ist: »Denn in einer Gesellschaft leben, in der jeder zweite ein Mörder ist, das will [er] nicht.« (S. 300) Um seinen Traum von Brasilien und den dortigen Freiheiten (S. 299) auch äußerlich zu kennzeichnen, bringt er vor seiner Gärtnerei den Schriftzug »Klein Brasilien« (S. 302) an. Veit sympathisiert mit dem Brasilianer und seinen Ansichten, anders als Margot, die »in vielem nicht seiner Meinung« ist, der es aber doch gefalle, »dass er sich Gedanken mache« (S. 301). Viele Gedanken macht sich auch Veit – nicht zuletzt darüber, dass er sich nicht wie eigentlich vorgeschrieben im Lazarett in Vöcklabruck zur Begutachtung vorgestellt und den Termin bereits um sechs Wochen überzogen hat (S. 303).
Den Onkel traf ich im Freien: Für Veit wird der wahre Charakter seines Onkels immer offensichtlicher: Während er einerseits mit seiner Amtsautorität die Dorfbewohner einschüchtert (S. 304), hat er andererseits als Polizist kein Problem damit, Veit aufzufordern, für ihn auf dem Schwarzmarkt nach Zigaretten Ausschau zu halten (S. 306 f.). Mehr noch: Da er noch immer gierig an die Zigarren des Brasilianers denkt, deutet er Veit gegenüber eine mögliche Erpressung des gerade erst Freigelassenen an und droht auch seinem Neffen indirekt (S. 308). Für Veit ist der Onkel zunehmend eine elende Gestalt, die ihn nicht nur an den Vater erinnert (S. 305), sondern in ihrer Nikotinabhängigkeit auch lächerlich wirkt (S. 306).
Noch problematischer gestaltet sich für Veit die Beziehung zur Quartierfrau: Sie bringt ihm ein Flugblatt, das über die Aufstellung des ›Volkssturms‹ informiert, weil sie meint, so den »Drückeberger« (S. 310) endlich wieder an die Front zu bringen. Ein Streit entspinnt sich zwischen ihr und Veit, nach dem er sich so sehr vor ihren »böse[n] Pläne[n]« (S. 312) fürchtet, dass er beschließt, sich endlich wieder in der Kaserne zur Nachuntersuchung zu melden, denn er weiß: »[S]chlimmstenfalls drohte mir das Kriegsgericht.« (S. 312) Im Krankenrevier bietet sich ihm dann eine einmalige Veits einmalige Chance Chance: Das Schreibzimmer ist unbesetzt und ohne viel nachzudenken, stempelt Veit »hastig zwei Bögen Papier, wie sie im Stapel neben der Schreibmaschine lagen« (S. 312). Kolbe kann nun »Befunde und Unterschriften fälschen, wohl wissend, wenn die Sache aufflog, kostete es den Kopf« (S. 313).
Nachdem Veit mit der Schreibmaschine des Onkels im Polizei-Posten »eine Zurückstellung für August und Oktober« (S. 316) gefälscht hat und wieder auf die Straße tritt, »kam der Onkel angekeucht und rief, die Leiche von Nannis Tod Nanni Schaller sei gefunden worden, sie liege in der Drachenwand« (S. 317).
Die Leiche des Mädchens Annemarie Schaller: Das Kapitel beginnt mit dem nüchternen Protokoll von Veits Onkel Johann zum Leichenfund in der Drachenwand. Darin stellt der Gendarm fest, dass Nannis Nannis Leiche Körper »bereits stark verwest und teilweise skelettiert« (S. 318) und furchtbar zugerichtet war; offensichtlich ist sie aus großer Höhe abgestürzt. Auch erzählt der Onkel später seinem Neffen, dass man nicht mehr habe erkennen können, »ob das Mädchen noch Jungfrau gewesen sei« (S. 321). Dass man an der Leiche nicht noch mehr feststellen könne, liege auch daran, dass alle geeigneten Sachverständigen »beim Schanzen« (S. 321), also beim Anlegen von Festungsanlagen, seien. »Oder als Wachpersonal in Mauthausen, Ebensee, Zipf« (S. 321), kommentiert dagegen sarkastisch der Brasilianer, denn er glaubt »ohnehin, dass alle Sachverständigen es längst verlernt hätten, nach Todesursachen auch nur zu suchen, das geschehe zwangsläufig, wenn man im Sold von Mördern stehe« (S. 322).
Veit erfährt zudem von seinem Onkel, dass auch die Augen an Nannis Leiche ausgehackt seien und ein Unterarm fehle (S. 319). Angesichts dieser grausigen Verstümmelungen der toten Nanni denkt er an seine Begegnungen mit ihr zurück und erinnert sich schmerzhaft daran, ihr die Bitte nach einem Brief an die Mutter nicht erfüllt zu haben. In ihrem trotzigen Aufstieg zur Drachenwand erkennt Veit im Rückblick etwas Unvernünftiges, aber eben auch »etwas Selbstbestimmtes« (S. 320). Nanni wird schließlich in Mondsee beigesetzt.
Es ist immer noch hell genug zum Schreiben: Veit hat »ein schlechtes Gewissen« (S. 332) Margots Mann gegenüber, der nicht nur unter erbärmlichen Bedingungen »Tag und Nacht im Graben« (S. 331) an der Front steht, sondern in einem Brief auch ausgerechnet über die eheliche Treue sinniert. Margot entschuldigt sich bei Veit, dass sie ihrem Mann nichts von ihm schreibe und erst nach dem Krieg mit ihm reden wolle – was Veit mit dem Hinweis akzeptiert, sie schulde ihm keine Rechenschaft (S. 336).
