Sieh ich vertrau' dir's an, bewahre mir's
(Mit erhöhter Stimme.)
Und gibst du's nicht zurücke, unbeschädigt
Nicht mir dem Unbeschädigten zurück
So treffe dich der Götter Donnerfluch
Der über dem rollt, der die Treue bricht.
Nun ist mir leicht! Nun Rache, Rache, Rache!
Er hat mein Gut. Verwahre mir's getreu!
Aietes.
Nimm es zurück!
Phryxus.
Nein! Nicht um deine Krone!
Du hast mein Gut, dir hab' ich's anvertraut
Bewahre treu das anvertraute Gut!
Aietes (ihm das Vließ aufdrängend).
Nimm es zurück!
Phryxus (ihm ausweichend).
Du hast mein Gut, verwahr' es treu!
Sonst Rache, Rache, Rache!
Aietes (ihn über die Bühne verfolgend und ihm das Banner aufdringend).
Nimm es, sag' ich!
Phryxus (ausweichend).
Ich nehm' es nicht. Verwahre mir's getreu!
(Zur Bildsäule des Gottes empor.)
Siehst du? er hat's, ihm hab' ich's anvertraut
Und gibt er's nicht zurück, treff' ihn dein Zorn!
Aietes.
Nimm es zurück!
Phryxus (am Altar).
Nein, nein!
Aietes.
Nimm's!
Phryxus.
Du verwahrst's!
Aietes.
Nimms!
Phryxus.
Nein!
Aietes.
Nun so nimm dies!
(Er stößt ihm das Schwert in die Brust.)
Medea.
Halt Vater halt!
Phryxus (niedersinkend).
Es ist zu spät!
Medea.
Was tatst du?
Phryxus (zur Bildsäule empor).
Siehst du's, siehst du's!
Den Gastfreund tötet er und hat sein Gut!
Der du des Gastfreunds heilig Haupt beschützest
O räche mich! Fluch dem treulosen Mann!
Ihm muß kein Freund sein und kein Kind, kein Bruder
Kein frohes Mahl—kein Labetrunk—
Was er am liebsten liebt—verderb' ihn!—
Und dieses Vließ, das jetzt in seiner Hand
Soll niederschaun auf seiner Kinder Tod!—
Er hat den Mann erschlagen, der sein Gast—
Und vorenthält—das anvertraute Gut—
Rache!—Rache!—
(Stirbt. Lange Pause.)
Medea.
Vater!
Aietes (zusammenschreckend).
Was?
Medea.
Was hast du getan!
Aietes (dem Toten das Vließ aufdringen wollend).
Nimm es zurück!
Medea.
Er nimmt's nicht mehr. Er ist tot!
Aietes.
Tot!—
Medea.
Vater! Was hast du getan! Den Gastfreund erschlagen
Weh dir! Weh uns allen!—Hah!—
Aufsteigt's aus den Nebeln der Unterwelt
Drei Häupter, blut'ge Häupter
Schlangen die Haare,
Flammen die Blicke
Die hohnlachenden Blicke!
Höher! höher!—Empor steigen sie!
Entfleischte Arme, Fackeln in Händen
Fackeln!—Dolche!
Horch! Sie öffnen die welken Lippen
Sie murren, sie singen
Heischern Gesangs:
Wir hüten den Eid
Wir vollstrecken den Fluch!
Fluch dem, der den Gastfreund schlug!
Fluch ihm, tausendfachen Fluch!
Sie kommen, sie nahen
Sie umschlingen mich,
Mich, dich, uns alle!
Weh über dich!
Aietes.
Medea!
Medea.
Über dich, über uns!
Weh, weh!
(Sie entflieht.)
Aietes (ihr die Arme nachstreckend).
Medea! Medea! (Ende.)
Die Argonauten
Franz Grillparzer
Trauerspiel in vier Aufzügen
Personen:
Aietes, König von Kolchis
Medea und Absyrtus, seine Kinder
Gora, Medeens Amme
Peritta, eine ihrer Gespielen
Jason
Milo, sein Freund
Medeens Jungfrauen
Argonauten
Kolcher
Erster Aufzug
(Kolchis.—Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen. Im Hintergrunde ein
halbverfallener Turm, aus dessen obersten Stockwerke ein schwaches
Licht flimmert. Weiter zurück die Aussicht aufs Meer. Finstere
Nacht.)
Absyrtus (hinter der Szene).
Dorther schimmert das Licht!—Komm hierher Vater!—
Ich bahne dir den Weg!—Noch diesen Stein!—
So!—
(Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch hauend.)
Aus dem Wege unnützes Pack!
Vater, mein Schwert macht klare Bahn!
Aietes (tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln
Mantel gehüllt.)
Absyrtus.
Wir sind an Ort und Stelle, Vater.
Dort der Turm, wo die Schwester haust.
Siehst das Licht aus ihrer Zelle?
Da weilt sie und