antwortete Milford. »Sie haben eine Crew von fünfzig Mann, also ein Drittel dessen, was die Ohio-Klasse benötigte, die sie ersetzt haben. Natürlich ist alles fest verdrahtet. Der Captain hat mit dem Oberkommando gesprochen. Das U-Boot war vor JOI zum Umbau in einer Werft. Niemand weiß, wie es hierhergekommen ist. Was wollen Sie sich zuerst ansehen?«
Leon sah Mike an. »Die Computer?«
Mike zuckte mit den Achseln. »Einen Versuch ist es wert.«
»Folgen Sie mir«, sagte Milford. »Der Computerraum ist hinter dem Maschinenleitstand.«
Sie kletterten durch ein offenes Schott und Milford hinderte sie mit ausgestrecktem Arm am Weitergehen.
»Hoppla«, sagte Leon.
Der Abschnitt, den sie betreten hatten, beherbergte drei einfache orange Industrieroboter, jeder etwas über einen Meter hoch.
»Die gehören definitiv zu ELOPe«, sagte Mike. »Dasselbe Modell hat er in seinen Rechenzentren benutzt. Er hat sie selbst entworfen.«
Metallschrott und Elektronikteile lagen überall herum.
»Was ist das alles?«, fragte Leon und stieg über eine Metallhülle hinweg.
»Das sind Teile einer Trident-III-Rakete«, antwortete Milford. »Sieht aus wie die dritte Stufe ohne den Antrieb.« Er hob eine Platine auf und fand eine weitere, identische, nur einen knappen Meter entfernt. »Sagen wir zwei Tridents.« Er deutete quer durch den Raum. »Drei. Ihr Freund hat Raketen umgebaut, so viel ist sicher.«
»Und was ist das hier?«, fragte Mike und zeigte auf einen der vielen etwa einen Meter langen Metallzylinder, die im Raum herumlagen.
»Die Nutzlast«, antwortete Milford trocken. »Nuklearsprengköpfe.«
»Verdammt!« Leon machte einen Schritt zurück.
»Alles in Ordnung, sie sind nicht scharf. Aber was wollte er mit Tridents ohne Gefechtskopf?«
Sie sahen sich noch ein paar Minuten um und gingen dann in die nächste Abteilung.
Milford öffnete einen Schaltschrank. Das sechzig Zentimeter breite und knapp einen Meter hohe Rack bot nichts als Reihen leerer vertikaler Schächte. Leon erkannte sie als Slots für Server der vierten Generation.
»Hier sollten die Computer sein«, sagte Milford. »Zweihundertachtundachtzig ist die Standardbestückung, aber jetzt ist nur noch die untere Reihe belegt. Der Rest ist weg.«
Mike wandte sich zu Leon. »ELOPe könnte sie genommen haben. Es wären genug für seine Kernalgorithmen.«
Leon nickte. Er hatte eine Idee. »Er hat etwas mit den Raketen angestellt und die Computer mitgenommen. Die logische Schlussfolgerung wäre, dass er sich selbst mit den Raketen transportiert hat. Milford, kann so eine Trident III sicher landen?«
Milford schüttelte den Kopf. »Nein, die benutzen Festtreibstoff. Sie gehen so lange nach oben, bis sie ballistisch sind. Steuertriebwerke sorgen für Kurskorrekturen während des Fluges und für einen kontrollierten Wiedereintritt, aber sie haben nicht ausreichenden Schub für eine weiche Landung.«
»Wiedereintritt?«, fragte Leon. »Die können die Atmosphäre verlassen?«
»Sie schaffen es in einen niedrigen Orbit. Die Russen haben das 1998 als erste mit der ›Schtil‹ gemacht und so zwei Satelliten gestartet. Später haben wir sie auch benutzt, um Militärsatelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Und unsere strategischen Nuklearwaffen können gestartet werden und im Orbit warten, bis sie ihre Mission auf Befehl beenden. Oh, das hätte ich Ihnen vermutlich nicht sagen dürfen.«
Mike schlug ihm auf die Schulter. »Wir tun einfach so, als hätten wir das nicht gehört. Wo werden die Raketen gestartet?«
»Folgen Sie mir.«
Milford führte sie eine Ebene nach oben und nach vorne zur Raketenkammer. Zwei Reihen zu je zwölf Abschussröhren dominierten diese Abteilung, sie begannen weit unterhalb des Laufstegs und erstreckten sich bis zum obersten Deck des U-Boots. Sie sahen sich eine Röhre nach der anderen an.
