Beteiligten) und auch mit autoritär-strafenden Mitteln. Will man Gewalt und Mobbing nachhaltiger begegnen, müssten somit unterstützend-kooperative Interventionen aus- und im Gegenzug autoritär-strafende Maßnahmen abgebaut werden. Hier können Fortbildung und Schulentwicklungsprozesse ansetzen.
Bei der Bewertung des Interventionserfolges ergeben sich weitere Differenzierungen , z. B. nach dem Status im Mobbinggeschehen. So bewertet die Gruppe der Unbeteiligten den Erfolg am höchsten, gefolgt von den Mobbingopfern und den Mobbingtätern. Der harte Kern, die Gruppe der Täter-Opfer, die sowohl Täter- als auch Opfererfahrungen machen, bewertet den Erfolg am niedrigsten. Hier bedarf es weiterer Überlegungen, wie mit dem harten Kern umgegangen werden kann. Offenbar ist diese Gruppe mit den bisherigen Strategien nur schwer zu erreichen.
Welche Interventionskompetenzen brauchen Lehrkräfte?
In unserer Studie (vgl. Bilz/Schubarth/Dudziak u. a. 2017) konnten vor allem drei Kompetenzen als Prädiktoren für eine erfolgreiche Lehrerintervention identifiziert werden: erstens die Breite des Gewaltverständnisses, d. h. welche Phänomene im subjektiven Verständnis der Lehrkräfte als »Gewalt« angesehen werden, zweitens die Diagnosekompetenz der Lehrkräfte hinsichtlich des Opfer- bzw. Täter-Status ihrer Schüler und drittens die Empathiefähigkeit der Lehrkräfte.
Beim Gewaltverständnis zeigt sich, dass Lehrkräfte vor allem dann intervenieren, wenn ihr Verständnis von Gewalt breit ist, sie z. B. auch soziale Ausgrenzung und Hänseleien als Gewaltphänomene ansehen. Lehrkräfte, deren Gewaltverständnis enger ist und sich z. B. auf körperliche Gewalt beschränkt, greifen auch seltener bei Mobbing ein. Das Gewaltverständnis der Lehrkräfte hat Folgen für die Schulklassen: In den Klassen von Lehrkräften mit einem breiten Gewaltverständnis gibt es deutlich mehr Mädchen und Jungen, die bei einer Mobbingsituation intervenieren würden als in Klassen von Lehrkräften mit einem engen Gewaltverständnis.
Hinsichtlich der Diagnosekompetenzen von Lehrkräften lässt sich Folgendes feststellen: Fragt man Lehrkräfte konkret, welche Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen Täter oder Opfer sind, fällt ihnen die Identifikation der Beteiligten recht schwer – und zwar für beide Gruppen gleichermaßen. Dass ihnen die Identifizierung aber bei den besonders leistungsstarken und den leistungsschwachen Lernenden besser gelingt, ist ein Indiz dafür, dass sie die Schüler vor allem unter Leistungsgesichtspunkten wahrnehmen. Die geringe Genauigkeit des Lehrerurteils lässt die Arbeit an den entsprechenden Diagnosekompetenzen notwendig erscheinen.
Weiterhin ist die Fähigkeit zur Perspektivübernahme eine wichtige Ressource für den kompetenten Umgang mit Schülermobbing. So verfolgen empathische Lehrkräfte mit ihren Interventionen in Mobbingsituationen langfristigere Ziele und erreichen diese auch eher als weniger empathische Lehrkräfte. Darüber hinaus ist das Wissen über Gewalt bzw. Mobbing von Bedeutung. So geht ein Fortbildungsbesuch mit einem erlebten Wissenszuwachs und einer erhöhten subjektiven Kompetenzeinschätzung einher. Die Bedeutung von Fortbildungsbesuchen wird auch durch den Befund untermauert, dass Lehrkräfte, die eine Fortbildung zu Gewalt bzw. Mobbing besucht haben, fast doppelt so häufig in Mobbingsituationen intervenieren als Lehrkräfte, die keine Fortbildung besucht haben. Neben dem Wissen hat auch die Selbstwirksamkeit Einfluss auf die Lehrerintervention. Lehrkräfte mit einer hohen Selbstwirksamkeit, also höherem Zutrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten, intervenieren häufiger und zielen mit ihren Interventionen zudem häufiger auf langfristige Veränderungen ab, wie beispielsweise die Verbesserung des Klassenklimas.
Resümierend ist festzustellen, dass das Gros der Lehrkräfte bei Gewalt und Mobbing interveniert. Diese erfreuliche Nachricht ist jedoch mit der Forderung zu verbinden, Lehrkräfte für Mobbing stärker zu sensibilisieren und nachhaltige Interventionsstrategien, vor allem kooperativer Art, zu fördern. Da die Überzeugungen und das Vorbild der Lehrkräfte einen Einfluss auf das Schülerhandeln haben, sollten auch Lehrerüberzeugungen und das Interventionshandeln in den Fokus der Prävention rücken. Darüber hinaus verweist der Befund, dass ein beachtlicher Teil der Mobbingfälle nicht zu den Lehrkräften gelangt, auf die Notwendigkeit, stärker an einer vertrauensvollen Lehrer-Schüler-Beziehung zu arbeiten. Ein gutes Schul- und Klassenklima und ein ganzheitliches Verständnis der Schülerpersönlichkeit sind dafür wichtige Voraussetzungen. Intervention und Prävention von Gewalt bzw. Mobbing bleiben somit auch künftig zentrale Aufgaben von Schulen. Eine nachhaltige Anti-Gewaltstrategie bedarf dabei der engen Verknüpfung von Prävention bzw. Intervention mit Schulentwicklungsprozessen. Die Politik ist aufgerufen, dafür die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
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