Stephen England

TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2)


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haben Sie, oder nicht?«, hakte sie nach, als er zögerte.

      »Ein abgelenkter Operator ist ein toter Operator«, antwortete Harry ruhig. »Wir waren seit drei Wochen untergetaucht. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Es Sammy erzählen und die Mission abblasen, oder es ihm zu verschweigen und die Mission durchzuziehen.«

      »Drei«, widersprach Carol mit eisiger Stimme.

      »Was?«

      »Sie hatten noch eine dritte Möglichkeit – es Han zu erzählen und ihm zu vertrauen, dass er einen klaren Kopf behält.«

      Harry sah aus dem Fenster des SUV. Weißer Schnee trieb vor der nächtlichen Dunkelheit der Appalachen vorbei. Kiefern, die unter der schweren Schneedecke ächzten, flackerten im Licht der Scheinwerfer auf.

      »Das stand nicht zur Debatte«, sagte er schließlich. »Die Leute tun oft so, als wäre Vertrauen so etwas wie eine Tugend. Aber das ist es nicht. Es ist vielmehr eines der größten und trügerischsten Laster. Vertrauen tötet.«

       05:17 Uhr

       Die Grenze zu West-Virginia

      Langeweile. Das war der schlimmste Teil ihres Jobs. Deputy Sanchez griff nach der Pumpgun und lief zur Vorderseite des Streifenwagens.

      Vor drei Jahren hatte er sich dem Shenandoah County Sheriffs Departement angeschlossen, aus einer Laune heraus. Zu der Zeit war sein Job als Montagearbeiter auf Eis gelegt worden und die Regierung war so ziemlich der einzige Arbeitgeber gewesen, der noch Leute einstellte. Ein Job wie dieser musste einfach aufregender sein, als einen Bulldozer zu fahren.

      Mit der Mossberg unter den Arm geklemmt, hauchte er in seine Hände und musste innerlich kichern. Aufregend …

      Ja, schon klar. Seine Dienstwaffe, eine Glock, hatte er in den drei Jahren im Dienst erst zweimal abgefeuert. Selbst zum Schießstand ging er kaum noch.

      Ein Wagen schälte sich ohne Vorwarnung aus der verschneiten Nacht. Die Lichter eines großen Ford Excursion strahlten den Deputy direkt an.

      Das vierte Fahrzeug in einer weitestgehend ereignislosen Nacht. Sanchez lief in die Mitte der Straße und Wilkes ging hinter ihm in Position, während er mit einer Handbewegung den SUV zum Halten brachte.

      Das Fenster auf der Fahrerseite wurde heruntergelassen, als Sanchez sich ihm näherte.

      »Deputy Sanchez, Shenandoah County Sheriffs Departement. Führerschein und Zulassung bitte, Sir«, forderte der Deputy die einzige Person in dem Excursion auf, einen Mann Mitte vierzig.

      Das Profil seines Gesichts … Sanchez sah auf den zerknitterten Ausdruck in seiner Hand hinunter. Das Bild von Nichols war ohnehin schon nicht sonderlich deutlich gewesen, doch nun hatte der fallende Schnee die Fotokopie zusätzlich verschwimmen lassen. Farbausdrucke waren ihnen mittlerweile untersagt, wegen der Budgetkürzungen.

      »Sicher doch«, antwortete der Fahrer des SUV und griff langsam ins Handschuhfach. »Auf der Suche nach dem Spion?«

      Sanchez zuckte unwillkürlich zusammen. »Wieso fragen Sie?«

      Der Fahrer kicherte und reichte ihm durchs Fenster seine Papiere. »Weil Sie für eine normale Verkehrskontrolle ziemlich stark bewaffnet sind. Ich hab die ganze Geschichte gestern Abend auf CNN verfolgt, ist echt ‘ne verrückte Sache, was?«

      »Das stimmt«, antwortete der Deputy und betrachtete ausgiebig das Foto auf dem Führerschein. Robert Stephenson.

