Günter Grass
Katz und Maus
Eine Novelle
Lektüreschlüssel XL
für Schülerinnen und Schüler
Von Wolfgang Spreckelsen
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Günter Grass: Katz und Maus. Eine Novelle. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 22015.
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Lektüreschlüssel XL | Nr. 15519
2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2020
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961719-0
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015519-6
1. Schnelleinstieg
Abb. 1: Umschlag der 1961 erschienenen Erstausgabe von Katz und Maus. Die Grafik auf dem Umschlag stammt von Günter Grass selbst. – © Steidl Verlag, Göttingen 1993 (Erstausgabe bei Luchterhand Verlag: September 1961)
Unter einem Katz-und-Maus-Spiel lässt sich zweierlei verstehen. Zum einen ist es das Spiel des Starken mit dem Schwachen, des Jägers mit dem Gejagten. Der starke Jäger bleibt dem schwachen Gejagten auf den Fersen. Der Gejagte hat keine Möglichkeit, die Jagd durch einen Kampf zu beenden, auch an Geschwindigkeit ist ihm der Jäger weit voraus. Die Chancen der Maus sind daher gering und liegen in möglicher Begünstigung durch Situation oder Terrain. Aber auch das Tändeln der Katze mit der bereits gefangenen Maus ist das Spiel von Katze und Maus. So wie eine Katze die gerade gefangene Maus bisweilen nicht gleich tötet, sondern sie immer wieder scheinbar entkommen lässt, um sie dann, bevor sie weit genug gekommen ist, wieder einzufangen, ist die Situation Urbild für das Hinauszögern einer Entscheidung, die wegen der ungleichen Chancen von Anfang an kaum Zweifel an ihrem Ausgang lässt. Beiden Deutungen des Katz-und-Maus-Spiels ist eigen, dass es nur auf der Seite des Jägers im eigentlichen Sinne ein Spiel ist. Für die Katze geht es um einen Einsatz, den sie ständig vor Augen hat, für die Maus geht es um alles, ums Leben.
In der Literatur ist die Geschichte von Katze und Maus in der einen wie der anderen Ausprägung ein sehr Die Stoffgeschichte altes Thema. Bereits die antiken Sagen berichten von Menschen, die sich den Launen der Götter ausgeliefert fühlen, und Göttern, die mit den ihnen ausgelieferten Menschen spielen. Die christliche Passionsgeschichte verfügt ebenfalls über den Aspekt der Aussichtslosigkeit eines Verfolgten. Sie ist ein besonders wichtiger Bezugstext für Katz und Maus. Später findet sich das Thema des ungleichen Kräfteverhältnisses in verschiedenen Fabelsammlungen, stets mit Verweisfunktion auf menschliches Leben und Erleben. Ein später Höhepunkt dieser Linie ist die kurze Erzählung Kleine Fabel aus Franz Kafkas Nachlass. Auch mit dieser knappsten Form einer Fabel ist ein wichtiger Prätext zur Grass-Novelle gegeben. Mit dem Titel Katz und Maus nennt Günter Grass sowohl den allgemeinen Topos als auch die literarische Tradition, in der er steht.
Die Novelle Katz und Maus von Günter Grass, erschienen 1961 in der Nachfolge der schon damals sehr berühmten Blechtrommel, ist ein Werk, das sehr schnell sowohl begeisterte als auch heftig ablehnende Reaktionen hervorgerufen hat. Sorgfältige Beschäftigung mit feineren Strukturen des Werkes in der Folge ergab, dass mit Katz und Maus ein auf verschiedenen Ebenen aussagekräftiges Buch vorlag. Noch heute kommt es zur Entdeckung neuer Aspekte der Novelle. Sie ist damit einerseits ein sehr zugängliches Werk, das sich gut liest und eine nachvollziehbare Geschichte erzählt, andererseits aber eine Herausforderung an eine anspruchsvolle Interpretation im Detail. Grass zeigt sich hier nicht nur als außergewöhnlicher Erzähler, sondern auch als Grass als Strukturkünstler Strukturkünstler und Meister der kurzen Form.