Unangenehm wird es für Veit, als der SS-Mann Dohm erneut auf Heimaturlaub kommt. Angeblich habe er »im Hinterland« Dienstgeschäfte zu versehen, doch davon ist wenig zu spüren. Stattdessen kümmert er sich intensiv um die eigenen Vorräte, weil er – trotz seiner zur Schau getragenen Siegeszuversicht – offenbar nicht mehr an ein gutes Ende des Krieges glaubt (S. 333). Veit ist es »unbehaglich in seiner Nähe« (S. 333) und er versucht Konflikte mit dem SS-Mann zu vermeiden – ganz anders als der Brasilianer, der sofort mit seinem Schwager aneinandergerät und sich das eine oder andere »Schreiduell« (S. 337) liefert. Als Dohm offenbar die Zigarren des Brasilianers will, auf die auch schon Veits Onkel ein Auge geworfen hatte, eskaliert die Situation. Perttes überzieht seinen Schwager mit wüsten Perttes beleidigt Dohm Beschimpfungen, woraufhin Dohm ihn mit seiner Pistole bedroht, aber wieder von ihm ablässt und mit seinem Motorrad davonfährt. Für den Brasilianer ist jedoch klar, dass er sofort Flucht verschwinden muss, was er bereitwillig akzeptiert: »Lieber ins eigene Loch statt in deren Loch.« (S. 339)
Ich schaute mich in den Zimmern um: Die Entwicklung der Dinge in Mondsee beschleunigt sich: Das Verhältnis zwischen Veit und seinem Onkel wird immer prekärer, er hält ihn für »das größte Arschloch von allen« (S. 347). Veits zunehmend negative Sicht wird auch dadurch geprägt, dass er zwischen dem Gendarmen und seinem Vater immer mehr Ähnlichkeiten feststellt (S. 348). Veits Beziehung zum Ehemann der Quartierfrau erfährt dagegen eine überraschende Wendung – so überraschend, dass Kolbe nach dem letzten Gespräch mit Dohm, bevor dieser wieder in den Osten abreist, ein Pervitin nehmen muss, »sonst hätte [er] das nicht ausgehalten« (S. 344). Veit ist verstört von dem, was Dohm über seine Ehefrau sagt: »[S]o möchte er mich bitten, ein wenig auf seine Frau aufzupassen.« (S. 343) Die Quartierfrau könne nichts für ihr böses Verhalten, ein eingeklemmter Nackennerv sei daran schuld. Und auch für sein eigenes Benehmen entschuldigt sich Dohm bei Veit, er sei so aggressiv wegen seiner »saublöde[n] Arbeit« (S. 343) im Generalgouvernement.
Als Veit später im Auftrag des Onkels »ein Paket, das einige Dinge enthielt, die Nanni Schaller gehört hatten« (S. 349), der Lagerlehrerin übergeben will, entdeckt er, dass sie beim Korrigieren »getrocknete Tomaten und Apfelspalten« (S. 352) isst. Das und das nervöse Verhalten der Lehrerin lassen ihn verstehen, dass die Lehrerin ganz offensichtlich den Bildstein versteckt Perttes Brasilianer im Gasthof versteckt, in dem sie und die landverschickten Mädchen untergebracht sind. Grete Bildstein informiert ihn noch, dass das Lager in Schwarzindien aufgelöst und die Kinder aufgeteilt würden.
Veits Verhältnis zu Margot wird immer intimer – sie stößt mit ihm sogar »auf die gemeinsamen Kinder an, die [sie] irgendwann haben wollten« (S. 355). Von Margot erhält Veit auch eine Pistole für Veit Pistole, »die ihr Mann ihr aufgedrängt habe, für alle Fälle«. Weil »ihr Anblick [ihn] sofort beruhigte« (S. 342), nimmt Veit die Pistole an sich.
Bald ein ganzes Jahr: Veit erhält aus Wien »eine Beorderung […], dass [er sich] binnen einer Woche in der Breitenseer Kaserne einzufinden hätte« (S. 356). Das macht ihm zwar einerseits Angst, andererseits weiß Veit, dass er »etwas tun« muss: »[I]ch musste etwas ändern, ich konnte mich selbst nicht mehr ausstehen.« (S. 357) Um sich mit einer Fahrerlaubnis auszustatten, sucht er erneut den Onkel auf, den er dabei antrifft, wie er die Mädchen, die Schwarzindien verlassen, ein letztes Mal kontrolliert. Fast nebenbei teilt ihm der Onkel mit, dass er eine Verhaftung vornehmen müsse. Veit bekommt aus ihm nicht heraus, wen er verhaften möchte, dennoch bemerkt er an seinem Onkel einen für ihn unüblichen »Tatendrang« (S. 361). Erst als Veit zu Hause ist, realisiert er, »dass sich der Onkel über [ihn] lustig gemacht hatte. Die Verhaftung galt dem Brasilianer.« (S. 361) Was dann geschieht, folgt für Veit einer »Traumlogik« (S. 362): »Ich nahm die Pistole vom Balken herunter, schluckte vorsorglich ein Pervitin« (S. 362). Er macht sich eilig auf den Weg nach Schwarzindien und verfolgt dort aus sicherer Entfernung, wie aus dem Gasthaus der Amtshelfer mit einer Verletzung herauskommt und vom Onkel zum Gemeindearzt geschickt