Günter Dönges

Butler Parker Staffel 12 – Kriminalroman


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      »Fangen Sie mit dem Cognac mal an«, erwiderte die Sechzigjährige. »Ich glaube, mein Kreislauf braucht eine kleine Beschleunigung.«

      Parker war ein perfekter Butler.

      Er lagerte mit Lady Simpson in den steilen Felsklippen der Küste und hatte das Versteck mit viel Sinn für Komfort hergerichtet. Über ihren Köpfen befand sich eine dunkle Plastikhaut, die den aufkommenden Sprühregen abhielt. Mylady saß auf einem zusammenfaltbaren Polster und ließ sich von Parker verwöhnen. Er hatte den schwarzen Picknickkoffer geöffnet und servierte seiner Herrin zuerst einen Cognac. Anschließend klappte er die Beine des Koffers heraus und verwandelte ihn in einen kleinen praktischen Tisch.

      »Ein wenig Schildkrötensuppe?« fragte er weiter. »Darüber hinaus könnte ich noch mit kaltem Huhn und einigen Sandwiches dienen, Mylady.«

      »Wollen Sie mich mästen?« grollte sie.

      »Nur, wenn Mylady darauf bestehen«, gab Parker gemessen zurück. »In Anbetracht der Nachtkühle sollten Mylady aber an eine intensivere Verbrennung denken.«

      »Ruhe! Was war das gerade?« Lady Simpson hob ruckartig den Kopf und schob dann vorsichtig die dunkle Plane zur Seite. Sie beugte sich vor und sah auf die Brandung hinunter. Die Flut lief gerade auf und schäumte gegen die Klippen.

      Parker war das seltsame Geräusch ebenfalls nicht entgangen. Um sofort einsatzbereit zu sein, packte er den Picknickkoffer wieder zusammen. Die Cognacflasche allerdings ließ er draußen. Er kannte den Kreislauf seiner Herrin nur zu gut. Er brauchte in nächster Zeit mit Sicherheit noch einige freundliche Ermunterungen.

      »Da war doch was«, stellte Lady Simpson gereizt fest.

      »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.«

      »Hörte sich dumpf an, wie?«

      »In der Tat, Mylady!« Parker sah längst hinunter in die Brandung und versuchte etwas zu erkennen. Die Sicht war leider sehr schlecht. Der Sprühregen war kompakter geworden.

      Er und Lady Simpson saßen nun schon seit zwei Stunden in den Steilklippen und hielten Ausschau nach Seejungfrauen. Sie waren gegen Mittag in Peterhead angekommen, jenem alten Fischereihafen, der von Touristen gern besucht wurde. Von dort aus waren sie nach Anbruch der Dunkelheit losgefahren. Parkers Wagen stand ein paar hundert Meter entfernt von diesem Versteck in einer schmalen Bodenfalte und konnte von der Küstenstraße aus nicht gesehen werden.

      Agatha Simpson und Josuah Parker wußten von Sir Edward, daß vor knapp einer Woche zwei Fischer umgekommen waren. Es handelte sich um zwei Männer, die laut Aussage ihrer Freunde Jagd auf Seejungfrauen machen wollten. Mit gebrochenem Genick waren sie später in der Brandung entdeckt worden.

      Jagd auf diese Seejungfrauen machten nun auch Lady Simpson und ihr Butler. Sie befanden sich an der Stelle, wo die beiden jungen Männer sich versteckt haben mußten. Die Polizei hatte hier zwischen den Klippen eine leere Whisky-Taschenflasche und einige Zigarettenkippen gefunden. Die kriminaltechnischen Untersuchungen ergaben eindeutig, daß die beiden jungen Männer aus der Flasche getrunken und die Zigaretten geraucht hatten.

      Parker beobachtete inzwischen die Brandung durch ein lichtstarkes Marineglas. Von Seejungfrauen war leider nichts zu sehen. Dafür erschien in der Optik eine Gestalt, die über den schmalen Pfad zur Brandungszone hinunterrutschte.

      Parker tauschte das Marineglas gegen ein Nachtsichtgerät aus, das auf der Basis der Restlichtmenge arbeitete. Selbst die schwächsten Lichtspuren wurden durch die Elektronik dieses Geräts vertausendfacht.

      Die Gestalt entpuppte sich als ein schmaler, nicht gerade großer Mann, der offensichtlich nicht fest auf den Beinen stand. Vielleicht hatte er auch nur zuviel Schwung. Er rutschte schon nicht mehr über den steilen Pfad nach unten, er rannte eigentlich und lief Gefahr, jeden Moment nach unten in die Brandung zu stürzen.

      Josuah Parker hegte einen schlimmen Verdacht. Wurde der Mann etwa verfolgt und gehetzt?

