Seward«, stieß Cameron heraus. »Williams, Sie meinen doch nicht etwa Seward?«
»Ein guter Mensch, lebt er noch?«
»Nein«, antwortete Cameron und ging neben dem Alten her um die Hütte. Jetzt sah er, dass hinter der Hütte das Dach noch länger herabgezogen war und einen Stall bedeckte. An den Stall schloss sich ein Stangencorral an, der in zwei Streifen unterteilt war.
In den Boden gerammte, hohe Pfähle wurden von einem Stangengitter überspannt, auf dem dicht bei dicht getrocknete Kakteenrinden angebracht waren. Unter ihnen war Schatten, und der leichte Wind strich kühlend über drei Maultiere und zwei Pferde hinweg.
Cameron pfiff durch die Zähne. »Williams, nicht schlecht, Schatten genug, wie?«
Der Alte kicherte erfreut. Er deutete auf ein Fass und zog es zur Seite. Unter dem Fass kam eine Bohlenplatte zum Vorschein. Und als Williams sie anhob, sah er das Geviert eines gemauerten Schachtes. Ein starkes Querholz hielt ein Seil und kühle Feuchtigkeit stieg Cameron entgegen.
»Fünf Schritt tief«, meckerte Gropie. »Feines Wasser, Sir. So, er ist tot, dieser Schurke? Ist er friedlich in seinem Bett gestorben?«
»No«, brummte Cameron, während der Alte schon zurückging. »Nicht ganz so friedlich, Williams. Er versuchte, die Margley-Ranch anzustecken. Sie erinnern sich an die Margleys?«
»Die Margleys, ja, ja, die Margleys«, meckerte Gropie. »Gute Leute, anständige Menschen, ja, ja. Hat Owen Margley den alten Schurken Seward erschossen? Eine gute Tat.«
»Williams, er hat ihn nicht erschossen, so wenig wie damals Anthony Seward, erinnern Sie sich?«
Gropie Williams blieb an seinem Vorbau stehen und zupfte an seinem Bart. »Hat er nicht Anthony erschossen, den Kartentrickser? Dachte ich mir schon immer, ja, ja.«
»Was ist, das dachten Sie schon immer?«, fragte Barry erstaunt. »Williams, warum dachten Sie sich das?«
Der Alte kicherte schrill. »Einfach, Sir, ganz einfach. Wenn Margley schießt, dann trifft er genau. Owen Margley, der konnte schießen, schießen, sage ich. Hätte Tony Seward den Kopf heruntergeschossen, aber nicht angeschossen, der nicht. Sieh an, wer war es, Ihr Vater, wie?«
Cameron wurde der Alte langsam unheimlich. »Ja«, gab er zu. »Ich wusste es nicht, ich erfuhr es erst vor drei Tagen. Bill Seward ist an seinem Hass gestorben, vor neun Tagen, Williams. Er fand die Karten, mit denen sein Sohn damals meinen Vater und Margley betrogen hat. Darüber traf ihn der Schlag, den Alten. Bat Seward ist jetzt der Erbe.«
»Soso, der kleine Bruder des alten Schurken? Hat doch einen Sohn, wenn ich nicht irre? Zwei Sewards zu viel auf dieser Welt, ja.«
Er hasst sie, dachte Cameron. Seltsam, zu viele Männer hassen die Sewards.
»Der Sohn ist auch tot, Williams. Er war Captain in Fort Stanton, zuletzt in Fort Stanton. Williams, haben Sie Margley gesehen?«
Cameron schoss die Frage blitzschnell ab. Der Alte hier war immer ein guter Freund der Margleys gewesen, und wenn Steve das Unmögliche geschafft haben sollte, konnte er hergekommen sein.
»Owen, ist er hier im Llano?« Gropie starrte den First Lieutenant mit schiefgelegtem Kopf groß an. Und es war nichts in seinen Augen – kein Schreck, nichts, was auf die leiseste Kenntnis von Steve Margleys Verschwinden hinwies.
»Nicht Owen, obgleich der in der Wüste sein wird«, erwiderte Cameron. »Steve Margley, seinen ältesten Sohn. Vor zwölf Tagen verschwand er im Llano, etwa dreißig Meilen nordwestlich von hier. Er soll Captain Seward erschossen haben, aber wahrscheinlich war er es nicht.«
»Wie …? Was? Ich verstehe nichts«, fragte der Alte verstört. »Wie im Llano verschwunden? Soll er den Captain erschossen haben? Kommen Sie herein, Sir. Ich – ich habe nichts gesehen, hierher kommt nur alle Jahr mal ein Mensch, oder alle zwei. Ja, ja, kommt niemand, will auch keinen sehen, kommen Sie herein.«
Er stolperte voraus, und Cameron sah sich verstohlen in der Hütte um, die nur aus einem Raum bestand. Es gab keinen Boden und anscheinend auch keinen Keller. Sekundenlang kam Barry Cameron die Idee, dass der Alte Steve gefunden und versteckt haben könnte, aber hier gab es kein Versteck. Der Ofen stand in einer Ecke, es roch nach Fleisch und Kaffee.
