G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


Скачать книгу

»Und was bist du?« fragte er langsam. »Du bist also Mikel Claydon, ein Mann, der seinen Vater bestohlen und seiner Schwester das ersparte Geld aus der Tasche gezogen hat? Weiß sie, was aus dir geworden ist, du Großmaul?«

      Mikel Claydon wurde weiß wie eine frischgekalkte Wand. Dann lief er knallrot an.

      »Was bin ich?« keuchte er. »Sag das noch mal, du Pferdedieb!«

      »Ein Großmaul, das nichts taugt«, antwortete Flint kühl. »Wer seinen Vater bestiehlt, der ist noch weniger wert als ein Pferdedieb, denn kein Pferdedieb würde jemals seine eigenen Leute bestehlen. Du taugst nicht für einen Ce…«

      Weiter kam er nicht. Mikel stieß einen hellen, grellen Wutschrei aus, riß die Hand hoch und schlug zu, obgleich der Mann Keith losbrüllte.

      »Das hast du…!«

      Aber auch er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden.

      Flint riß blitzartig die gebundenen Beine an, warf sich nach hinten und wußte, daß Greer ihn halten würde. Dennoch reichte der jähe Schwung aus, um Greer nach hinten zu drükken. Der Stuhl stand plötzlich auf zwei Beinen. Flints Füße hatten neben den Vorderstollen des Stuhles gestanden, und Mikel Claydon war dicht vor ihnen gewesen.

      Als Joe Flint die Stiefel wegstieß, trafen sie Mikel Claydon unter den Rippen. Claydon flog mit einem gurgelnden, erstickten Laut nach hinten. Er sauste unter der in der Mitte des Raumes an der Decke hängenden Petroleumlampe durch. Dann knallte er an die Wand und rutschte an ihr herunter, um liegenzubleiben. Einige stoßartige Bewegungen seiner Beine kamen noch, dann streckte er sich und lag so still wie ein Toter.

      Slim Greer fluchte lauthals. Er hatte Mühe, den Stuhl festzuhalten und nicht selber umzukippen. So hielt er keuchend Flint fest und brüllte: »Schnell, Jake, schnell!«

      Flint hörte, wie einer der anderen Männer heransprang. Dann packten sie ihn an den Schultern und schoben den Stuhl wieder gerade.

      »Was hatte ich dir gesagt, Slim, du Narr!« fauchte Keith Slim Greer an. »Er ist gefährlich wie eine Klapperschlange. Seht euch gefälligst vor!«

      Der Mann kam mit schnellen Schritten von hinten und trat an Flint vorbei. Er war groß, glattrasiert, hatte ein leicht aufgeschwemmtes Gesicht und wirkte massig und schwer.

      »Ich möchte wetten, ich habe dich irgendwann in Texas gesehen«, knurrte er Flint an. »Warst du mal vor Jahren in El Paso?«

      »Vor fünf«, antwortete Flint kalt. »Du bist also der Boß von diesem Verein. Ihr habt mich – und was jetzt?«

      Keith lächelte ölig. Er war ein Mann, hinter dessen Lächeln man alles oder auch nichts lesen konnte.

      »Das weißt du doch«, knarrte er. »Flint, wo ist das Silber?«

      Irgendwer kam von hinten. Der Mann warf Flint ein Ende Strick um die Beine und riß sie an die Stollen des Stuhles. Flint konnte nicht mehr austreten.

      »Frag den Mond, Mann«, gab Flint zurück. »Er hat gesehen, wo ich es hinbrachte.«

      In der nächsten Sekunde flog ihm die Hand ins Gesicht, und sein Kopf zuckte nach links hinüber.

      »So kann es weitergehen, Flint«, knurrte Keith düster. »Wir können dir auch Holzspäne unter die Nägel treiben oder dich systematisch zerschlagen, aber ich will es nicht unbedingt. Du wirst uns sagen, wo das Silber ist, du wirst uns auch hinführen. Wir geben dir den doppelten Anteil, den jeder von uns erhält. Flint – du kannst es dir aussuchen. Reden oder…«

      »So ist das«, ächzte Flint. »Ihr wißt alles über mich, was? Ich brauche nicht mehr zu meinem Halbbruder, um mir Lastpferde zu besorgen. Ihr beschafft sie für mich. Und dann kassiert ihr meine Beute. Verdammt, ich habe keine Chance mehr. Ich blöder Narr – und ich hole diese beiden Galgenvögel auch noch aus dem Jail! Den doppelten Anteil? Wieviel Anteile werden es sein, he? Vielleicht zwanzig?«

      »Wir sind acht«, sagte Keith kurz. »Mit mir neun. Du bekommst sechstausend, wenn du redest und uns hinbringst. Wenn nicht…«

      Er zog sein Messer und begann sich mit der Klingenspitze am Hals zu kratzen.

