G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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so einsam und verlassen vorgekommen.

      »Ich tue es«, sagte Eddie dumpf. »Neil, wir müssen hier heraus, und wenn es mit Gewalt sein sollte. Läuft für den alten Regan alles glatt, ist er in sechs Tagen in Fort Reno und seine Rinder bei der Armee losgeworden. Danach fährt er mit der Geldanweisung der Armee nach Tucson. Er muß fahren, denn reiten kann er nicht wegen seiner gebrochenen Hüfte und dem Girl – er muß fahren. Stimmt die Rechnung von Moss, müßte er in vier Tagen von Fort Reno nach Tucson gefahren sein. Zehn Tage, Mann, nur zehn Tage von heute an. Danach läßt der Alte die Hölle los. Großer Gott, wir müssen hier raus, oder wir sind verloren.«

      Das wußte niemand besser als Neil Ferguson. Er steckte bis an den Hals in dieser Sache und verdammte den Tag, an dem er bereit gewesen war, sich in sie einzulassen, seitdem er hier im Jail steckte. Noch hatte der alte Bill Regan keine blasse Ahnung von der Riesenschweinerei, die sich auf seiner zweiten Ranch südöstlich von Tucson am Cienega Wash zugetragen hatte. Erfuhr der knorrige Alte jedoch davon, war todsicher die Hölle los. Bill Regan würde das abgekartete Spiel, das Alec mit ihm getrieben hatte, als er ihm die Shaggers und Neil zur Aushilfe geschickt hatte, sofort durchschauen. Bill Regan gehörte noch zu jener Sorte, die dieses Land wild, rauh und unbarmherzig vorgefunden hatte. Und genauso war der Alte auch geblieben: wild, rauh und unbarmherzig. Er würde sie in die Hölle jagen lassen!

      Eddie Shaggers, der Giftpilz, lag auf seiner Pritsche und hatte nichts als würgende Angst in sich. Ohne Moss, der immer einen Ausweg gewußt hatte, kam sich Eddie, das Großmaul, wie ein Tier hinter Gittern vor. Moss war bereit gewesen, den alten Regan, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gab, aus dem Hinterhalt zu erschießen, um seinen und Eddies Kopf zu retten.

      Mord, dachte Eddie verzweifelt, Moss hätte ihn auf dem Weg von Tucson zur Ranch abgeknallt, aber ich – ich kann es nicht, ich habe Angst, ich habe Angst! Neil wird erst recht keinen Mord begehen, und Alec? Alec ist ein stinkender Feigling, der hat die Hosen voll und dreht durch, wenn er hört, daß der Alte nach zwei Jahren zur ersten Inspektion kommt. Wenn mir doch etwas einfiele, einen Ausweg, irgendeine Chance!

      Ihm fiel nichts ein, so sehr er sich auch seinen Kopf zermarterte. Daß es noch schlimmer kommen sollte, ahnte er nicht…

      *

      Eddie Shaggers hatte das Gefühl, daß ihm der Verstand stehenblieb und das letzte bißchen Blut aus seinem Kopf strömte. Dazu krampfte sich sein Magen zusammen, als hätte er Rattengift geschluckt. Unfähig für Sekunden, auch nur Atem zu holen, starrte Shaggers zur Jailtür und den Mann, der breitbeinig dort stand.

      Es war Big Bill Regan, der Alte, und Eddie starrte ihn an, als sähe er den Satan vor sich.

      »Sieh einer an«, sagte Big Bill Regan finster. Er war nicht sehr groß, dafür aber breit gebaut – ein Klotz von Mann trotz seines Alters und der gebrochenen, schlecht verheilten Hüfte, die es nicht zuließ, daß er länger als eine Stunde im Sattel blieb. »Wen haben wir denn da, he? Na, ihr Galgenvögel?«

      Er weiß es – um Gottes willen, er weiß alles, dachte Eddie und fühlte, wie ihm hundeschlecht wurde. Wie kann er es erfahren haben, woher denn?

      Eddies hilfloser Blick flog zur anderen Pritsche hinüber. Dort lag Neil Ferguson aufgestützt, und sein Gesicht hatte die schmutziggraue Farbe trockenen Lehmes angenommen. Auch Ferguson starrte den Alten wie einen Höllengeist an und rührte sich nicht.

      Neil begriff nicht, woher der Alte kam. Er hatte sie in Perkinsville erwischt und Eddie dort durch seinen Vormann verprügeln lassen. Die Herde Regans mußte jedoch kurz vor Fort Verde sein, wo der erste Schub Rinder der Armee übergeben werden sollte, damit für die Indianerreservation genügend Fleisch vorhanden war. Wie, zum Teufel, kam Bill Regan hierher?

