will mit Rolf Hanson sprechen«, sagte sie geistesabwesend. »Er ruft dann wieder an. In München scheint sich auch allerhand zu tun.«
Er lächelte flüchtig.
»Bei uns war ja lange nichts los«, bemerkte er.
»Du bist gut, bei uns ist jeden Tag was los.«
»Nichts Aufregendes«, meinte er. »So was hält jung.«
»Du hast gute Nerven, Hannes«, meinte Anne.
»Sei doch froh, mein Liebes. Ein nervöser Arzt wäre doch eine schlechte Visitenkarte für ein Sanatorium.«
»Unsere Quelle ist anscheinend ein Jungbrunnen«, meinte sie.
»Die Analyse des Wassers spricht jedenfalls dafür. Aber gegen einen guten Kaffee hätte ich jetzt auch nichts einzuwenden.«
Den tranken jetzt auch Fee und Daniel Norden. »Um Alice tut sich was«, meinte Daniel. »Sei lieb und ruf Hanson an. Vielleicht hat er Zeit, abends zu uns zu kommen. In der Praxis habe ich nicht so viel Zeit für eine so wichtige Unterredung.«
»Und womit soll ich ihn locken?« fragte Fee.
»Es geht um Alice Valborg, das wird doch Grund genug für ihn sein, oder meinst du, er hätte sie schon abgeschrieben?«
»Das nicht, aber vielleicht hat er bereits einen anderen Star entdeckt.«
»Du meinst Simone? Ein Star wird nicht entdeckt, er wird gemacht.«
Fee wartete bis halb zehn Uhr, aber dann konnte sie Rolf Hanson noch erreichen. Er wollte mit Simone gerade zum Studio fahren. Er sagte zu, abends zu kommen, und Fee hatte nebenbei erfahren, daß Simone jetzt bei den Hansons wohnte.
War das nur eine geschickte Taktik von Rolf Hanson, Simone auch familiär unter seine Fittiche zu nehmen, oder war damit auch die Überlegung verbunden, daß ein anderer Produzent sie ihm wegschnappen könnte? Fee überlegte das ganz nüchtern. Immerhin hatte sie den Eindruck gewonnen, daß Hanson sich große Sorgen um Alice machte…
Und auch Simone war das nicht entgangen. »Was ist mit Alice?« fragte sie.
»Ich weiß noch nichts Genaues: Ich werde es heute abend erfahren, Simone.«
»Du kennst sie schon lange, Rolf?«
Nach dem gestrigen Abend kam ihr das Du leicht über die Lippen. Alle Bedenken, daß es innerhalb der Familie zu Konflikten kommen könnte, waren weg.
»Fünfundzwanzig Jahre«, erwiderte er. »Ich war damals Regieassistent; und sie war ein unbeschriebenes Blatt mit sehr viel Ehrgeiz.«
»Ich will nicht neugierig sein«, sagte Simone zögernd.
»Aber du möchtest trotzdem gern mehr wissen«, sagte er lächend, »Nun, warum solltest du es nicht wissen. Ich war in sie verliebt, aber sie hatte nur ihre Karriere im Sinn. Sie war kühl bis ins Herz hinein. Es war nichts zwischen uns. Ich lernte Irene kennen, und dann gab es keine andere Frau mehr für mich.«
»Und was gab es für Männer in Alices Leben?«
»Es gab keine Affären. Ab und zu kamen mal Gerüchte auf, wenn sie öfter mit einem Mann gesehen wurde, aber zu einer längeren Bindung kam es wohl nicht. Sie war zwei Jahre in Hollywood, und was man da über sie berichtete, gehörte wohl nur zur Publicity. Sie hat verstanden, ihr Privatleben tabu zu machen.«
*
Fee dachte indessen darüber nach, was Isabel ihr über Alice erzählt hatte.
Isabel war auch als Reporterin immer fair gewesen. Sie hatte nie ausgeplaudert, was sie zufällig erfuhr, wenn es zur Intimsphäre eines Prominenten gehörte.
Kurz vor zwölf Uhr rief sie Anne an. Sie erfuhr, daß Alice im Tiefschlaf läge.
»Sag mir doch, was ihr in Erfahrung bringen wollt, Anne«, bat sie. »Herr Hanson kommt heute abend zu uns. Wenn wir wissen, was für euch von Interesse ist, tun wir uns doch leichter.«
»Es geht um einen Mann namens Rex«, sagte Anne.