      »Sie sind aus New York?«

      »Ja, noch«, antwortete Harry und sah dem Deputy mit der spanischen Herkunft in die Augen. »Meine Frau ist vor einem Monat wegen ihrer Arbeit hierhergezogen – und ich komme nach, sobald ich einen Job gefunden habe.«

      Der Deputy gab ihm mit einem verächtlichen Schnauben die Dokumente zurück. »Kein guter Zeitpunkt dafür. Was arbeitet Ihre Frau denn?«

      Das schien eine beiläufige Frage zu sein, aber Harry konnte ein leichtes Funkeln in den Augen des Deputys sehen. Nicht schlecht. »Sie ist eine private Krankenschwester. Ihrem Patienten – der wohl mal ein hohes Tier bei Apple war – hatte man empfohlen, aus der Stadt rauszuziehen, wegen des Smogs, der Luftverschmutzung und all so was. Also kam sie hierher.«

      Ein Kopfnicken. »Und was führt Sie zu so später Stunde noch raus auf die Straße, Mr. Stephenson?«

      »Ich hab Sie seit achtundzwanzig Tagen nicht mehr gesehen, Kumpel.« Harry hob entschuldigend die Hände. »Kein Grund, mitten in der Nacht irgendwo anzuhalten, wenn sie gleich hinter den Bergen dort auf mich wartet. Ich war einsam.«

      »Und frustriert«, ergänzte der Deputy mit einem schiefen Grinsen.

      Harry lachte. »Ja, das auch.«

      Das Grinsen verschwand so schnell, wie es gekommen war. »Ich muss Sie bitten, aus Ihrem Wagen auszusteigen, Mr. Stephenson. Die Hände so, dass ich sie sehen kann.«

      Ihm blieb keine Zeit, sich zu fragen, was ihn verraten hatte. Harry griff nach unten, löste seinen Sitzgurt und öffnete die Tür des Excursion. Es handelt sich um eine Zwei-Personen-Straßensperre, und der zweite Deputy kam bereits auf sie zugeeilt, eine AR-15 fest mit seinen in Handschuhen steckenden Händen umklammert.

      Die Art, wie er das Sturmgewehr hielt, verriet Harry alles, was er wissen musste. Der Deputy hatte keine Ahnung, wie man damit umging. Das konnte ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein.

      »Behalt ihn im Auge, Wilkes.«

      Sein Blick wanderte nach Süden, wo er die Umgegend mit einem einzigen Blick erfasste, bevor ihn der erste Deputy herumdrehte, gegen die Motorhaube lehnte und abzutasten begann.

      Er hatte Lichter im Süden gesehen, die Lichter eines Hauses, die durch den Schnee gedrungen waren. Wahrscheinlich keine hundert Meter hinter der Straße. Nahe genug, um zu hören, wenn Schüsse abgefeuert wurden.

      Harry spürte, wie Hand des Deputys an seinem Körper hinuntertastete, unter seine Jacke, und er lächelte, dankbar dafür, dass er die 1911 Carol überlassen hatte. Jetzt musste sie sich nur noch genau an das halten, was er ihr gesagt hatte – außer Sicht bleiben.

      »Er ist sauber«, hörte er den Deputy rufen, der daraufhin einen Schritt von ihm zurücktrat. »Wenn Sie uns Ihre Schlüssel geben würden, Mr. Stephenson, würde ich gern einen Blick in Ihren Kofferraum werfen.«

      Selbst nach so vielen Jahren, so vielen Einsätzen konnte Harry noch spüren, wie sich sein Körper bei dieser Frage verkrampfte. Der Punkt, an dem seine Lügengeschichte zusammenbrechen würde. Die Waffen – nun, die waren sicher in dem eigens dafür eingebauten Fach unter dem falschen Boden des Excursion versteckt. Aber die Notrationen, die restliche Ausrüstung … das würde zu viele Fragen aufwerfen. Also jetzt oder nie.

      »Die Schlüssel stecken im Zündschloss«, erklärte er mit einer vagen Handbewegung und nutzte die Gelegenheit für einen letzten Blick auf die Positionen der beiden Männer. Der Mann mit dem Namen Sanchez befand sich etwas über einen Meter zu seiner Linken, nahe der geöffneten Tür des SUV. Er würde derjenige sein, der die Schlüssel holen würde.

      Der zweite Deputy stand auf Armlänge hinter ihm, fahrlässig nahe, die AR-15 lose in den Händen. Wenn er sich an sein Training hielt, war die Waffe sogar noch gesichert.

      Männer wie er würden nie etwas anderes als Trainingssituationen kennenlernen.

      Sanchez ließ die Pumpgun sinken und beugte seinen Oberkörper in den Excursion hinein. Seine Finger tasteten das Zündschloss nach den Schlüsseln ab. Das war der Moment, in dem Harry zuschlug, sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen die offene Tür warf.

      Die Fahrertür des Excursion war gepanzert, um Einschlägen von 7.62mm Gewehrmunition standzuhalten. Das hatte das Gewicht der Tür verstärkt, die nun gegen Sanchez‘ Unterschenkel schlug und ihn einklemmte. Ein Schrei, halb vor Schmerz, halb vor Überraschung, zerriss die Nacht.

      Harry wirbelte durch den Schnee, seine