schreibt, sozusagen ein Minister auf dem Wege zum Schriftsteller.«
Finot zog Gaudissart am Rockschoße.
»Schön, Kinder«, sagte der Richter, der sich nach diesen Worten den Anblick des Tisches, auf dem die Reste eines unter solchen Umständen begreiflichen Festessens standen, erklären konnte. – »Jetzt, mein Lieber,« sagte er zu Popinot, »mußt du dich aber umkleiden, wir wollen heute abend noch zu Herrn Birotteau gehen, dem ich einen Besuch schuldig bin. Du sollst dort auch euren Sozietätsvertrag, den ich sorgfältig geprüft habe, unterzeichnen. Da ihr die Herstellung eures Öls in der Fabrik am Faubourg du Temple betreibt, so meine ich, daß er mit dir auch einen Mietvertrag abschließen muß; es kann mal ein anderer an seine Stelle treten, und wenn man seine Sachen in gehöriger Ordnung hat, vermeidet man Streitigkeiten. Die Mauer hier scheint feucht zu sein, Anselm; du solltest hinter deinem Bett Strohmatten anbringen.«
»Gestatten Sie mir, zu bemerken, Herr Untersuchungsrichter,« sagte Gaudissart mit dem Wortschwall eines vollendeten Hofmanns, »daß wir selbst die Tapete erst heute angeklebt haben, und sie … ist noch nicht … trocken.«
»Sehr schön, das nenne ich sparsam sein!« sagte der Richter.
»Hör mal,« sagte Gaudissart leise zu Finot, »mein Freund Popinot ist ein tugendhafter junger Mann, er geht zu seinem Onkel, wollen wir nicht den Abend bei unseren Kusinen verbringen …?«
Der Journalist zeigte auf das leere Futter seiner Westentasche. Popinot, der das bemerkte, steckte dem Autor seines Prospekts ein Zwanzigfrankenstück hinein. Der Richter hatte am Ende der Straße den Wagen warten lassen und nahm seinen Neffen mit zu Birotteau. Hier spielten Pillerault, Herr und Frau Ragon und Roguin ihren Boston, während Cäsarine an einem Fichu stickte, als der Richter Popinot und Anselm erschienen. Roguin, der seinen Platz gegenüber von Frau Ragon hatte, neben der Cäsarine saß, bemerkte, welche Freude das junge Mädchen bezeigte, als sie Anselm hereintreten sah, und wies seinen ersten Schreiber mit einem Wink auf sie hin, die rot wie ein Granatapfel geworden war.
»Heute soll also durchaus ein Tag der Verträge sein«, sagte nach den Begrüßungen der Parfümhändler, dem der Richter den Grund seines Besuchs mitgeteilt hatte.
Cäsar, Anselm und der Richter gingen nun in den zweiten Stock hinauf, wo der Parfümhändler sich provisorisch ein Zimmer eingerichtet hatte, um den Miet- und den Sozietätsvertrag zu besprechen. Der Mietvertrag wurde auf achtzehn Jahre abgeschlossen, damit er gleich lange mit dem in der Rue des Cinq-Diamants lief, ein scheinbar unbedeutender Umstand, der aber später von Wichtigkeit für Birotteaus Interessen werden sollte. Als Cäsar und der Richter in das Zwischengeschoß zurückgekehrt waren, erkundigte sich der Beamte, der über das allgemeine Durcheinander und die am Sonntag arbeitenden Handwerker bei einem so frommen Manne, wie dem Parfümhändler, erstaunt war, nach dem Grunde hierfür, eine Frage, auf die Birotteau schon wartete.
»Obwohl Sie kein Gesellschaftsmensch sind, verehrter Herr, werden Sie es doch nicht übel angebracht finden, wenn wir die Befreiung des Vaterlandes feiern. Aber das ist noch nicht alles. Wenn ich einige Freunde zu mir bitte, so geschieht das, um meine Aufnahme in den Orden der Ehrenlegion festlich zu begehen.«
»Ah«, sagte der Richter, der den Orden nicht erhalten hatte.
