G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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dem Hemd. Aber er hätte ihn gar nicht zu holen brauchen. O’Mallon trug Gates’ Schellenschloßschlüssel in der Hosentasche. Den Keil hatte Clancy sich ganz umsonst geholt.

      Clancy stieß Floyd leicht an. Floyd hatte sich, so weit er konnte, von Carpenter fort und nach vorn auf O’Mallon zugeschoben. Jetzt beugte sich Floyd Clancy entgegen und wisperte:

      »Es hat keinen Zweck, Clancy. Wir kommen nicht an ihn heran. Wirf den Keil weg!«

      Clancy schüttelte stumm den Kopf. Ohne O’Mallon aus den Augen zu lassen, hob er den Umhang leicht an. Seine Hand fuhr zu der Schnalle seines Hosenriemens. Er öffnete ihn, sah dann Floyd an und flüsterte kaum hörbar:

      »Mach deinen ab. Schiebe ihn mir herüber. Es geht auch anders.«

      Floyd dachte seit einer halben Stunde, die sie nun schon zurückfuhren, an den Snake River. Floyd Reegan war kein guter Schwimmer. Der Snake River führte Hochwasser.

      Es hat alles keinen Sinn, dachte Floyd bedrückt. Großer Gott, wir schaffen es nicht. Und Carpenter, was tun wir mit Carpenter, diesem Totschläger?

      Clancys Ellbogen stieß ihn an, und er begann hastig unter dem Umhang seinen Hosenriemen aus den Schlaufen zu zerren. Als er ihn zusammenrollte und ihn zu Clancy schob, nahm O’Mallon jäh den Kopf herum.

      »Sitzt ihr ruhig?« fragte O’Mallon mürrisch. »Ich fahre jetzt schneller, der Weg wird besser. Wir müssen vor Dunkelheit im Jail sein.«

      Clancy war der kalte Angstweiß ausgebrochen. Er wußte, wie eiskalt O’Mallon war. Der Mann fürchtete sich vor nichts. Er wäre auch allein mit zehn Sträflingen an den Snake River und zurück zum Jail gefahren. Die Luft einsaugend, griff Clancy nun nach den beiden Hosenriemen. Er schob die Spitze von Floyds Gürtel durch die Schnalle seines Gurts und legte sie mit dem Dorn fest. Einen Blick zu Carpenter schickend, sah Clancy in das an­gespannte, lauernde Gesicht des Berufstotschlägers. Carpenters Kopf ruckte zweimal in Richtung O’Mallon. Clancy nickte kurz, und um Carpenters Mundwinkel huschte ein hämisches Lächeln.

      Einen Augenblick später rutschte Clancy bis auf weniger als einen Dreiviertel Schritt an O’Mallon heran.

      Carpenter öffnete den Mund, seine Augen stierten auf Clancys Hände. Und dann wußte Carpenter es genauso wie Floyd Reegan. Auch mit weit vorgestreckten Händen kam Clancy nicht an O’Mallon heran.

      In der folgenden Sekunde sah Carpenter, wie der Riemen von Clancy gepackt und unter dem Umhang hervorgezogen wurde.

      Clancys Arme wanderten jetzt in die Höhe. Clancy kniete am schwankenden, rütteln den Kastenboden und hob die Hände, zwischen denen die beiden zusammengeschnallten Hosenriemen baumelten, weit nach hinten über seinen Kopf. Dann zog er sie auseinander. Der Riemen straffte sich.

      Es passierte im gleichen Moment.

      Henry O’Mallon, der Oberaufseher, dem man einen tierhaften Instinkt nachsagte, wendete den Kopf.

      In derselben Sekunde schnellten Clancys Hände und damit der Hosenriemen blitzartig nach vorn...

      *

      Der Riemen klatschte rechts und links von O’Mallons Hals auf die Ölhaut. Clancy stieß einen kurzen, scharfen Schrei aus. Dann warf er sich hintenüber. Wie ein Würgeseil zuckte der Riemen zurück. Er fuhr O’Mallon unter das Kinn.

      Clancy riß mit einem wilden Ruck seine Arme zurück. O’Mallon kippte von der Sitzbank. Seine Beine fuhren steil in die Höhe, sein Körper krachte von der Sitzbank in den Kasten hinein. Während der Oberaufseher auf den Rücken schlug, warf sich Floyd Reegan schreiend nach vorn. Der große, riesenhafte blonde Mann streckte seine Hände aus, so weit er nur konnte.

      »Clancy, reiß ihn zurück!« schrie Reegan. »Seine Rechte, achte auf seine Rechte, Clancy.«

      In diesem Moment bekam er auch schon O’Mallons Schultern zu packen.

      Floyds große Hände krallten sich in die Ölhaut, die Jacke und O’Mallons Hemd. Der Aufseher flog haltlos über den regennassen, glitschigen Boden des Wagens.