      »Ich glaube, ihnen fehlt etwas – sie sehen verdammt krank und elend aus, Jericho«, sagte der Alte im nächsten Moment spöttisch. »Sieh dir dieses Gelichter an – das verkörperte schlechte Gewissen.«

      Ferguson konnte von seiner Pritsche aus an Bill Regan vorbei ins Office blicken. Er sah, daß David Jericho Graves, der Posaunentröter und Undertaker, schräg hinter dem Alten stand. Im Hintergrund hatte sich Mabel Regan, die Nichte des Alten, an den Tisch gelehnt. Das schwarzhaarige, hübsche Mädchen, das Regan den Haushalt führte und wahrscheinlich die große Ranch am Cataract Creek erben würde, sah aus dem Fenster, als wollte es keinen Blick ins Jail werfen müssen.

      Das Girl, schoß es Ferguson durch den Kopf, das Girl ist hier? Dann ist der Alte mit dem Wagen gekommen, während seine Leute die Herde nach Fort Verde treiben. Warum kommt er her, was weiß er?

      Im nächsten Augenblick atmete Ferguson erleichtert auf, denn der Alte polterte: »Geschieht euch recht! Wer seine Herde verläßt und sich lieber besäuft, statt seine verdammte Pflicht zu tun, der hat es nicht besser verdient. So, hat es deinen Vetter Moss erwischt, Eddie, hat es endlich? Der hatte einen genauso schlechten Charakter wie du, Bursche. Na, wenigstens eine gute Nachricht an diesem Tag – einer von euch Shaggers ist in der Hölle gelandet. Das nennt man Gerechtigkeit!«

      Er weiß nichts, schoß es Ferguson durch den Kopf, er ist aus einem anderen Grund hergekommen, es hat nichts mit uns zu tun. Himmel, Eddie, mach keinen Blödsinn, reiß dich zusammen!

      Es war bereits zu spät. Eddie, der genauso schnell begriffen hatte, daß Regan nicht ihretwegen gekommen war, fuhr von der Pritsche hoch. Nach dem ersten Schock packte ihn jetzt die wilde Wut.

      »Du alter, hinkender Satan, wie redest du über meinen toten, guten Vetter?« schrie Eddie und sprang los. »Dir werde ich – mich verprügeln lassen und schlecht über meinen toten Vetter…«

      Regan schien alles, nur nicht diese Reaktion erwartet zu haben. Zwar wich er, als Eddie wie ein fauchender Tiger auf das Gitter zusprang, erschrocken zurück, stieß dann aber gegen die aufstehende Jailtür und kam nicht mehr davon. Eddie Shaggers zeigte jetzt, zu welcher Gewalttätigkeit er neigte. Ehe der bärtige Alte ausweichen konnte, schossen Eddies Hände durch die Gitter und packten Regans Bart.

      »Du redest nie mehr schlecht über meinen guten Vetter!«

      Und dann geschah das, was Neil Ferguson gefürchtet hatte. Als Eddie versuchte, den alten Regan am Bart an die Gitter zu ziehen, schnellte

      der verdammte Posaunentröter und Townmarshal David Jericho neben dem Alten her.

      »Eddie, zurück, Eddie!«

      Ferguson, der die Katastrophe kommen sah, versuchte vergebens, Eddie, den Giftpilz, zurückzuhalten. Ehe Eddie, der in seiner besinnungslosen Wut noch niemals einen Funken Verstand bewiesen hatte, den Bart des Oldtimers loslassen konnte, zuckte David Jerichos Rechte empor. Wiederum sah Ferguson nicht, woher die Waffe kam. Sie lag so urplötzlich in der Faust dieses höchst seltsamen Undertakers, daß es an Zauberei zu grenzen schien. Und dann knallte der Colt auch schon herunter.

      »Habe ich dich gewarnt?« zischte David Jericho. »Das machst du nie wieder, Halunke!«

      Der Hieb mit den Coltlauf erwischte Eddies Fingerknöchel, und Eddie schrie heulend auf. Es war, als hätte ihm sein Alter den verfluchten Taktstock über die Finger geschlagen. Ehe Eddie jedoch loslassen und seine höllisch schmerzende Hand in die Zelle zurückreißen konnte, schoß Jerichos Linke durch die Stäbe und erwischte Eddies rechtes Ohr. Es war ein großes, abstehendes Ohr, das unter dem Drehgriff dieses dreimal verfluchten Posaunentröters Korkenzieherformen anzunehmen schien.

      Ferguson, der die Szene stumm und entsetzt beobachtete, sah nicht mal, daß Jerichos Colt wieder verschwand. Dafür sauste Jerichos Rechte nun auch noch in die Zelle und packte Eddies linkes Ohr. Während Eddie seine Hände brüllend in Sicherheit brachte und sie ausschlenkerte vor Schmerz, wurde auch sein linkes Ohr zum Korkenzieher. Aus Eddies Gebrüll wurde ein entsetzliches Geheul. Tränen schossen ihm aus den Augen, er erhob sich vor Schmerz auf die Zehenspitzen – und dann knallte er zwei-, dreimal mit dem Schädel gegen den einen Jailgitterstab.

      »Dich werde ich lehren, dich an einem alten Mann zu vergreifen!« donnerte Jericho. »Ab mit dir, du Posaunenventilentzweischießer!«

      Ferguson riß verstört die Augen auf. Er begriff nicht, woher dieser nun wahrhaftig nicht