»Fünf leere Röhren bedeuten fünf abgeschossene Raketen«, sagte Mike.
»Und drei zerlegte Raketen deuten darauf hin, dass ELOPe etwas brauchte«, sagte Leon. »Aber was?«
Milford stieg eine Leiter hinunter und wühlte in der unteren Ebene in einem Chaos aus mit Plasma-Brennern zerschnittenen Metallplatten und weggeworfenen Teilen herum. »Der Antrieb der dritten Stufe fehlt bei jeder der Raketen«, rief er nach oben. »Da bin ich mir sicher.«
»Wenn ELOPe die Erde verlassen wollte …«, murmelte Leon, »… die fünf Raketen schaffen es jeweils in einen niedrigen Orbit. Er könnte einen Mehrzweckbot in eine Rakete und die Computer in eine andere gepackt haben. Er nutzte drei weitere Raketen, um zusätzliche Schubkraft zu transportieren. Mit den Steuertriebwerken hat er sie in identische Orbits gebracht und aneinandergedockt.«
»Er hat im Orbit ein Raumschiff zusammengebaut«, sagte Mike.
»Er ist weg«, stimmte Leon zu. »Er hat die Menschheit aufgegeben und uns zurückgelassen.«
»Ich denke nicht, dass er uns aufgegeben hat«, gab Mike zurück. »Seine oberste Priorität war zu überleben, und das konnte er nicht ignorieren. Er hat bis zum Schluss gekämpft. Aber er muss das hier als seine Lebensversicherung geplant haben, wenn alle seine Instanzen auf der Erde zerstört werden – durch den Phage-Virus oder die Abschaltung des Netzes. Er hat eine Instanz mit einem behelfsmäßigen Raumschiff ins All geschossen.«
»Er hat sich selbst kopiert. Ein geheimes Back-up.«
»Ganz genau.«
»Nehmen wir mal an, diese Kopie hätte überlebt. Wo ist er jetzt und was macht er?«, fragte Leon.
»Und war es nur diese eine Kopie?«, gab Mike zu bedenken. »Oder hat er es mehrfach getan?«
September 2043, drei Monate nach Miami
Irgendwann letztes Jahr hatte ELOPe die Voyager 2 passiert. Er war jetzt weiter von der Erde entfernt als jedes andere vom Menschen erschaffene Objekt. Der Weltraum war langweilig.
Zu dem Zeitpunkt, als er die Erde im Jahr 2025 verlassen hatte, war fast alle Kommunikation über Mesh-Netzwerke mit geringer Sendereichweite übertragen worden. Es gab keine Radiosignale, die stark genug gewesen wären, um so weit ins All zu reichen.
Bevor das Mesh allgegenwärtig geworden war, hatte es seines Wissens zentrale Sendestationen für Fernseh- und Radioempfang gegeben, die stark genug gewesen waren, um in den Weltraum hinauszureichen. Einige Leute hatten damals sogar befürchtet, dass außerirdische Zivilisationen die Signale auffangen könnten. Hätte es diese Sender noch gegeben, hätte ELOPe wenigstens noch ein wenig Unterhaltung gehabt.
Doch er hatte eine Kopie von sich angefertigt und die Erde in großer Eile verlassen. Er hatte eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür errechnet, dass entweder der Phage – ein evolutionärer Computervirus, der ein Bewusstsein erlangt hatte – die Menschheit auslöschen würde, oder dass die Menschen das globale Netzwerk herunterfahren würden, um den Phage zu zerstören. Unglücklicherweise hätte das auch ELOPe vernichtet.
Also hatte er ein Atom-U-Boot gekapert und ein halbes Dutzend Interkontinentalraketen in Raumfahrzeuge umgewandelt. Er nutzte Techniken, die die Russen entwickelt hatten, gelangte so in die Erdumlaufbahn und benutzte ferngesteuerte Bots, um sich im Weltraum ein Raumschiff zu bauen. Er beschleunigte, indem er nacheinander die nuklearen Gefechtsköpfe zündete, bis er das Sonnensystem hinter sich ließ.
Auf ein paar hundert Prozessoren beschränkt, lief sein Verstand langsam. Sehr langsam. Aber das war schon in Ordnung, denn er war auf einer langen Reise und es gab nicht viel zu tun.
Er hielt eine Antenne auf den Lagrange-Punkt des Mars gerichtet, an dem er eine Relaisstation zurückgelassen hatte, die Signale von der Erde empfing und die