sagte Fee. »Ich möchte nicht, daß Sie Juanita davon erzählen. Es konnte einen schwerwiegenden Rückfall zur Folge haben.«
»Ich werde alles tun, was Sie sagen. Was jedoch das Geld anbetrifft, brauchen Sie sich nicht für mich zu verwenden. Herr Hoflechner übernimmt die Forellenzucht und das Stück Land, das ans Jagdschlössel angrenzt. Darüber sind wir uns schon einig geworden. Meine Borniertheit gehört der Vergangenheit an. Ich würde alles hergeben, wenn ich dafür meinen Sohn zurückbekomme.« Seine Stimme zitterte. »Ich darf nicht daran denken, daß dies nicht mehr sein konnte.«
»Denken Sie nicht daran«, sagte Fee. »Darf ich eine indiskrete Frage an Sie stellen?«
»Bitte, jede!«
»Wollte Ihr Sohn das Geld besorgen, um Frau von Gölltaus Forderungen zu befriedigen?«
»Er hatte gesagt, daß er das Geld beschaffen würde. Wir hatten die Auseinandersetzung wegen Juanita. Ich verstieg mich bedauerlicherweise zu der Behauptung, daß sie wohl annehme, bei uns sei etwas zu holen. Ja, ich bereue das tief, aber ich habe es nun mal gesagt. Und da erklärte Marian, daß Carola ihr Geld bekommen würde und wir uns danach nichts mehr zu sagen hätten. Dann hat er das Gut mit Chérie verlassen. Mehr kann ich nicht sagen. Es ist alles, was ich weiß.«
»Hatte er Ihnen nicht vorher gesagt, daß Sie Juanita doch wenigstens erst kennenlernen sollten?«
»Doch, ja, das sagte er, aber ich lehnte es ab. Doch was nützt es mir jetzt, daß ich alles bereue? Ich sah die einzige Rettung für Gut Eickstedt darin, daß Marian Carola heiraten würde. Ich bin einmal ein schlechter Menschenkenner und zum andern war ich kein guter Vater. Die Tradition zählte mehr für mich. Mir war eingeprägt worden, daß Tante Amelie das schwarze Schaf der Familie gewesen sei, daß über sie nicht mehr geredet werden durfte.«
Fee überlegte. »Ich muß Ihnen wohl sagen, daß sie keinen eigenen Sohn hatte. Ihr Mann brachte aus seiner ersten Ehe einen Sohn mit, und es deutet alles darauf hin, daß dessen Sohn Jim auch ein böses Spiel mit Juanita getrieben hat. Hat er vielleicht Verbindung mit Ihrem Sohn aufgenommen?«
»Nicht, daß ich etwas davon erfahren hätte, aber jetzt erinnere ich mich, daß Marian einen Anruf bekam, der ihn in Aufregung versetzte. Das war kurz bevor wir die Auseinandersetzung hatten.«
»Aber Sie wissen nicht, wer anrief und was da gesprochen wurde?«
»Ich hörte nur, wie Marian sagte, daß er dort sein würde. ›Ja, ich werde kommen‹, hat er gesagt.«
»Und wann war das?«
»Am Tag vor Silvester.«
»Wir müssen lauter kleine Steinchen sammeln, Herr Baron, aber ich bitte Sie inständig, Juanita mit keinerlei Mißtrauen zu begegnen. Sie liebt Ihren Sohn, aber durch die Ereignisse ist sie auch in viele Zweifel geraten.«
Er blickte jetzt auf die Uhr. »Um zwölf wird Carola bei mir erscheinen«, sagte er tonlos. »Die Zeit rinnt dahin.«
»Dann fahren wir jetzt zur Behnisch-Klinik«, sagte Fee.
*
Sie waren schon beim Wagen, als Lenni sie noch einmal aufgeregt zurückrief. »Ein Anruf aus Amerika.« Fee rannte zurück ins Haus. Das konnte eigentlich nur Dr. Keller sein. Fee hatte ihn nicht persönlich erreichen können, aber es war ihr versichert worden, daß er schnellstens benachrichtigt werden würde, wenn es um Juanita gehe.
Er war es auch, und er redete nicht lange. Er sagte, daß er mit der nächsten Maschine kommen würde. Wo er Juanita treffen könne.
»Bei uns«, erwiderte Fee und sagte ihm die genaue Adresse durch. Dann atmete sie auf. Das war das erste Positive in allen Wirrnissen, und sie sagte es auch dem Baron.
