»Der Bach rauscht, der hört nichts«, knurrte Clancy. »Komm schon, wir müssen hier hoch und uns den Kerl schnappen.«
*
Floyd hielt mit seinen Bärenkräften das Seil fest. Die Schlinge war von Clancy um einen der Eckpfosten, an dem das Geländer abgebrochen war, geschleudert worden. Sie hatten beide mit aller Macht am Seil gezogen, doch der Pfosten hatte sich nicht gerührt.
Er hangelte sich in regelmäßigen Schwüngen langsam dem Eckpfosten entgegen, während Floyd schwitzend auf die linke Ecke der Hütte stierte. Kam der Posten jetzt jenseits der Hütte von der Bank hoch, und marschierte er auch nur drei Schritt über die Plattform, war alles aus. Er mußte Floyd sehen, das Seil und den am Seil hängenden Clancy.
Dann aber erreichte Clancy die Ecke. Sein linker Stiefel fand einen Halt auf einer Querverstrebung des Turmes aus Kanthölzern. Clancys linke Hand umklammerte den Eckpfosten. Und dann zog sich Clancy mit einem Schwung auf die Plattform. Einen Moment blieb er bäuchlings liegen, ehe er sich nach Floyd umsah und heftig winkte. Floyd ließ das Lasso fahren. Zwei Schritt weiter lag ein Felsbrocken, hinter dem er Deckung nahm und Clancy beobachtete. Ohne Hast schob sich Clancy jetzt nach rechts. Er kam jenem blinkenden Draht näher, duckte sich leicht und stand auch schon an der Ecke.
Der Draht, das wußte Clancy, endete direkt neben der Bank auf der der Posten hockte, an einem Haken in der Hüttenwand. Clancy schob den Kopf um die Ecke, hielt den Colt erhoben und flog dann blitzschnell vorwärts. Der Posten hatte sich erhoben. Er gähnte lauthals. Sein Kopf fuhr herum. Er sah Clancy und wollte schreien. Mit einem wilden Satz flog Clancy auf den Mann zu. Der Bursche wollte an die Wand springen, streckte schon die Hand aus und griff nach dem Draht.
Ehe er ihn jedoch erreichen konnte, schlug Clancy zu. Der Hieb traf den Mann über den Hut, und der Bursche kippte mit einem heiseren Aufschrei zur Seite. Seine ausgestreckte Hand verfehlte den Draht nur um einige Zoll. Er fiel in die nur angelehnte Tür der Hütte hinein.
»Alle Teufel«, ächzte Clancy. Seine Arme schmerzten noch von der Hangelei am Seil. Er schüttelte sie jetzt aus und drehte den Mann dann um. »Ferris, der Strolch, sagte etwas von fünf Mann, die hier hausen sollen. Jetzt wären es nur noch vier.«
Zwei Minuten später hatte Clancy den Mann mit dem Lasso gebunden. Floyd kam jetzt unten im Haupttal angerannt, und Clancy ließ den Posten am Seil in die Tiefe schweben. Über die steile, alte Leiter, die zur Hütte hochführte, hätte Clancy den Mann nicht heruntertragen können.
»Du großer Gott, was machen wir jetzt?« fragte Floyd. »Clancy, wohin mit dem Kerl?«
»Wir nehmen ihn mit«, gab Clancy kurz zurück. »Bring die Pferde her, Floyd.«
Floyd rannte davon. Jetzt besaßen sie jeder einen Revolver und ein Gewehr.Wenig später stiegen sie auf, den gebundenen und geknebelten Mann vor Clancys Sattel.
Das sind Pferdediebe, dachte Floyd beklommen. Sie werden schießen, wenn sie uns sehen...
*
Clancy hielt sein Pferd zurück. Sein Blick flog über den Bach hinweg und heftete sich auf den großen Schuppen, an dem der Bach vorbeigurgelte. Das Wasser wurde neben dem Schuppen von einer halbrunden Steinmauer gestaut. Über ihr erhob sich das Gerüst eines Wasserrades, das sich jedoch nicht bewegte. Das Wasser floß unten aus einem aufgezogenen Schieber in das tiefer gelegene Bachbett. Man hatte den Bach hier gestaut. Ein kleiner See wurde von einer Mauer am Schuppen begrenzt und breitete sich etwa vierzig Schritt breit und sechzig lang nach Nordosten aus. Weiter hinten stieg das Gelände an. Clancy konnte den Lauf des Baches bis zu einer Felswand verfolgen, über die er rauschend hinabfiel.
Das Rauschen schien das breite Tal auszufüllen. Links lag ein flaches, aber langes Bretterhaus. Die Tür stand offen. Zu sehen war kein Mensch. An der Nordflanke des großen Sägeschuppens erhob sich ein kleineres Blockhaus vor einem zweiten, offenen Schuppen. Dort lagerten Bohlen und Balken. Einige sahen neu aus. Eine Lore stand vor dem dunklen Hintergrund des Sägeschuppens, dessen breites Flügeltor halb geöffnet war. Schienen führten in den Sägeschuppen. Einige Baumstämme lagen rechts, und einer ruhte auf der Lore.
