Karl Immermann

Alexis


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dursten mußt' und dursten, weil dir die

      Gedanken nur wandern gingen in des Zaren Haus?

      Weißt du, wie mir zumut, wenn ich mir sagte:

      Sie liebt dich nicht, sie feilscht mit ihren Küssen

      Sich den Genossen!

      EUDOXIA.

      Glebof!

      GLEBOF.

      Fluch dem Band,

      Das uns verknüpft! – Bei meinem Stamm! Wenn du

      Noch säßest auf dem Thron im Kreml, und wenn

      Glebof dem Throne nahte, Liebe flehnd,

      Du stießest mit dem Fuße mich hinweg,

      Und sprächst: »Was willst du, Wurm, von deiner Zarin?«

      EUDOXIA.

      Stephan!

      GLEBOF.

      Es mag drum sein! – Das fehlte noch.

      Ich hielt mein Herz, und halt's mit eh'rner Faust,

      Und will es schrein, so drück' ich's, daß es stumm

      In seinen Qualen zuckt. Wir stehn zu hoch

      Für Schäferleid und zarten Torenzwist.

      Ich bin gefaßt, und will Vernunft von dir.

      EUDOXIA.

      Sprich, teurer Glebof, was ich soll?

      GLEBOF.

      Heut abend

      Versamml' ich alle Häupter bei Alexis.

      Du trittst dann schwarz, in deiner Klostertracht,

      Das Kreuz in deiner Linken, und die Krone

      In Deiner Rechten haltend, vor den Sohn;

      Beugst ihm das Knie, und rufst, wie in Begeistrung:

      »Heil unsrem Zar Alexis Petrowitsch!

      Huldigt, Bojaren, Eurem wahren Herrn!«

      Ich sorge für das übrige.

      EUDOXIA.

      Bin ich

      Denn nicht vorhanden?

      GLEBOF.

      Das ist Eure Weisheit

      Von heute früh.

      EUDOXIA.

      Warum dem Sohn die Herrschaft?

      GLEBOF.

      Ich will's! – Und hier die Gründe. Weil nur er

      Die Stimmen all' besitzt, sobald die Deine

      Mit in des Jünglings Waage fällt. Weil uns

      Furchtbare Not einmüt'ges rasches Handeln

      Gebietet ... Weil der Sinne Spaltung uns,

      Die mind'ste Zögrung in den Abgrund stürzt,

      Weil ...

      EUDOXIA.

      Weil? – Du stockst?

      GLEBOF.

      Eudoxia, ich muß

      Ein großes Wort Dir sagen ...

      EUDOXIA.

      Sprich.

      GLEBOF.

      Ich wag'

      Das Heil der Sache.

      EUDOXIA.

      Weil ...

      GLEBOF.

      – Der Zar noch lebt!

      EUDOXIA.

      Er lebt?

      GLEBOF.

      Er lebt. Sei stark. Beweise Dich

      Als sein gewes'nes Weib, und fürchte nicht,

      Den alle fürchten. Hör' mich aus. Die Memmen,

      Sie hätten nichts gewagt an dem Lebend'gen,

      So band er alle Geister zauberisch.

      Drum hab' ich ihn getötet mit dem Munde.

      Nun atmen sie, nun wagen sie, den Arm

      Zu regen. Und bevor sein mächt'ger Fuß

      Auf Rußlands Boden tritt, ist umgewandelt

      Die Form des Reichs, sind Volk und Truppen schon

      In Eid und Pflicht genommen, und Verzweiflung

      Wird die Bojaren in dem Kampfe stärken,

      Der uns bevorsteht. Es gilt Haupt und Leben

      Für jeden dann. Unrettbar bloßgestellt

      Hat jeder sich.

      EUDOXIA.

      Er lebt!

      GLEBOF.

      Seit Jahren sann

      Ich auf den Augenblick, wo was zu wagen.

      Und wie der Sternekundige nicht müd wird,

      Den Lauf der Lichter

      Am Firmament zu schaun; Planetenbahnen

      Auszustudieren und Kometenirrläuf',

      So schaut' ich unverwandt in unsre Nacht,

      Auf Rußlands ernsthaft-wandelnde Planeten,

      Wildschweifende Kometen, kleine Monde;

      In den Gesetzen ihrer Bahnen still

      Sie zu erforschen. – Nun, ich weiß genug.

      Vom Höchsten bis zum Niedrigsten durchdrang

      Gährung die Herzen.

      Was Russ' ist, steht zu uns. Und drüben sind

      Glücksritter nur und eingedrungne Fremde.

      Fern schwimmt der Zar auf seinem Meer. Die Truppen

      Sind aus dem Land nach Mecklenburg.

      Der Schwede Karl droht an der Grenze. Will

      Das Schicksal uns beschützen, hat es jetzt,

      Jetzt oder nimmer die Gelegenheit.

      EUDOXIA.

      Er lebt!

      GLEBOF.

      Ich hab's gesagt. Werd' ich's bereun?

      EUDOXIA.

      Was sprichst du da? Kennst du Eudoxien nicht?

      Er lebt! Nun jauchze Herz! Weht, Wünsche, weht,

      Wie rote Siegesfahnen über Trümmern!

      Ich wähnt' ihn tot, da mußt' ich wohl verzweifeln;

      Nur seinem Schatten sandt' ich eiteln Haß

      Unmächtig nach ins nie erreichte Haus

      Der ew'gen Finsternis! Er lebt! Ich kann

      Ihn in Gedanken morden, martern! Was

      Lebendig, steht in dem Bereich der Rache.

      Jetzt schöpf ich Luft, jetzt hoff' ich schöne Tage,

      Ich lieb' mein Leben, Zar, weil du noch lebst!

      Zu Glebof.

      Zum letztenmal vermummt,