      Sekundenlang glaubte O’Mallon, daß sein letzter Augenblick gekommen war. Der Überfall hatte ihn vollkommen überrascht. O’Mallons Hand erreichte den Revolverkolben. Kaum aber wollte er die Waffe ziehen, als Clancy mit der linken Hand die Ölhaut O’Mallons in die Höhe fegte. Gleichzeitig schnappte Clancys Rechte zu. Sie schloß sich wie eine Zange um O’Mallons Handgelenk. Mit einem Fluch drehte Clancy dem Oberaufseher den Arm so hart um, daß O’Mallon vor Schmerz aufschrie. Er mußte den Revolver fahren lassen. Seine Hand zuckte, von Clancy hochgerissen, über die Hosentasche hinweg. Aus der Hosentasche hing jene Schnur heraus, an der Gates’ Schellenschlüssel baumelte.

      Ehe Clancy erkannte, was passierte, riß O’Mallons hochstehender Daumen die Schnur und damit den Schlüssel aus der Tasche. Die Hand des Oberaufsehers flog in die Höhe, und glänzend schoß der Schlüssel im Bogen über die Kante des Wagenkastens hinweg.

      »Der Schlüssel!« schrie Clancy entsetzt. »Verflucht, der Schlüssel! O’Mallon, du Narr!«

      Seine Linke packte zu. Sie riß O’Mallons Colt aus dem Halfter. Die Waffe schwang hoch, und während O’Mallon auf seine Waffe stierte, hörte er Clancy finster sagen:

      »Tut mir mächtig leid, Mann!«

      Dann traf der Hieb O’Mallons Kopf und löschte sein Bewußtsein mit einem Krachen aus.

      Die Pferde liefen immer noch. Der Wagen fuhr noch weiter. Irgendwo am Rand des Weges war der Schlüssel für die Schellen verschwunden.

      *

      »Der Schlüssel!« keuchte Clancy, als der Wagen stand. »Verdammt noch mal, der Schlüssel!«

      Er blickte auf die am Wegrand liegende Seitenwand des Wagenkastens. Sie hatten sie hochgestemmt und einfach hinabgeworfen. Nur dadurch war es ihnen gelungen, die Kette vom Holm zu zerren. Sie waren frei, sie konnten vom Wagen springen, aber sie würden dann hintereinander durch Schellen und Ketten aneinandergefesselt, die Suche beginnen müssen.

      »Und der da?« stieß Carpenter schrill durch die Zähne. Er blickte mit wachsender Panik auf den wie tot im Kasten liegenden O’Mallon hinab.

      Clancy sah ihn kurz an. Dann tastete er O’Mallon ab und fischte ein stabiles Schnappmesser aus der Hosentasche des Oberaufsehers.

      »Die Peitschenschnur«, knurrte Clancy. »In zwei Minuten ist er gebunden.«

      Während sie ihn banden, fiel der Stahlkeil polternd zu Boden.

      Sie stiegen ab. Clancy band die Pferde an einen Busch, ehe sie in einer Linie losrannten. So schnell sie konnten kehrten sie zurück zu der Stelle, an der O’Mallons Schlüssel liegen mußte.

      »Er flog im Bogen weg«, erinnerte sich Clancy laut. »Wir knien uns hin, nebeneinander. So arbeiten wir uns vorwärts. Faßt in jede kleine Wasserlache, tastet das Gras vor euch genau ab!Also los!«

      Sie krochen, sie bogen das Gras auseinander, sie fuhren in jede kleine Pfütze, suchten jeden kleinen Busch genau ab. Nach zwanzig Schritten hatten sie ihn immer noch nicht, und zehn Minuten waren vergangen.

      »Wir finden ihn nie!« stöhnte Carpenter furchtsam. »Clancy, wenn jetzt ein Reiter kommt – oder ein Wagen? Mann, wo ist der verfluchte Schlüssel denn? War es bestimmt hier – bestimmt?«

      Floyd kroch plötzlich los und riß sie mit, daß sie fast hinschlugen. Und dann sahen sie ihn.

      Der Schlüssel hing an einem Buschzweig. Es dauerte keine drei Minuten, dann liefen sie, der Schellen und Ketten endlich ledig, auf den Wagen zu.

      »Carpenter, du kannst auch mal was tun!« zischte Clancy. »Das Kastenbrett mitbringen, mach schon, Mann! Wir fahren den Wagen in die Büsche.«

      Carpenter gehorchte wortlos. Clancy band die Pferde wieder los, stieg auf den Kasten und beugte sich zu O’Mallon.

      »Sie sind also munter«, stellte er kurz fest. »Nun gut, O’Mallon, ich wollte Sie nicht niederschlagen, aber Sie griffen