      Er richtete sein Nachtsichtgerät weiter nach oben und fand seine Vermutung bestätigt. Zwei schmale, geschmeidige Gestalten, die in schwarze Trikots gehüllt zu sein schienen, waren hinter dem Mann her.

      Sie hielten, was Parker mißbilligend feststellte, Preßluftharpunen in den Händen. Noch weniger erfreulich war die Tatsache, daß die Personen schwarze Gesichtsmasken trugen, die nur ihre Augen frei ließen.

      Parker schloß messerscharf, daß die beiden Gestalten keineswegs auf dem Pfad der Tugend wandelten. Sie schienen die Absicht zu haben, den Flüchtenden ins Jenseits zu befördern.

      *

      »Ein Zimmer wollen Sie haben?« fragte Norman Carty und sah die junge Frau aus schlauen Augen abschätzend an. »Das sieht schlecht aus. Das Nest hier ist bis unters Dach voll belegt.«

      »Ich nehme sogar eine Badewanne«, entgegnete die junge Frau. »Hauptsache, ich kann mich irgendwo hinlegen. Ich bin restlos fertig.«

      Sie gefiel ihm auf den ersten Blick, war etwas über mittelgroß, hatte unwahrscheinlich lange Beine von tadellosem Wuchs und zeigte auch sonst jene Formen in Perfektion, die ein Mann schätzte. Sie hatte tizianrotes Haar und Augen, deren Farbe nicht so recht festzustellen war. Sie konnten grün, aber auch grau sein. Die hoch angesetzten Backenknochen gaben diesem Gesicht einen exotischen Reiz.

      Sie trug eng anliegende Jeans, einen Pulli und darüber eine Jacke aus Schaffell. Die große Reisetasche aus Jeansstoff war auf dem Boden abgesetzt.

      Norman Carty, der Besitzer des kleinen Hotels, war ein guter Menschenkenner. Er versuchte herauszufinden, wer die junge Frau wohl sein mochte. Ihr Auftreten war eine Mischung aus Selbstbewußtsein und Temperament, auch wenn die junge Frau einen etwas müden Eindruck machte. Seiner Schätzung nach war sie vielleicht gerade fünfundzwanzig.

      »Haben Sie ’ne Panne gehabt?« fragte Carty.

      »Der Wagen steht ein bis zwei Meilen von hier auf der Straße«, antwortete sie. »Irgendwas mit dem Motor klappt nicht. Von solchen Dingen haben ich keine Ahnung.«

      »Vielleicht kann ich Ihnen für eine Nacht helfen«, sagte Carty. »Um diese Zeit werden Sie hier in Panrose doch nichts finden. Toll ist das Zimmer aber nicht.«

      »Ich kann mich anpassen«, sagte die junge Frau, »ich heiße übrigens Jane Wells und komme aus London.«

      Sie nahm ihre Tasche hoch und folgte ihm ins Haus. Norman Carty ließ sie absichtlich Vorgehen und kam voll auf seine Kosten. Sein Gast bewegte sich mit der lässigen Geschmeidigkeit eines Tieres und hätte allein schon mit diesem Gang ein Topmannequin ausgestochen.

      Es ging auf Mitternacht zu, die Halle des kleinen Hotels war leer. Durch eine nur angelehnte Tür konnte man hinüber in die Bar sehen, die noch beleuchtet war. Einige Männer schienen sich dort aufzuhalten. Man hörte Stimmen, Gelächter und das Klirren von Gläsern.

      »Sie haben beruflich hier zu tun?« erkundigte sich Carty und zog das Gästebuch heran.

      »Ich bin … Journalistin«, lautete die Antwort der jungen Frau. Carty war das kurze Zögern nicht entgangen. Er tat aber so, als habe er nichts gemerkt.

      »Vielleicht tragen Sie sich schon mal ein«, schlug er vor, »Privatanschrift und Zeitung.«

      »So streng sind hier die Bräuche?«

      »Sind Sie beruflich hier?« fragte er ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.

      »Okay«, erwiderte sie, »hier in der Gegend soll sich ja eine Menge ereignet haben.«

      »Sind Sie hinter einer bestimmten Story her?«

      »Mal sehen«, wich sie aus, »vielleicht ist das hier auch nur ein Schlag ins Wasser.«

      Sie hatte sich ins Gästebuch eingetragen und sah Carty fragend an. Er hielt bereits den Zimmerschlüssel in der Hand und ging dann voraus. Es war ein recht verwinkelter Weg, den sie durch das niedrige, aber dennoch zweistöckige Haus nahmen. Es ging durch Korridore, über Treppen und eine Galerie.

      »Hoffentlich