G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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»Kann sein, mein Freund. Ich will das Silber haben, sonst kommen wir nie zu etwas.«

      *

      Sie banden ihm jetzt die Arme los. Das machten sie jeden Abend, wenn sie ihn aus dem dunklen Loch führten. Seine Arme waren steif, da man sie ihm immer fest auf den Rücken band. Nur zweimal am Tag ließen sie ihn aus dem Loch.

      Flint hatte sechs Tage hinter sich gebracht, und bereits am ersten Tag war ihm Mikel Claydon aufgefallen. Der Junge saß die meiste Zeit vor dem Haus und zeichnete mit einem Stock Figuren in den Sand. Keinem der anderen schien das aufzufallen, und doch war Claydon schlauer als die vier Mann, die Keith zu Flints Bewachung zurückgelassen hatte.

      Zuerst hatte Flint nur gleichgültig über die Sandmalereien Mikel Claydons hinweggesehen. Dann aber hatte ihn Claydons Blinzeln aufmerksam werden lassen – und nun wartete Flint mit schmerzenden Muskeln darauf, daß sie ihn wieder hinausbrachten. Er konnte sich dann die Beine vertreten.

      Als die Schritte durch den Gang kamen, lag Flint still. Die Tür flog auf, Licht fiel in den dunklen Raum, und Flint schloß die Augen.

      »Na, nichts versucht, Flint?« fragte Greer kurz. »Dann komm, Mister, hoch mit dir!«

      Er zog Flint hoch. Stapleton trat hinter Flint, lockerte ihm die Beinfesseln, so daß er kleine Schritte machen konnte, und stieß ihn an. Es war das übliche Zeichen loszugehen, und Flint tat es mit leisem Stöhnen. Seine Augen gewöhnten sich jetzt an das Licht draußen. Er sah blinzelnd in den Hof.

      Mikel Claydon kauerte neben der Küchentür wie immer. Er hielt einen Stock zwischen den Händen und hatte wieder irgend etwas in den Sand gezeichnet. Drüben lehnte Delmont, ein rothaariger, untersetzter Mann, an der Hauswand. Der vierte Mann, Dan Sluyter, war nicht zu sehen.

      Als Flint die erste Zeichnung Claydons gesehen hatte, hatte Claydon ein Gitter gemalt, das kreuzweise durchgestrichen war. Claydon hatte Flint blitzschnell angesehen und das eine Auge zugekniffen. Am zweiten Tag hatte der Sand zwei Männer gezeigt, über denen sich ein Fragezeichen befand, und Flint hatte begriffen, was Claydon damit sagen wollte. Der dritte Ausgang Flints hatte an dem Wort Donnerstag vorbeigeführt, und Flint hatte gewußt, daß Claydon etwas für den Donnerstag geplant hatte.

      Der Tag war gekommen – und niemand schien sich Gedanken über Claydons Sandkritzeleien gemacht zu haben. Flint sah hinüber zu Mikel Claydon. Dessen Gesicht war mürrisch. Ein Eimer mit Kartoffelschalen stand neben Claydon. Sie hatten Claydon die Waffen abgenommen, das wußte Flint. Der Junge war zwar nicht gebunden, aber genauso Gefangener wie Flint. Keiths Furcht, daß Claydon verschwinden und seinen Vater benachrichtigen könnte, ehe sie ihm die Maultiere aus dem Corral holten, war sicher nicht ganz unbegründet gewesen.

      »Delmont«, murrte Claydon. »Was ist mit dem Essen? Die Kartoffeln sind fertig.«

      »Dann setz sie auf, du Idiot!« knurrte Delmont von drüben. Er kochte für die Männer, war aber zu faul und überließ die meiste Arbeit Claydon. »Mach schon, oder denkst du, wir wollen erst essen, wenn es dunkel ist? Los, beeil dich!«

      Flint warf einen Blick auf Claydons Zeichnung. Sie zeigte vier Punkte vor dem Grundriß des Hauses und des alten Salzschuppens, in den die Banditen Flint gesperrt hatten. Mit einem Blick erkannte Flint, was die Zeichnung zu bedeuten hatte. Er sah, daß Claydon die Küche gezeichnet hatte und aus ihr Wellenlinien wie Flammen schlugen.

      Während sich Claydon jetzt erhob, deutete sein Stock auf den Platz der Zeichnung, an dem sich die alte, halbverfallene Toilette befand. Dann wanderte er weiter zu der Küche und jenen Flammen, zuckte hinüber zu den zwei Punkten, die Männer darstellen sollten. Von den Männern aus malte Claydon ohne aufzusehen Pfeile in Richtung der Küche. Claydon hatte sogar Delmonts Standpunkt eingezeichnet, und er zog einen Strich durch bis zu den Wellenlinien, die Flammen darstellen sollten.

