statt, wie üblich, ihrem Großonkel Bosheiten zu sagen, brachte sie ihm mit unveränderlicher Liebenswürdigkeit, die die Spaßvögel zum Lachen reizte, seinen Krückstock; sie bot ihm den Arm, fuhr in seinem Wagen aus und begleitete ihn auf allen Spaziergängen; sie redete ihm sogar ein, daß sie den Geruch seiner Pfeife gern habe, und las ihm seine geliebte »Quotidienne« vor, während der boshafte Seemann ihr absichtlich seinen Tabaksrauch ins Gesicht blies; sie lernte Pikett spielen, um dem alten Grafen darin gewachsen zu sein; und endlich hörte die junge, sonst so launische Person geduldig den immer wiederkehrenden Erzählungen von dem Kampfe der »Belle-Poule«, den Manövern der »Ville-de-Paris«, der ersten Expedition des Herrn von Suffren oder der Schlacht von Aboukir zu. Obwohl der alte Seemann oft erklärt hatte, daß er seine Länge und Breite zu gut kenne, um sich von einer jungen Korvette kapern zu lassen, erfuhren eines schönen Morgens die Pariser Salons die Nachricht von der Heirat des Fräuleins von Fontaine mit dem Grafen von Kergarouet. Die junge Gräfin gab, um sich zu zerstreuen, glänzende Feste; aber sie fand auf dem Grunde dieses Trubels das leere Nichts: der Luxus verhüllte nur mangelhaft die Einsamkeit und das Unglück ihrer kranken Seele; trotz der Ausbrüche einer gemachten Lustigkeit zeigte ihr schönes Gesicht meistenteils den Ausdruck dumpfer Melancholie. Im übrigen überhäufte Emilie ihren alten Gemahl mit Aufmerksamkeiten, der oft, wenn er abends bei den fröhlichen Klängen des Orchesters seine Privatgemächer aufsuchte, sagte: »Ich erkenne mich nicht wieder. Mußte ich dazu zweiundsiebzig Jahre warten, um mich als Lotse auf der ›Schönen Emilie‹, nach zwanzig Jahren ehelicher Galeerenstrafe, einzuschiffen?« Das Benehmen der Gräfin war ein so streng zurückhaltendes, daß auch die hellsichtigste Kritik ihr nichts anhaben konnte. Manche Beobachter meinten, daß der Vizeadmiral sich das Recht vorbehalten hätte, frei über sein Vermögen zu verfügen, um seine Frau stärker an sich zu fesseln; eine solche Annahme wäre für den Onkel wie für die Nichte eine Beleidigung gewesen. Die Haltung der beiden Ehegatten war übrigens eine so klug abgewogene, daß auch die jungen Leute, denen am meisten daran gelegen war, das Geheimnis dieser Ehe zu erfahren, nicht ahnten, ob der alte Graf seiner Frau gegenüber Gatte oder Vater war. Man hörte ihn oft sagen, daß er seine Nichte wie eine Schiffbrüchige aufgenommen habe, und daß er auch früher niemals mit der Gastfreundschaft Mißbrauch getrieben habe, wenn es sich ereignet hatte, daß er einen Feind vor der Wut des Unwetters rettete. Obgleich die Gräfin den Anspruch erhob, über Paris zu herrschen und sich auf gleiche Stufe mit den Herzoginnen von Maufrigneuse, von Chaulieu, den Marquisen d’Espard und d’Aiglemont, den Gräfinnen Féraud, von Montcornet, von Restaud, der Frau de Camps und dem Fräulein des Touches zu stellen, so gab sie doch der Liebe des jungen Vicomte von Portenduère nicht nach, der sie anbetete.
Zwei Jahre nach ihrer Verheiratung hörte Emilie in einem der alten Salons des Faubourg Saint-Germain, wo man ihren der alten Zeiten würdigen Charakter bewunderte, wie der Vicomte von Longueville gemeldet wurde; in der Ecke des Salons, wo sie eine Partie Pikett mit dem Bischof von Persepolis spielte, konnte ihre Aufregung von niemandem bemerkt werden: als sie den Kopf umwandte, hatte sie ihren alten Bewerber in vollem Glanze der Jugend hereintreten sehen. Der Tod seines Vaters und seines Bruders, den das böse Klima von Petersburg hingerafft hatte, hatte auf das Haupt Maximilians die erblichen Federn des Pairhutes übertragen; sein Vermögen kam seinen Beziehungen und seinem Verdienste gleich; noch am Abend vorher hatte seine junge, glühende Beredsamkeit in der ersten Kammer Aufsehen erregt. So erschien er der betrübten Gräfin in diesem Augenblick als freier Mann und mit allen Vorzügen ausgestattet, die sie früher von ihrem Ideal gefordert hatte. Alle Mütter heiratsfähiger Töchter bewiesen einem jungen Manne, der die Vorzüge, die man bei ihm voraussetzte, wirklich besaß, und dessen Anmut man bewunderte, das liebenswürdigste Entgegenkommen; aber besser als jede andere wußte Emilie, daß der Vicomte von Longueville jene Charakterstärke besaß, in der kluge Frauen die Gewähr des Glückes sehen. Sie warf einen Blick auf den Admiral, der, nach seinem familiären Ausdruck, sich noch lange an Bord halten würde, und verwünschte ihre jugendlichen Verirrungen.
In diesem Moment sagte der Herr von Persepolis mit bischöflicher Liebenswürdigkeit: »Meine schöne Dame, Sie haben den Coeurkönig abgeworfen, ich habe gewonnen. Aber Ihr Verlust braucht Ihnen nicht leid zu tun, ich hebe das Geld für meine kleinen Seminaristen auf.«
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