Es sah nicht aus, als ob man hier arbeitete. Dafür standen im Corral hinter jenem flachen Bretterhaus fünf Pferde.
Clancy hob das Gewehr leicht an. Er sah sich nach Floyd um, der sein Gewehr umklammerte. Floyds Gesicht war angespannt. Seine Augen huschten vom Sägeschuppen zu dem flachen Haus hinüber.
»Wir reiten dicht an der Wand«, zischte Clancy in das Rauschen hinein. »Sie müssen in dem flachen Bau sein. Los, Junge!«
Er ritt an, hielt das Gewehr schußbereit und blieb unter der linken Talwand. Langsam kamen sie vorwärts, bis Clancy jäh an den Zügeln riß. In diesem Moment sah er den ersten Mann, und sein Atem stockte vor Schreck.
Clancys Blick fuhr zwischen dem Holzlagerschuppen und dem kleinen, festen Blockhaus durch. Jetzt erst erkannte er, daß der Stausee mit einer Bucht bis hinter den Sägeschuppen reichte. Dort lagen einige flache Felsbrocken, auf denen ein Mann kniete. Der Mann wusch etwas aus. Er wendete Clancy den Rücken zu
Es war Hugh Stacy!
Drei Sekunden genügten Clancy, um Stacy genau zu erkennen, dessen dunkles Haar sich gelockt im Nacken kräuselte. In der vierten Sekunde ließ Clancy sein Pferd angehen, und in der fünften lag der Holzschuppen mit seinen gestapelten Bohlen wieder zwischen ihm und Stacy.
Floyd kam nun nach. Auch er blickte nach rechts, sah den Mann und ließ sein Pferd schneller gehen.
»Verdammt, wer, Clancy?«
»Hugh Stacy!« flüsterte Clancy. »Weiter, weiter, Junge. Das Rauschen schluckt das Tacken der Hufe. Noch zwanzig Schritt, dann sind wir weit genug.«
Keine zehn Sekunden später hielten sie knapp vor der Giebelwand des Flachbaues. Hier lagen ein paar alte, grau gewordene Balken, und Clancy stieg ab. Er legte den Mann neben die Balken und band die Pferde an.
»Stacy kann uns nicht sehen«, zischte er Floyd zu. »Floyd, die Tür des Blockhauses ist zu. Ich denke, dieser Paine wird dort hausen. Wir müssen in den Langbau und unter zwei Fenstern durchkriechen, ehe wir an der Tür sind. Ich springe zuerst hinein, du kommst nach. Hör zu, ich will die Kerle lebend und möglichst ohne Lärm. Stacy ist gefährlicher als Carter. Er soll nichts hören, wenn es geht. Traust du dir zu, jemanden zu Boden zu schlagen?«
Floyd grinste breit und streckte stumm seine Riesenhände aus.
»Dort können drei Kerle drin sein. vielleicht nur zwei. Aber ungefährlich sind die nicht«, warnte Clancy. Doch Floyd grinste nur und dehnte die Arme. Dann schlichen sie los.
*
Floyd Reegan lehnte sein Gewehr sacht neben der Tür an die Wand. Sein funkelnder Blick traf Clancy, der hart an der Tür kauerte. Auch Clancy hatte sein Gewehr zu Boden gelegt und den Colt gezogen. Aus der Tür drang das Gemurmel von Männern, etwas klopfte dumpf. Der dröhnende Schlag fiel mit den scharfen Worten eines Mannes zusammen.
»Hol dich der Teufel, du Mißgeburt, du hast schon wieder gewonnen. Mit dir spiele ich nicht mehr, du Trickser. Ich habe genug.«
Etwas schurrte, und im gleichen Moment stieß sich Clancy ab.
Clancy flog mit einem wilden Satz zur Tür herein. In der nächsten Sekunde sah er den Mann unmittelbar vor sich. Der Bursche ragte förmlich vor dem geduckt in den Raum hechtenden Clancy auf. Clancy blieb keine Zeit, sich aufzurichten. Seine Rechte mit dem Colt stieß rammend vorwärts und mitten unter die Rippen des großen, hageren Mannes. Der Bursche flog zurück. Er schrie dumpf, taumelte und kippte im zweiten Rammstoß von Clancys linker Faust glatt um. Clancy sah ihn quer über einen Hocker stürzen und schwer auf die Dielen schlagen.
Clancy warf sich über den zu Boden gekrachten Mann und glaubte, irgendwo links noch undeutlich einen Schatten auszumachen. Sein Colthieb ließ den stöhnenden Mann am Boden verstummen. Aus der Hocke flog Clancy hoch, und dann sperrte er den Mund auf.
Floyd Reegan stand breitbeinig am Tisch. Er hatte den Mann dort mit beiden