»Vielleicht kann euch Isabel da weiterhelfen, mehr als jeder andere.«
»Wieso Isabel?« staunte Anne.
»Vergiß nicht, daß sie früher mal zu den besten Informierten im Showgeschäft gehörte. Eine Klatschtante war sie dennoch nicht. Aber sie muß Alice recht gut gekannt haben.«
»Uns hat sie nichts erzahlt«, sagte Anne.
»Das spricht doch für sie.«
»Wie soll ich es anfangen, Fee?« fragte Anne.
»So ganz beiläufig. Du machst das schon«, erwiderte Fee.
»Ich sehe Isabel kommen«, sagte Anne hastig. »Sie scheint etwas zu riechen.«
»Na, dann toi, toi, toi. Ich ruf wieder an.«
Isabel kam wegen Alice. »Hat sie denn etwas wieder einen Rückfall bekommen?« erkundigte sie sich ganz besorgt.
»Sie hatte eine schlechte Nacht mit schweren Träumen. Sie hat Angst vor einem Mann, der Rex heißt, wie es scheint.«
»Merkwürdig«, sagte Isabel nachdenklich. »Nach so vielen Jahren, lebt er denn noch?«
»Wir wissen nichts über diesen Mann, Isabel«, erklärte Anne.
»Es handelt sich um Alices Bruder«, sagte Isabel ruhig. »Es bleibt unter uns, Anne. Ich habe davon auch nur durch Zufall erfahren. In der Öffentlichkeit wurde es nie bekannt, daß sie Geschwister sind.«
»Gibt das nicht zu denken?« fragte Anne nach kurzem Überlegen.
»Nicht in jeder Familie herrscht so viel Harmonie wie bei euch. Manche Eltern verleugnen sogar ihre Kinder oder umgekehrt.«
»Abscheulicher Gedanke«, sagte Anne. »Würdest du mir erzählen, was du über Alice weißt, Isabel?«
»Es ist nicht viel. Ich war damals sehr stolz, als sie mir ein Interview gewährte, aber viel kam dabei nicht heraus. Sie sprach nur über ihre Filme. Ihr Privatleben klammerte sie aus. Aber dann bekam sie einen Anruf, über den sie sich schrecklich aufregte, und sie war so verstört, daß sie manches sagte, was sie wohl nicht sagen wollte. Sie beschwor mich dann auch, darüber zu schweigen. Ich habe es ihr versprochen.«
»Sie hat Angst, maßlose Angst, Isabel, und wenn wir ihr diese Angst nicht nehmen können, geht sie daran zugrunde. Das ist die Meinung von Hannes.«
»Aber wie könnte man ihr helfen, wenn sie selbst schweigt? Es ist so schwer, Anne.«
»Man kann die Therapie besser ausrichten, wenn man die Hintergründe einer solchen Furcht kennt.«
»Ich werde dir sagen, was ich weiß, was ich hörte, Anne. Es ist nicht viel. Es handelt sich um ihren Bruder. Er ist einige Jahre älter als sie. Wieviel, weiß ich nicht. Er war kurze Zeit ein sehr bekannter Schauspieler unter dem Namen Rex Borg. Dann verschwand er ebenso plötzlich in der Versenkung. Alkohol oder Drogen, ich kann es nur vermuten. Ich habe mich damals vorsichtig umgehört, aber nichts herausbekommen. Man war da noch diskreter. Jedenfalls war es nicht bekannt, daß er der Bruder von Alice war. Man ordnete ihn als einen ihrer Feinde ein.«
»Hatte sie viele Feinde?« fragte Anne.
»Sie war in jungen Jahren schon sehr erfolgreich, da hat man manche Neider. Sie war in Hollywood schon ein Star. Davon träumt manch anderer vergeblich. Mir schien es so, als würde sie von ihrem Bruder erpreßt werden.«
Anne schwieg. »Dann muß es doch etwas gegeben haben, womit er sie erpressen konnte. Aber wenn er ihr den Erfolg neidete, hätte er sie in solchem Fall vernichten können.«
»Ich habe darüber nachgedacht, Anne. Aber vielleicht wußte sie auch etwas von ihm, womit sie ihn unter Druck setzen konnte. Ich weiß es nicht. Ich kann es nur vermuten, da es nie zu einer Konfrontation kam, von der die Öffentlichkeit erfuhr. Und ich hatte doch wahrhaftig findige