise in ihrer Würde verletzt, herabgesetzt oder gedemütigt werden (Wachs/Bilz/Schubarth 2018). Erste Untersuchungen lassen darauf schließen, dass Hate Speech gerade unter Jugendlichen relativ weit verbreitet ist und in den letzten Jahren zugenommen hat. So ermittelte eine Studie des Landesinstituts für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), dass 54 % der 14- bis 24-Jährigen häufig bis sehr häufig Hate Speech beobachtet haben (LfM 2016). Ein Jahr später waren dies bereits 59 % der gleichen Altersgruppe (LfM 2017). Auch internationale Studien bestätigen die große Relevanz von Hate Speech (Hawdon/Oksanen/ Räsänen 2017).
Mittlerweile gibt es zahlreiche Initiativen, die Hilfe und Unterstützung beim Umgang mit Hate Speech geben. So wird u. a. empfohlen, Gegenrede (Counter Speech) zu praktizieren, z. B. richtig zu diskutieren und zu argumentieren, nachzufragen oder zu entlarven, aber auch zu ironisieren oder Memes (sich schnell verbreitende Bilder, Videos u. ä.) gegen Hate Speech einzusetzen. Zudem ist der Selbstschutz sehr wichtig, z. B. sicherer Datenschutz, Beleidigungen nicht persönlich nehmen und sich nicht rechtfertigen. Weiterführende Links: www.amadeu-antonio-stiftung.de; www.no-hate-speech.de; www.nohatespeechmovement.de; http://www.bpb.de/252396/was-ist-hate-speech; https://www.klicksafe.de/ser vice/aktuelles/news/detail/hate-speech-im-internet/.
c) Welche neueren Erkenntnisse gibt es zur Intervention und Prävention von Gewalt und Mobbing an Schulen?
Wie aus den bisherigen Darlegungen zu erkennen ist, sind die Anforderungen an die Prävention und Intervention von Gewalt und Mobbing in den letzten Jahren weiter gewachsen. Eine heterogene Schülerschaft, Inklusion, Integration und die Neuen Medien stellen Schulen vor neue Herausforderungen. Viele Schulen haben sich mit neuen Ansätzen, Programmen und Projekten, z. B. auch gegen Cybermobbing und Diskriminierung, schon darauf eingestellt. Dazu gehört auch eine verstärkte Arbeit zur schulischen Wertebildung (vgl. Schubarth/Gruhne/Zylla 2017).
Fortbildungsbedarf zur Intervention bei Gewalt- und Mobbingfällen
Ungeachtet der Bemühungen von Schulen besteht bei Prävention bzw. Intervention von Gewalt und Mobbing ein deutlicher Handlungsbedarf. Darauf macht auch unsere eigene Studie zu Interventionskompetenzen bei Lehrkräften aufmerksam (vgl. ausführlich Bilz/Schubarth/Dudziak u. a. 2017). Bisher konnte man nur mutmaßen, wie Lehrkräfte in konkreten Gewalt- oder Mobbingfällen reagieren – nun liegen empirische Befunde vor: Gestützt auf eine repräsentative Lehrer- und Schülerbefragung zeigt unsere Studie, dass die Mehrheit der Lehrkräfte bei Gewalt und Mobbing nicht wegschaut, sondern sich um eine Beendigung des Gewalt- oder Mobbingfalls bemüht. Damit wird die Mehrheit der Lehrerschaft ihrem Erziehungsauftrag gerecht, dass Gewalt und Mobbing an Schulen nicht geduldet werden dürfen. Sowohl die Lehrer- als auch die Schülerschaft gibt mehrheitlich an, dass in Gewalt- und Mobbingfällen interveniert wird. Erwartungsgemäß fallen die Selbstauskünfte der Lehrkräfte günstiger und die Beobachtungen der Schülerschaft kritischer aus. Nur eine kleine Minderheit der Lehrkräfte (2 %) gibt an, bei dem letzten, selbst erlebten Gewalt- bzw. Mobbingfall nicht interveniert zu haben. Die große Mehrheit, d. h. rund drei Viertel der Lehrkräfte, berichtet, in der entsprechenden Situation interveniert zu haben. Weitere 21 % haben die Situation zunächst beobachtet und ggf. erst später interveniert.
