Rainer Maria Rilke

Gedichte


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Blick, den ich mit meiner Wange

      warm, wie mit einem Pfühl, empfange,

      wird kommen, wird mich suchen, lange –

      und legt beim Sonnenuntergange

      sich fremden Steinen in den Schooß.

      Was wirst du tun, Gott? Ich bin bange.

      Du bist der raunende Verrußte,

      auf allen Öfen schläfst du breit.

      Das Wissen ist nur in der Zeit.

      Du bist der dunkle Unbewußte

      von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      Du bist der Bittende und Bange,

      der aller Dinge Sinn beschwert.

      Du bist die Silbe im Gesange,

      die immer zitternder im Zwange

      der starken Stimmen wiederkehrt.

      Du hast dich anders nie gelehrt:

      Denn du bist nicht der Schönumscharte,

      um welchen sich der Reichtum reiht.

      Du bist der Schlichte, welcher sparte.

      Du bist der Bauer mit dem Barte

      von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      An den jungen Bruder

      Du, gestern Knabe, dem die Wirrnis kam:

      Daß sich dein Blut in Blindheit nicht vergeude.

      Du meinst nicht den Genuß, du meinst die Freude;

      du bist gebildet als ein Bräutigam,

      und deine Braut soll werden: deine Scham.

      Die große Lust hat auch nach dir Verlangen,

      und alle Arme sind auf einmal nackt.

      Auf frommen Bildern sind die bleichen Wangen

      von fremden Feuern überflackt;

      und deine Sinne sind wie viele Schlangen,

      die, von des Tones Rot umfangen,

      sich spannen in der Tamburine Takt.

      Und plötzlich bist du ganz allein gelassen

      mit deinen Händen, die dich hassen –

      und wenn dein Wille nicht ein Wunder tut:

      – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      Aber da gehen wie durch dunkle Gassen

      von Gott Gerüchte durch dein dunkles Blut.

      An den jungen Bruder

      Dann bete du, wie es dich dieser lehrt,

      der selber aus der Wirrnis wiederkehrt

      und so, daß er zu heiligen Gestalten,

      die alle ihres Wesens Würde halten,

      in einer Kirche und auf goldnen Smalten

      die Schönheit malte, und sie hielt ein Schwert.

      Er lehrt dich sagen:

      Du mein tiefer Sinn,

      vertraue mir, daß ich dich nicht enttäusche;

      in meinem Blute sind so viel Geräusche,

      ich aber weiß, daß ich aus Sehnsucht bin.

      Ein großer Ernst bricht über mich herein.

      In seinem Schatten ist das Leben kühl.

      Ich bin zum erstenmal mit dir allein,

      du, mein Gefühl.

      Du bist so mädchenhaft.

      Es war ein Weib in meiner Nachbarschaft

      und winkte mir aus welkenden Gewändern.

      Du aber sprichst mir von so fernen Ländern.

      Und meine Kraft

      schaut nach den Hügelrändern.

      Ich habe Hymnen, die ich schweige.

      Es giebt ein Aufgerichtetsein,

      darin ich meine Sinne neige:

      du siehst mich groß und ich bin klein.

      Du kannst mich dunkel unterscheiden

      von jenen Dingen, welche knien;

      sie sind wie Herden und sie weiden,

      ich bin der Hirt am Hang der Heiden,

      vor welchem sie zu Abend ziehn.

      Dann komm ich hinter ihnen her

      und höre dumpf die dunklen Brücken,

      und in dem Rauch von ihren Rücken

      verbirgt sich meine Wiederkehr.

      Gott, wie begreif ich deine Stunde,

      als du, daß sie im Raum sich runde,

      die Stimme vor dich hingestellt;

      dir war das Nichts wie eine Wunde,

      da kühltest du sie mit der Welt.

      Jetzt heilt es leise unter uns.

      Denn die Vergangenheiten tranken

      die vielen Fieber aus dem Kranken,

      wir fühlen schon in sanftem Schwanken

      den ruhigen Puls des Hintergrunds.

      Wir liegen lindernd auf dem Nichts

      und wir verhüllen alle Risse;

      du aber wächst ins Ungewisse

      im Schatten deines Angesichts.

      Alle, die ihre Hände regen

      nicht in der Zeit, der armen Stadt,

      alle, die sie an Leises legen,

      an eine Stelle, fern den Wegen,

      die kaum noch einen Namen hat, –

      sprechen dich aus, du Alltagssegen.

      und sagen sanft auf einem Blatt:

      Es giebt im Grunde nur Gebete,

      so sind die Hände uns geweiht,

      daß sie nichts schufen, was nicht flehte;

      ob einer malte oder mähte,

      schon aus dem Ringen der Geräte

      entfaltete sich Frömmigkeit.

      Die Zeit ist eine vielgestalte.

      Wir hören manchmal von der Zeit,

      und tun das Ewige und Alte;

      wir wissen, daß uns Gott umwallte

      groß wie ein Bart und wie ein Kleid.

      Wir sind wie Adern im Basalte

      in Gottes harter Herrlichkeit.

      Der Name ist uns wie ein Licht

      hart an die Stirn gestellt.

      Da senkte sich mein Angesicht