G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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hinüber, aber feuerte ihn nicht vom Gaul. Doch dann kam das Gewehr, das Jericho im Absprung geschwungen hatte. Aus den Augenwinkeln sah Jericho noch, wie der Gewehrkolben über Shaggers rechte Schulter hinwegsauste und an Shaggers Hals landete.

      Danach war für Jericho die Hölle los. Er prallte mit dem Gesäß auf

      die Kruppe des Braunen. Die Kruppe hob sich, der Gaul stieg erschreckt und feuerte Jericho in die Höhe.

      Gerechter Moses, nur nicht mit dem Kopf aufkommen, nur nicht mit dem Kopf, dachte Jericho noch verzweifelt, während er sich überschlug und zusammenkrümmte. Er riß das Gewehr vor sich, konnte es gerade noch querdrehen, als er aufprallte und über den Boden kollerte. Die Schulter schmerzte, sein Zylinder war fort, aber er schoß in die Höhe, wirbelte herum und sah Ferguson keine drei Schritt links von sich am Boden liegen. Ferguson stöhnte, wollte sich aufstemmen.

      »Hier bin ich!« knurrte Jericho, indem er auf ihn zuflog und das Gewehr wie einen Dreschflegel schwang. »Sieh mal, Ferguson!«

      Ferguson starrte ihn an wie ein neugeborenes Kalb. Es war nichts als völlige Verständnislosigkeit in seinem Blick, bevor das Gewehr ihn streichelte und seine Pupillen sich so verdrehten, daß Jericho überzeugt war, Ferguson wollte sich selbst ins Gehirn schielen. Ferguson fiel wieder auf die Brust, aber links ertönte ein Schrei, und der Schrei ließ Jericho blitzschnell zu Boden stürzen.

      Rumms!

      Das Fauchen der Kugel kam mit dem Knall. Das Geschoß verfehlte

      Jericho um nicht mehr als eine Zylinderhöhe. Vielleicht hätte es seinen Zylinder sogar noch erwischt, wenn er ihn auf den Kopf gehabt hätte.

      Jericho krachte hin, rollte sich nach rechts und sah den zweiten Feuerstrahl, hörte das Brüllen und das Jaulen der einen halben Schritt neben ihm gegen den Boden schlagenden und absirrenden Kugel. Jetzt sah er Eddie Shaggers, machte nur beide Arme mit dem Gewehr lang und drückte ab.

      Rumms!

      »Aaaah!«

      Der Schrei Shaggers gellte schrill durch den Sackcanyon. Eddie schien eine Faust am rechten Bein zu treffen, eine Riesenfaust, denn es riß ihm das Bein glatt weg. Er krachte hin, verlor seinen Colt beim Aufschlag. Und dann kreischte er wie ein am Marterpfahl Angebundener, unter dessen Füßen man ein freundliches Feuerchen entfacht hatte. Eddie wälzte sich heulend hin und her, sein Bein umklammernd. Es war nicht auszuhalten, wie dieser Giftzwerg kreischte, der zwar vom Gaul gefallen, aber voll bei Bewußtsein geblieben war.

      »Hör auf!« fauchte Jericho, als er neben ihm war. »Sei still, Eddie, du sollst den Mund halten, Mensch!«

      Er hielt ihn nicht, er heulte wie hundert Sirenen und steckte voller Niedertracht, als er sich jäh herumwälzte und nach dem Colt schnappen wollte. Dann hielt ihn das Gewehr Jerichos auf, und es war plötzlich so still, daß es direkt unheimlich im Canyon wurde.

      Jericho blickte seinen Gewehrkolben an und schüttelte wie verwirrt den Kopf, als er sich nach Eddies Colt bückte und das Ding zwischen die Felsen schleuderte.

      »Kreischt wie ein Geier und wälzt sich gegen das Gewehr – tsst, tssst!« machte Jericho und sperrte die Augen auf, als er nach Eddies blutendem Bein sah. »Nicht zu glauben – nur ein Kratzer, das Holster getroffen und abgerissen – und der stellt sich so an. Moment, Ferguson, ich bin gleich da!«

      Er riß Eddie den Hosenriemen aus den Schlaufen und band ihm die Hände auf dem Rücken. Dann rannte er zu Ferguson, der sich nicht rührte, und band dem Burschen mit dem Halstuch die Hände, mit dem Hosenriemen die Füße. Fergusons Colt flog auch zwischen die Felsen.

      Jericho lauschte, hörte nichts – es blieb totenstill. Dennoch fühlte er die drohende Gefahr. Zwei Mann waren noch da – einer todsicher bei den Gefangenen, der andere mußte dort sein, wohin die Pferde gerannt waren, denn es gab nun keinen Hufschlag mehr.

      Der dritte Halunke hat sie eingefangen, überlegte Jericho, der schleicht vielleicht schon das Tal herauf. Und wie schnell kann ich die Sackwand hinaufkommen?