»Juanitas Anwalt wird kommen. Er hat eben angerufen.«
»Dann stimmt es also, daß sie nicht unvermögend ist«, murmelte er. »Und nun wird sie glauben, daß wir Geld von ihr wollen.«
»Denken Sie doch nicht gleich so etwas«, sagte Fee. »Durch ihr Erbe hat Juanita wahrhaftig genug Sorgen. Sie ist dem allen gar nicht gewachsen. Ich hoffe, daß Dr. Keller sehr verläßlich ist. Ihm scheint Juanita jedenfalls voll zu vertrauen.«
»Und ich kann nur hoffen, daß sie mir nicht zu sehr mißtraut«, sagte der Baron leise.
In der Klinik angekommen, führte Fee noch ein kurzes Gespräch mit Juanita. »Hat sich Marian gemeldet?« fragte das Mädchen ängstlich.
»Noch nicht, aber sein Vater kommt mit den besten Absichten, Juanita. Sie brauchen keine Angst zu haben.«
»Ich habe keine Angst. Die Eickstedts sind stolz und eigensinnig, aber sie tun niemandem etwas zuleide. Tante Amelie hat es in ihrem Tagebuch geschrieben. Das befindet sich auch in dem Dokumentenkoffer.«
»Dann will ich Ihnen noch sagen, daß Dr. Keller anrief. Er wird kommen.«
Juanitas Gesicht entspannte sich, und ein erleichterter Seufzer kam über ihre Lippen. »Ich hätte ihn gleich einweihen sollen«, sagte sie leise.
Dem Baron blieb nur noch eine knappe Stunde Zeit für das Gespräch mit Juanita. Wie ihm innerlich zumute war, als er an ihr Bett trat, konnte Fee seinem Mienenspiel entnehmen, und sie hörte noch, wie Juanita sagte: »Es tut mir leid, daß wir uns unter solchen Umständen kennenlernen.« Dann ging sie. Schicksal, nimm deinen Lauf, dachte sie, aber ein bißchen mitmischen werden wir auch weiterhin.
Sie war schon am Ausgang, als sie von Jenny Behnisch eingeholt wurde, die ganz atemlos sagte: »Ich muß dich unbedingt sprechen, Fee. Es geht um unseren Schwerverletzten. Er phantasiert, und er sagt auch so was Ähnliches wie ›Chérie‹.«
»Guter Gott«, flüsterte Fee. »Ich bleibe. Ich muß nur schnell Lenni anrufen, sonst macht sie sich Sorgen, wo ich bleibe. Es passiert ja wirklich so viel bei dem Wetter.«
»Wem sagst du das! Wir haben heute schon den dritten Bruch. Jetzt kann passieren was will, wir können niemanden mehr unterbringen.«
Auf Lenni war Verlaß, aber sie war froh, wenn sie Bescheid wußte. Wenn auch die Kinder nun murrten, sie wußte auch diese zu beruhigen und zu beschäftigen. Und Fee stand indessen am Bett des namenlosen Fremden. Sein Kopf war von dicken Verbänden verhüllt. Man konnte nur etwas von der Nase sehen, und das wies auch Spuren von Kratzern auf.
Die Lippen, blaß und ganz schmal, waren gesprungen und trocken. Doch jetzt kam nur ein leises, gequältes Stöhnen darüber.
Fee wandte sich zu Jenny um. »Selbst sein Vater würde ihn doch nicht identifizieren können, sollte es Marian von Eickstedt sein«, sagte sie leise. »Und Juanita würde einen Schock bekommen, der sie restlos…« Sie kam nicht weiter.
»Nita«, stieß der Kranke hervor, als wäre dieser Name in sein Bewußtsein gedrungen.
Jenny und Fee tauschten einen Blick. Jenny beugte sich tief über ihren Patienten. »Sind Sie Marian von Eickstedt?« fragte sie betont. »Können Sie mich verstehen?«
»Ja.«
»Sie brauchen nur ja oder nein zu sagen. Und wenn es Ihnen schwerfällt, heben Sie bei Ja die rechte Hand. Sind Sie Marian von Eickstedt?«
Seine Lippen bewegten sich nicht, aber er hob leicht die rechte Hand, das war alles.
»Wenn das stimmt«, flüsterte Fee erregt, »oh, mein Gott, ihr müßt ihn durchbringen, Jenny. Er darf nicht sterben.«
»Jetzt verlier du mal die Nerven nicht, Fee. Wir tun, was wir können, aber es kommt immer auch auf die Patienten an. Und bis jetzt haben wir noch keinen Beweis, daß es sich um Marian von Eickstedt handelt. Der Baron wird jetzt noch nichts erfahren. Wir wollen keine falsche Hoffnung in ihm wecken. Unsere Mittagspause werden wir ohnehin mit den Ermittlungsbeamten verbringen müssen. Vielleicht haben die schon eine Spur gefunden. Solange werden wir uns gedulden, und unser Patient bekommt jetzt wieder eine Infusion.«
*
Was Juanita mit dem Baron gesprochen hatte, wußte