seine Urlaubszeit überschritten hat.
13. Kapitel
Am nächsten Morgen treffen sich Mahlke und Pilenz wieder in der Kirche. Mahlke will desertieren. Er beschließt, sich in seiner Funkerbude auf dem Minensuchboot zu verstecken. Pilenz rudert ihn zum Wrack hinüber. Mahlke taucht und Mahlkes Ende verschwindet damit aus der Novellenhandlung. Pilenz hebt den Fuß von einem Dosenöffner, den Mahlke neben einigen Konserven mit auf das Boot nehmen wollte, und wirft ihn ins Wasser. Auch kehrt er nicht, wie vereinbart, am selben Abend zum Suchboot zurück. Als Erzähler, der aus einem Abstand von etwa 15 Jahren berichtet, bringt Pilenz nach dem Verschwinden Mahlkes große Teile seiner Zeit mit der Suche nach ihm zu, ohne ihn wiederzufinden.
3. Figuren
Abb. 2: Umschlag der 2003 erschienenen Studienausgabe von Katz und Maus. Die Grafik auf dem Umschlag zeigt Mahlke mit umgehängtem Ritterkreuz und wurde von Grass selbst gestaltet. – © Steidl Verlag, Göttingen 1993/2003
Joachim Mahlke
Der Held der Novelle ist ein Junge aus Danzig, der zu Beginn der Novelle mit Mutter und Tante zusammen in einem Siedlungshaus in Danzig-Langfuhr lebt. Sein Vater, ein Eisenbahner, ist vor Einsetzen der Novellenhandlung bei dem Versuch ums Leben gekommen, einen Eisenbahnunfall zu verhindern. In der Schule ist Mahlke bewunderter wie belachter Außenseiter Mahlke Außenseiter, der seinen Mitschülern ein beständiges Rätsel bleibt. Auf jedem erdenklichen Gebiet versteht er es, seine Mitschüler zu überflügeln, jedoch nie auf entspannt-souveräne Weise, sondern stets verkrampft und angestrengt. Äußerlich fällt vor allem sein übergroßer Adamsapfel auf. Diesen, wie seine gesamte Person, bemüht er sich der allgemeinen Aufmerksamkeit zu entziehen. Dabei versucht er nicht so sehr, den Adamsapfel zu verbergen. Er lenkt vielmehr von ihm ab, indem er auffällige oder auffälligere Dinge in dessen Nähe bringt, wie zum Beispiel den englischen Schraubenzieher, die Puscheln oder am Ende das Ritterkreuz. Sein Streben gilt jedoch nicht nur der Unauffälligkeit, sondern, wie sich an seinem Wunsch nach einem eigenen Vortrag am Conradinum zeigt, persönlicher Anerkennung, in jedem Fall aber der Abwendung von wie immer gearteter Verfolgung.
Der Ich-Erzähler
Diese Figur wird nicht, wie Mahlke, in expliziten Beschreibungen eingeführt. Obwohl er ständig präsent ist, ist seine Charakterisierung auf Rückschlüsse angewiesen. So erfährt man in der gesamten Novelle nur den Nachnamen des Erzählers, Pilenz, diesen auch erst im achten Kapitel und mit dem Zusatz: »was tut mein Vorname zur Sache« (S. 86). Die meisten Angaben zu seiner Person sind solche, die in Beziehung zu Mahlke stehen. So ist er Mitschüler von Joachim Mahlke und, da dieser spät eingeschult worden ist, ein Jahr jünger als er. Vor allem aber ist er sein ständiger Beobachter, jedoch nicht nur Beobachter, sondern auch Initiator seines Schicksals: Indem er die Katze des Platzwarts auf den Adamsapfel Mahlkes hetzt, bringt er gewissermaßen die erzählte Geschichte in Gang. So versteht er sich auch als mit Mahlke verbunden und zuständig für diesen und sein Schicksal. Seine Beziehung zu Mahlke und dessen Geschichte ist einerseits von schlechtem Gewissen geprägt, andererseits aber von einer, nur in Andeutungen erkennbaren und von ihm selbst bekämpften, homoerotischen Neigung zu diesem. Pilenz spielt in der Novelle eine Pilenz’ Doppelrolle Doppelrolle, einerseits als Biograph und Beobachter Mahlkes, andererseits als Protagonist seiner eigenen Geschichte.1
Tulla Pokriefke
Tulla ist das einzige Mädchen in der Gruppe auf dem gestrandeten Minensuchboot und eine der wenigen weiblichen Charaktere der Novelle. Sie ist Einzelgängerin Einzelgängerin und Ausnahmefigur; keine Frau kommt Mahlke jemals näher als Tulla, doch auch sein Verhältnis zu ihr »zählt nicht« (S. 32). Sie hingegen ist von ihm fasziniert, ähnlich wie seine Mitschüler. Als er nach seinem Wechsel zur Horst-Wessel-Oberschule nicht mehr zum Schiffswrack kommt, fehlt von da an auch Tulla. Sie wird insgesamt als wenig weiblich beschrieben, »ein Spirkel mit Strichbeinen«, und »hätte genausogut ein Junge sein können« (S. 32), aber, so Pilenz, »uns allen saß Tulla als Splitter im Fleisch«. Für Mahlke, der eine intensive Marienverehrung lebt, stellt Tulla, die beharrlich als Verführerin Verführerin oder gar personifizierte Verführung beschrieben wird, einen Gegenpol zur Jungfrau Maria dar. Durch ihre androgyne Erscheinung ebenso wie durch ihre auffällige Beherrschung des Wassers wird sie in die Nähe romantischer Naturwesen wie der Nixen und Undinen gerückt. »Eigentlich hätte sie Schwimmhäute zwischen den Zehen haben müssen« (S. 33), bemerkt Pilenz.