Im Vergleich zur Lehrersicht sieht die Schülerschaft das Lehrerhandeln bei Gewalt und Mobbing deutlich kritischer: Eines der auffälligsten Ergebnisse ist der Befund, dass rund 30 % der Schülerinnen und Schüler berichten, dass die Lehrkräfte von dem von ihnen berichteten Fall nichts erfahren haben. Dass Lehrkräfte nicht alles erfahren, ist nicht unerwartet; dass aber immerhin jeder dritte bis vierte Gewalt- bzw. Mobbingfall ihnen nicht zu Ohren kommt, weist auf einen erheblichen Handlungsbedarf hin. Mehr noch: Jede zehnte Lehrkraft hat – aus Schülersicht – nichts unternommen und das Geschehen nicht weiter beachtet. Bei fünf Prozent der Fälle wurde der Mobbingfall sogar bagatellisiert. Weitere 14 % gaben an, dass die Lehrkräfte die Situation nur beobachtet haben. Umgekehrt haben in ca. 70 % der geschilderten realen Gewalt- oder Mobbingsituationen, von denen eine Lehrkraft erfahren hat, die Lehrkräfte auch interveniert.
Welche Hintergründe es dafür gibt, dass Lehrkräfte von Gewalt- und Mobbingfällen nichts erfahren und dass ein kleinerer Teil der Lehrkräfte bei Gewalt und Mobbing nicht eingreift, kann nur vermutet werden. Anzunehmen ist, dass das Klassen- und Schulklima, insbesondere die Lehrer-Schüler-Beziehung, aber auch der Professionalisierungsgrad der Lehrkräfte wie des gesamten Lehrerkollegiums, einschließlich der Schulleitung, wichtige Einflussgrößen darstellen.
Welche Interventionsstrategien sind erfolgreich?
Unsere Studie (Bilz/Schubarth/Dudziak u. a. 2017) liefert auch Antworten auf die Frage, wie und mit welchem Erfolg Lehrkräfte in Gewalt- und Mobbingsituationen agieren. Die mit Abstand häufigste Interventionsform ist das Gespräch mit den beteiligten Schülerinnen und Schülern. Mit deutlichem Abstand folgen kleinere Interventionen wie Gesten oder Mimiken, Maßnahmen auf Klassenebene oder Disziplinierungsmaßnahmen. Dagegen sind Kooperationen mit anderen Personen, emotionale Unterstützung oder langfristige Maßnahmen auf Klassen- bzw. Schulebene eher selten. Diese Befunde sind im pädagogischen Kontext ambivalent zu sehen: Einerseits sind Gespräche immer ein probates pädagogisches Mittel, Konflikte zu regeln; andererseits lässt die geringe Orientierung an kooperativen Ansätzen auf fehlendes kollegiales Zusammenwirken und folglich auf eine ungenügende Reichweite der Maßnahmen schließen.
Probleme aufgrund einer mangelnden pädagogischen Professionalität beim Umgang mit Gewalt und Mobbing werden auch bei einem Vergleich von Lehrer- und Schülerperspektive deutlich. So berichten Schülerinnen und Schüler – im Vergleich zu Lehrkräften – deutlich häufiger davon, dass bei Gewalt- bzw. Mobbingfällen autoritär-strafend eingegriffen wird, also z. B. mit Drohungen, Sanktionen und Disziplinierungen. Mehr als jeder vierte Schüler berichtet von solchen autoritär-strafenden Interventionen; bei den Lehrkräften ist dies nur etwa jede sechste Lehrkraft. Fremd- und Selbstbild gehen bei der Art der Inventionen offenbar ein Stück weit auseinander – Anlass genug, sich über unterschiedliche Wahrnehmungen auszutauschen.
Der relativ hohe Anteil autoritär-strafender Maßnahmen ist zum Teil problematisch; autoritär-strafende Maßnahmen sind beim Umgang mit Gewalt und Mobbing meist nicht zielführend. Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler gelingt es Lehrkräften mit unterstützend-kooperativen Interventionen (z. B. Kollegen hinzuziehen, Peer-Mediation, die gesamte Klasse einbeziehen)