      Er zauderte nicht länger, er lief los. Zu Fuß konnte der dritte Mann nicht vor drei Minuten hier sein. Und bis dahin mußte Jericho auch über die Wand gestiegen und aus dieser verdammten Mausefalle sein…

      *

      Geschafft, dachte Jericho zufrieden, als er sich mit einem letzten Schwung hochwarf und bäuchlings auf dem Talrand liegenblieb. Na, wer sagt es denn, daß ich nicht in zwei

      Minuten herausklettern kann? Jetzt los, nach Norden rennen. Irgendwo im Norden sind die Burschen geritten, ist die Hufspur, muß das Versteck sein.

      Er nahm das Gewehr auf, lauschte noch einmal, aber alles blieb totenstill. Da unten schlich einer, Jericho fühlte es und huschte um den Felsblock. Dann sah er die Lücke im Wirrwarr der hier wie aufgetürmt liegenden Klippen und Blöcke, auf denen die kleinen Krüppelkoniferen wuchsen.

      Jericho huschte der Lücke entgegen, blieb stehen, sah sich lauschend um. Immer noch Stille, verdammte Stille!

      Los, weiter!

      Er duckte sich, kam durch die Lücke und…

      Das Kratzen ließ ihn blitzschnell nach vorn hechten. Ein Schnaufen war hinter ihm, und er lag schon, sah den Mann unmittelbar hinter sich landen, holte im Liegen aus und säbelte ihm mit dem Gewehr die Beine weg.

      Der vierte Mann hatte hier gelauert!

      Eine Viertelsekunde schoß ihm der Gedanke durch den Kopf. Der Mann schrie, kippte um, schlug der Länge nach hin und schien mit seiner Nase den Boden pflügen zu wollen. Doch dann…

      Links ein heranfliegender Schatten, der Schrei von rechts: »Packt ihn doch, ihr Narren!«

      Was ist, dachte Jericho, und sein Gewehr wurde zur Sense, knallte dem Kerl, der ihn ansprang und sich auf ihn stürzen wollte, vor das Schienbein. Der Bursche schrie wie ein Ochse, dem man eins mit der Ochsentreiberpeitsche über das Fell gezogen hatte, kippte zur Seite um, aber da war der nächste schon über Jericho. Der Kerl umklammerte Jerichos Gewehr im Herabkommen, stieß es schreiend gegen Jerichos Brust. Daß Jericho noch Beine hatte, schien er vergessen zu haben.

      David Jericho riß die Knie an, rammte sie dem Burschen in den Leib. Der röchelte und sperrte den Mund so weit auf, daß Jericho beinahe Mitleid mit ihm verspürte. Ehe er auch nur einen bedauernden Gedanken fassen konnte, raste etwas auf seinen Kopf zu. Er sah noch jemand, der einen Dreschflegel zu schwingen schien.

      So viele, dachte David Jericho Graves, Townmarshal, Undertaker, Sargmacher und Posaunentröter noch verstört, so viele, nicht nur zwei? Wo kommen die denn alle her?

      Dann explodierte eine Bombe. Es hörte sich an, als flöge das komplette Pulvermagazin von Fort Verde in die Luft. Das letzte, was Jericho fühlte, war der Aufprall eines Pulverfasses an seinen Bauch. Danach flog

      er mit dem Faß in den Abendhimmel. Er wußte nicht, wohin die Reise ging.

      *

      Zuerst kreischte nur eine Metallsäge direkt neben Jerichos Kopf. Das Kreischen wollte ihm die Trommelfelle zerfetzen, bis etwas auf ihn herabklatschte. Es war kalt und verdammt naß, also war es Wasser. Durch Jerichos gemartertes Gehirn schien ein Feuerschwert zu fahren und es zu durchtrennen. Danach pochte es nur noch in seinen Schläfen – die Metallsäge kreischte nicht mehr, und die Stimme geiferte schrill: »Gebt mir einen Revolver, gebt ihn mir! Den bringe ich um, den bringe ich auf der Stelle um!«

      »Wenn du jetzt nicht das Maul hältst, Eddie, bekommst du was davor!« knirschte jemand links von Jericho, an dessen Lider jemand Bleigewichte angenäht haben mußte, denn sie ließen sich nur schwer öffnen. »Sei still, oder dir passiert was, du verdammter Idiot. Der und ein vertrottelter Undertaker, was? Kein Mensch würde Regan jemals vermissen, alles ginge glatt – ja?«

      »Bin ich daran schuld, daß ihr Affen die Spuren nicht gründlich verwischt?« brüllte Eddie Shaggers geifernd. »Darum hat er doch hergefunden, oder? Bringt ihn um, sage ich euch, bringt ihn um, der hat den Teufel im Blut, der Satan steht mit ihm im Bunde. Ich schwöre dir, Jake, ich blase ihn über