Oberstudienrat Waldemar Klohse
Klohse ist Lehrer für Mathematik und Direktor des Conradinums. Er ist am Gymnasium oberste Instanz und, wie sich am Ende herausstellt, unüberwindliches Hindernis für die Erfüllung von Mahlkes Wunsch nach Anerkennung. Seine Sprechweise ist durch die Verwendung von propagandistischen Sprachhülsen und formelhaften Literaturzitaten geprägt, was ihn als mechanisch funktionierenden Angepasster Nationalsozialist Mitläufer und Unterstützer des nationalsozialistischen Systems wie des humanistisch geprägten Schulmechanismus ausweist. Er ist so vollständig in seine schulische und bürgerliche Umgebung eingepasst, dass er in seiner auffälligen Unterschiedslosigkeit zu dem Platz, den er einnimmt, eine Art Gegenrolle zu Tulla Pokriefke spielt, die überall Ausnahme und Außenseiterin ist.
Hochwürden Gusewski
Der Priester der Marienkapelle, bei dem Pilenz jahrelang Ministrantendienste tut, greift in das eigentliche Geschehen kaum ein. Auch ist er keine auffällige Erscheinung. »Insgesamt war er ein Priester wie hundert andere« (S. 96), charakterisiert ihn Pilenz. Er zeigt sich als Opportunist seiner Zeit, indem er 1940 einen Antrag auf Namensänderung vom slawischen Gusewski zu einem germanischeren Gusewing stellt, hierin durchaus mit vielen seiner Zeitgenossen im Einklang. Allerdings zeigt er auch einige der Erwähnung werte Verhaltensweisen und Eigenschaften, die ihn für Mahlke und fast noch mehr für Pilenz zur wichtigen Vertrauensperson für Mahlke Person machen. So spricht niemand mit mehr Verständnis und Interesse für Mahlke als der Priester. Seine Homosexualität, die für Pilenz bereits im Alter von dreizehn Jahren offensichtlich ist, entfernt ihn von der Masse der Danziger im Dritten Reich. Für Pilenz ist er eine von zwei Vertrauenspersonen, die auffälligerweise beide Geistliche sind. Die zweite ist der Franziskanerpater Alban, der später Pilenz zur Niederschrift seiner Geschichte rät und ihn somit zum Erzähler macht.
Studienrat Mallenbrandt
Studienrat Mallenbrandt ist in mehrfacher Hinsicht ein Dazwischenstehender. Er ist einerseits Vertreter der bestehenden Ordnung, andererseits aber führt er »bis ins zweite Kriegsjahr« (S. 12) einen katholischen Arbeiter-Turnverein, was eine sich den staatlichen Zielen widersetzende Haltung zeigt. Sein Beharren auf der unverletzten eigenen Autorität und Regel Autorität wird vor allem in der Untersuchung deutlich, die er nach dem Diebstahl des Ritterkreuzes anstellt. Sehr schnell geht es ihm nicht mehr um Aufklärung und Wiederbeschaffung des Kreuzes als vielmehr um die Durchsetzung seines Herrschaftsanspruchs. Sein ganzes Wesen ist auf die Einhaltung von Regeln gerichtet. So ist er berühmt, »weil er ein richtungweisendes Regelbuch für das Schlagballspiel« (S. 12) geschrieben hat.
Studienrat Oswald Brunies
Der Deutschlehrer Brunies steht beispielhaft für eine unauffällige Existenz unter dem Nationalsozialismus, die als keineswegs exotisch angesehen werden muss. Er ist »ein ausgedienter Studienrat, den sie während des Krieges wieder hinters Katheder gestellt« (S. 41) haben. Sein Lieblingsdichter ist Eichendorff, mit dem er weite Teile seines Unterrichtes bestreitet. Dem Nationalsozialismus steht er fern, und Anordnungen von oben trägt er bisweilen nicht mit, wie zum Beispiel die Durchsetzung des Puscheln-Verbots an der Schule. Dabei ist er aber kein entschiedener Mitläufertum Regimegegner. Dass er später dennoch verhaftet wird und im Konzentrationslager Stutthof endet, liegt wahrscheinlich nicht an politischer Betätigung, obwohl er Freimaurer ist, sondern an seiner Angewohnheit, für Schüler bestimmte Vitamintabletten zu unterschlagen und selber zu lutschen. Brunies ist exemplarisch für einen