      Als Claydon damit fertig war, wußte Flint alles. Claydon sah nun zu ihm hin, dann verwischte er die Zeichnung und ging los. Er verschwand in der Küche, und Flint hörte ihn nach Delmont schreien.

      »Delmont – es ist nicht genug Holz da!«

      »Dann hack etwas, du verdammtes Faultier!« schrie Delmont zurück. »Stell dich nicht so an – du hast ein Beil und einen Hauklotz in der Küche, tu mal was, Mensch!«

      »Immer ich – immer ich«, protestierte Claydon lahm.

      Es klapperte in der Küche – Claydon schien einen der alten Balken entzweizuschlagen.

      Flint erreichte mit seinen Trippelschritten den halbverfallenen Lokus, der keine Türen mehr besaß.

      »Halt schon an, Mann«, knurrte Greer. »Los, Arme stillhalten!«

      Stapleton trat grinsend vor Flint und steckte ihm den Colt in den Bauch. Sie machten es wie immer. Greer lockerte die Handfesseln. Dann schob er die steifen Arme Flints nach vorn und band sie wieder zusammen.

      »Na, nun beweg mal deine Flügel, du häßlicher Vogel«, sagte Stapleton hämisch. »Danach machen wir unseren Rundgang. Sollst nicht klagen können, daß wir dich verkommen ließen.«

      Er lachte meckernd, als Greer ein paarmal Flints Arme wie Pumpenschwengel auf und nieder stieß. Danach trat er zur Seite. Er setzte sich etwa drei Schritte weiter auf einen dicken Balken und starrte vor sich hin. Greer gab Flint einen Stoß. Flint stolperte durch die schiefstehende Türöffnung in den Lokus und machte sich daran, seinen Hosenriemen stöhnend aufzuziehen.

      »Stell dich nicht so an«, sagte

      Greer barsch, der ihn beobachtete. »So steif können deine Flossen auch nicht sein, was? Mach da ja keine Dauersitzung, Freundchen?«

      »Ihr hättet mir die Hände auch losbinden können«, erwiderte Flint ächzend. »Greer, ich kenne meine Chancen zu gut. Tot sein ist schäbig, glaub mir. Wenn ich meinen Anteil bekomme, bin ich zufrieden, aber das werdet ihr nie begreifen, was?«

      »Dir trau der Satan!« brummte Stapleton bissig. »Ich hab’ gesehen, wie verflucht sauber du Harris und die anderen erwischt hast. No, Mister, mit uns nicht. Los, setz dich hin und fang an.«

      Sie lachten beide, als Flint sich hinhockte. Stapleton konnte Flint nicht sehen. Dafür blieb Greer so stehen, daß er Flint im Blickfeld behielt.

      Flint bewegte die Arme. Das Blut schoß in sie zurück, und er brauchte keine drei Minuten, um sie so beweglich zu bekommen, daß er vor sich niedergreifen konnte. Immer noch kam das Knallen des Beiles zu ihm herüber, mit dem Mikel Claydon in der Küche Holz hackte.

      Großer Gott, es muß unter dieser Brille sein, dachte Flint und schielte zu Greer, der ihn nicht aus den Augen ließ. Wie herankommen, wie nur? Er hat ein Messer gezeichnet, und das Wort Brille in den Sand geschrieben. Linker Hand nach seiner Zeichnung von gestern – links…

      Er sah hin, aber er hätte die Arme nicht mal so weit zur Seite bringen können, daß er neben sich greifen konnte, ohne daß Greer es sah.

      Claydon, dachte Flint beklommen, Claydon, mach was – mach es jetzt, sonst ist es zu spät. Mann, mach etwas!

      *

      Mikel Claydon starrte auf die Lampe über dem Herd. Es war eine richtige Petroleumlampe mit einem dicken grünlich schimmernden Glasballon, in dem das Petroleum fast bis an den oberen Rand stand. Claydon hatte sie vor zwei Tagen gefüllt.

      Der nächste Blick Claydons ging zu dem Herd und dem dort offen brennenden Feuer. Der alte Herd hatte keine Mittelplatte mehr. Das Feuerloch war offen, die Ringe verbogen, und zwischen ihnen konnte man die Flammen sehen. Der Topf mit den Kartoffeln stand bereits im Feuerloch.

      Claydon nahm die Lampe blitzschnell herab, schraubte den Dochthalter los und goß sich etwas Petroleum über seinen linken Rockärmel. Danach stellte er die Lampe direkt auf die heiße Platte neben den Topf. Er trat zurück, sah kurz aus der Tür und blickte zum verfallenen Lokus hinüber.

      Im nächsten Moment packte Claydon ein vorher bereitgelegtes Holzstück an. Er holte aus, sprang zum Herd und ließ das Holzscheit heruntersausen.

      Der wuchtige Hieb zertrümmerte den Zylinder