Der Zum vorliegenden Lektüreschlüssel Lektüreschlüssel Katz und Maus ist keine in sich geschlossene Untersuchung der Novelle. Er will vielmehr den Zugang zu Form und Gehalt des Textes erschließen, indem er einerseits Zusatzinformationen zum Text liefert und ihn strukturieren hilft, zum anderen Deutungsvorschläge macht, die eine eigene Interpretation auf verschiedenen Ebenen erleichtert. Er beginnt mit einer Inhaltsangabe, eingeteilt nach der Abfolge der Kapitel. Darauf folgen kurze Darstellungen und Charakterisierungen der zentralen Figuren in der Novelle. Die sich anschließende Darstellung von Form und literarischer Technik zeigt Besonderheiten der formalen Struktur von Katz und Maus auf. Dort geht es vordringlich um den Novellencharakter des Werkes, aber auch um Möglichkeiten, das Werk zu gliedern und Schlüsselstellen aufzufinden. Das Kapitel 5 »Quellen und Kontexte« bietet Ansätze zu einer Einordnung des Werkes in die Stoffgeschichte und in sein literarisches wie geschichtliches Umfeld. Das Kapitel 6, »Interpretationsansätze«, bietet mehrere mögliche Zugänge zu einer Gesamtdeutung des Werkes an. Zwar hängen die einzelnen behandelten Aspekte miteinander zusammen, können aber getrennt voneinander verfolgt werden. Der nachfolgende Abschnitt »Autor und Zeit« erweitert den Informationshorizont und hilft, den Text sowohl dem Autor als auch dessen Gesamtwerk in seiner Zeit zuzuordnen. Daran schließt sich eine kürzere Darstellung der Reaktionen an, die die Novelle in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat. Mit den Wort- und Sacherläuterungen endet der vornehmlich referierende Teil. Die sich anschließenden »Prüfungsaufgaben mit Lösungshinweisen« bieten einerseits Übungsmöglichkeiten typischer Prüfungsformate mit Lösungshilfen, andererseits formulieren sie Fragen zu vielen von den in diesem Band behandelten Aspekten des Werkes. Hier kann zum einen überprüft werden, wie erfolgreich die Lektüre gewesen ist, zum anderen versuchen einige der Fragen, das Leserinteresse auf Ungeklärtes in der Novelle zu lenken und so zur weiteren Beschäftigung mit einem reichhaltigen Text anzuregen. Anschließend finden sich einige Lektüretipps, die es ermöglichen, sich weitergehend und vertiefend über Katz und Maus sowie über Grass und sein Werk zu informieren. Abschließend sind einige der in dem Bändchen verwendeten Fachbegriffe angeführt und erklärt.
2. Inhaltsangabe
Die folgende Inhaltsangabe folgt dem Gang des Erzählens. Dieser weicht in manchen Fällen, besonders, wenn es um die Biographie und die Gedanken des Erzählers geht, aber auch im Falle der Eingangssequenz, von der zeitlichen Abfolge des Erzählten ab. Siehe hierzu auch das Kapitel 4: »Form und literarische Technik«. Darüber hinaus berücksichtigt der Überblick lediglich die Binnenhandlung. Die an verschiedenen Stellen eingefügten Partikel der Rahmenhandlung werden nicht erwähnt, da sie außerhalb des Geschehens liegen.
Vor den Resümees der einzelnen Kapitel sei eine Übersicht über die Haupthandlung gegeben.
Überblick Der vierzehnjährige Joachim Mahlke aus Danzig leidet unter seinem überdimensionalen, während der Pubertät entstandenen Adamsapfel. Seine Versuche, die Umwelt von dieser Besonderheit abzulenken, führen dazu, dass er seine Schulfreunde in allen Aktivitäten zu übertreffen sucht und seinen Hals mit allerlei Auffälligkeiten behängt, um von seinem Makel abzulenken. Gleichzeitig schafft er sich Rückzugs- und Fluchträume in der Funkerbude eines untergegangenen Minensuchbootes ebenso wie in seiner ekstatischen Marienverehrung. Als effektivstes Mittel, Anerkennung zu gewinnen und von dem Adamsapfel abzulenken, bietet sich die höchste militärische Dekoration, das Ritterkreuz, an. Der Diebstahl eines solchen Ordens führt jedoch zum Schulverweis und verhindert, dass Mahlke, als er das Ritterkreuz später tatsächlich erhalten hat, an seiner alten Schule gefeiert wird. Er desertiert und ertrinkt wahrscheinlich bei dem Versuch, in sein altes Versteck auf dem Schiffswrack zu gelangen.