      »Sechstausend? Ihr müßt verrückt sein«, keuchte Flint. »Ich habe die Arbeit und das Risiko gehabt. Sechstausend? Dafür würde ich nicht mal den Mund aufmachen, geschweige denn reden und euch…«

      Die Faust Keiths schoß vor. Sie traf Flint unter den Rippen, und er sank stöhnend zusammen, aber Greer und der andere Bursche rissen ihn wieder in die Höhe.

      »Sechstausend – oder…«

      »Es – ist – genug«, lallte Flint. »Ich werde euch hinbringen. Dann nehmt es – und geht damit zur Hölle. Das verdammte Zeug ist es nicht wert, daß ich mich zum Krüppel schlagen lasse. Vielleicht mache ich aus den sechstausend eines Tages sechzigtausend. Acht Mann, das ist die verflucht kleinste Chance, die ich jemals hatte.«

      »Yeah, du bist klug genug, das einzusehen, was?« höhnte Keith. »Wir könnten dich auch umblasen, aber – niemand will das, solange du nicht versuchst, uns hereinzulegen. Flint, du bleibst gebunden, du kommst wieder in das Loch zurück. Wir werden dir die Stiefel ausziehen und dich bewachen. Türmst du, schaffst du vielleicht zwei oder drei von uns, aber niemals alle. Wo liegt das Zeug?«

      »In den Sulphur Springs Bergen in Nevada«, antwortete Flint langsam. »Aber zwei Dinge müßt ihr erstmal hinter euch bringen, ihr Burschen. Zuerst müßt ihr euch vorsehen, daß Marshal Harris mich nicht findet, denn dann hätte er auch euch. Und zum zweiten müßt ihr Lastpferde oder gute Maultiere haben. Maultiere wären wegen der Berge besser. Besorgt ihr sie euch in Nevada, dazu noch Packsättel, habt ihr sofort den nächsten Sheriff auf dem Hals. Halb Nevada sucht nach dem Silber – und jeder Mann, der dort Maultiere, Lastpferde oder Packsättel kauft, wird verdächtigt werden, von mir geschickt zu sein. Stellt es euch nicht so einfach vor. Warum wollte ich zu meinem Halbbruder und mir von ihm Maultiere besorgen, he? Weil es nicht aufgefallen wäre. Ihr aber…«

      Mikel Claydon regte sich, kam stöhnend auf die Beine, schnappte nach Luft und stürzte sich dann wutbrüllend auf Flint zu. Ehe er ihn jedoch erreichen konnte, fuhr der massige Keith so blitzschnell herum, daß Flint plötzlich wußte, wie sehr er sich in diesem behäbig wirkenden Mann getäuscht hatte.

      »Zurück, du Narr!« schrie Keith grimmig. Er schlug Claydon die Faust mit einem kurzen Hieb unter die Rippen, und Claydon sackte ächzend zusammen. »Fang hier nie wieder etwas an, ohne daß du einen Befehl von mir bekommen hast, du Kartenzinker. Halt ihn fest, Jeff. Und nun zu dir, Flint: Harris wird dich nicht finden. In den Augen des Sheriffs bin ich ein anständiger Mann – mir gehört eine Ranch. Ich habe es nicht nötig, Überfälle auf Stagecoaches oder Lohnoffices zu machen. Deine Spur und die von Slim und Stapleton ist tot. So – meinst du, wir sollten besser Maultiere nehmen? Nun gut, wir haben Maultiere genug, Mister, auch Packsättel. Stimmt es, Mikel, mein Freund?«

      Mikel Claydon kauerte am Boden. Jeff, ein hagerer, sehniger Mann, stand hinter ihm und hielt ihn an den Armen fest.

      »Das – das ist – Wahnsinn«, ächzte Claydon. Er war kreidebleich geworden. »Wenn du das tust, dann… dann…«

      »Was dann, du Kartenhai?« fauchte Keith grimmig. »Dein Vater hat Maultiere und Packsättel. Du kannst wählen, du Narr: Maultiere oder Schuldscheine über dreitausend Dollar. Ich kann sie deinem Vater unter die Nase halten, damit er weiß, was sein Sohn in seinem Namen unterschrieben hat. Dann wird er dich enterben, Mister, und ich sehe keinen Cent wieder. Du hast in meinem Saloon in Burns nicht nur gespielt, du hast auch falschgespielt. Ich kann nicht an mein Geld kommen, also hole ich mir, was mir zusteht. Oder soll ich deinem Alten erzählen, daß du dabei warst, als die Stagecoach nach Nampu überfallen wurde? Ich kann ihm auch von Andrews Lohnoffice und dem sechsten Mann erzählen. Na, was willst du haben?«

      »Du – du Teufel«, stotterte Claydon zitternd. »Und ich sag dir auch noch, wann mein Vater Pferde nach Burns liefert und niemand außer meiner Schwester und dem Stallhelp auf der Ranch ist. Hätte ich gewußt, daß dir der Saloon gehört! Du hast mir Geld geborgt, das ich