»Vielleicht habe ich mich dieser Auszeichnung und allerhöchsten Gnade würdig erwiesen als Mitglied des Gerichtshofs … oh; des Handelsgerichts, und als Kämpfer für die Sache der Bourbonen, auf den Stufen …«
»Jawohl«, sagte der Richter.
»Vor Saint-Roch, am 13. Vendémiaire, wo ich von Napoleon verwundet wurde.«
»Ich werde gern erscheinen,« sagte der Richter, »und mit meiner Frau, falls sie nicht leidend sein sollte.«
»Xandrot,« sagte Roguin auf der Türschwelle zu seinem Schreiber, »schlage es dir aus dem Kopf, Cäsarine heiraten zu wollen; in sechs Wochen wirst du sehen, daß ich dir damit einen guten Rat gegeben habe.«
»Warum?« fragte Crottat.
»Birotteau, mein Lieber, wird für seinen Ball hunderttausend Franken ausgeben, sein Vermögen legt er, trotz meines Abratens, in diesem Terraingeschäft fest. In sechs Wochen werden die Leute nichts mehr zu essen haben. Heirate Fräulein Lourdois, die Tochter des Stubenmalers, sie bekommt dreihunderttausend Franken mit, ich habe dir das für alle Fälle in Reserve gehalten! Wenn du mir nur hunderttausend Franken für mein Notariat bezahlen willst, kannst du es morgen haben.«
Die Prachtentfaltung des Balles, den der Parfümhändler geben wollte und von der in den europäischen Zeitungen die Rede war, wurde, aus Anlaß des Lärms, den die Tag und Nacht fortgesetzten Umbauten verursachten, in der Handelswelt sehr anders besprochen. Hier erzählte man sich an einer Stelle, Cäsar habe drei Häuser gemietet, an einer anderen, er ließe seine Salons vergolden, an einer entfernteren, bei dem Essen würden Gerichte aufgetischt werden, die eigens für diesen Zweck erfunden seien; wieder wo anders wurde der Ehrgeiz des Parfümhändlers bitter getadelt, man spottete über seine politischen Prätentionen, man leugnete sogar, daß er verwundet worden war! Der Ball hatte mehr als eine Intrige im zweiten Bezirk zur Folge; die Freunde hielten sich still, aber die Wünsche bloßer Bekanntschaften wuchsen ins Ungemessene. Jedes Glück schafft eine Schar Schmeichler. Es gab eine Menge Menschen, die sich eine Einladung mehr als einen Gang kosten ließen. Die Birotteaus erschraken über die Menge von »Freunden«, die sie gar nicht kannten. Besonders setzte dieser Andrang Frau Birotteau in Schrecken, ihre Stimmung wurde beim Herannahen des Festes von Tag zu Tag trüber. Sie gestand Cäsar, daß sie nicht wisse, wie sie sich benehmen solle, sie war entsetzt über die Unzahl von Details, die für ein solches Fest vorzubereiten waren; wo sollte man das Silberzeug, das Glaszeug, die Erfrischungen, das Tafelgeschirr, die Bedienung hernehmen? Und wer sollte das alles überwachen? Sie bat Birotteau, er solle sich an die Eingangstür stellen und nur die wirklich Eingeladenen hereinlassen, denn sie hatte merkwürdige Dinge über Leute gehört, die zu solchen Bällen der Bourgeoisie gekommen waren und sich auf Freunde beriefen, die sie dann nicht nennen konnten.
Als zehn Tage vorher Braschon, Grindot, Lourdois und Chaffaroux, der Bauunternehmer, erklärt hatten, daß die Wohnung an dem vielgenannten Sonntage, dem 17. Dezember, fertig sein würde, fand abends, nach dem Essen, in dem bescheidenen kleinen Salon des Zwischengeschosses, eine komische Konferenz zwischen Cäsar, seiner