»Ich hoffte, er wäre hier«, murmelte Barry und hockte sich auf einen wackligen Stuhl. »Williams, wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es mir sagen. Ich bin Steve Margleys Freund, ich bin sicher, er hat den Captain nicht erschossen, aber die verdammte Tatsache ist, dass er der letzte Mann war, der Seward lebend oder sterbend sah.«
»Teufel, Teufel«, sagte der Alte. »Schlimm für den Jungen, wie? Er war auch bei der Armee, immer noch. Traf ihn vor Jahren mal, ja, ja. Kaffee, Sir, guten Kaffee?«
»Geben Sie her, Williams. Diese verdammte Wüste trocknet einen aus, Hören Sie zu, was passiert ist. Vielleicht können Sie mir sagen, wo er geblieben sein könnte, schließlich kennen Sie die Wüste besser als ich oder irgendwer sonst. Es begann vor zwölf Tagen …« Er erzählte Gropie Williams alles, was geschehen war.
Der Alte hockte am Tisch und ließ ihn reden. Ab und zu schenkte er Kaffee nach, aber er schwieg, bis Cameron alles gesagt hatte. Dann sah er weg.
»Fließsand«, murmelte er plötzlich. »Der Fließsand, ja, ja, da kommt man hinauf und plötzlich ist man weg!«
»Was?«, keuchte Barry entsetzt. »Williams, Mensch, Sie wollen doch nicht sagen, er könnte im Fließsand versunken sein? Allmächtiger.«
»Wenn Sie alles abgesucht haben«, brummte der Alte. »Der Sturm dauerte einige Tage, erinnere mich, ja, ja. Verwundet war er auch? Schlecht, ganz schlecht. Kann nicht weit gekommen sein, zehn Meilen vielleicht. Wenn er nach Süden ging, da ist Fließsand.«
Barry war kreidebleich geworden und stützte den Kopf in die Hände. »Himmel, außer mir hat noch jemand nach ihm gesucht. Lieutenant Banks mit einer Patrouille in Richtung Westen und Süden. Hatte er eine Chance, den Sturm zu überleben?«
Gropie sah hinaus und schüttelte den Kopf.
»Keine?«, fragte Cameron halberstickt. »Keine Chance. Dann wird man nie erfahren, wer Seward erschoss. Mein Gott, Owen Margley sucht Steve, er war im Fort mit Jake, seinem jüngsten Sohn. Wenn ich ihn treffe und ihm das sagen muss. Gropie, es wäre fürchterlich, wenn auf Steve dieser Verdacht liegen bliebe. Wir haben fünfzehn Mann verdächtigt, aber keiner kann es gewesen sein, der Seward erschoss. Alle waren auf Posten, schliefen oder saßen in der Kantine. Jeder dieser fünfzehn Mann wurde von anderen gesehen, keiner war in der Nähe der Baracke, als der Schuss fiel. Wir verdächtigten auch den Wachhabenden, Corporal Dillon, aber den sahen vier Mann vor der Baracke, als der Schuss fiel. Großer Gott, was wird Owen Margley empfinden, wenn sich nie klären lässt, wer Seward erschoss?«
»Schlimm, sehr schlimm«, meckerte Gropie. »Und die Gefangenen – Sie sagten doch, drei Gefangene …«
»Die Gefangenen sind befreit worden. Jemand schlug den Posten vor dem Jail nieder und holte die Burschen heraus. Man hat sie nicht wieder gesehen. Es waren zwei Mexikaner dabei, die sicher längst in Mexiko sitzen, Gropie. Außerdem hat man sich in La Mesa nach Clane erkundigt – der hatte nie Besuch, er ritt aber oft weg. Keine Spur, wer der Kerl war, der Seward erschoss und die Gefangenen herausholte. Ich wette, das war der Mörder!«
»Ja, ja – und Seward?«
»Seward, der Captain?«, fragte Barry. »Der ist tot, Gropie. Geredet hat der nicht mehr.«
»Sollte er vielleicht nicht, he?«, kicherte der Alte. »Und wenn er nicht reden sollte, Sir, Mister Cameron? Margley floh auf Sewards Pferd. Warum war das Pferd denn an der Baracke? Wozu hat man ein Pferd da, wenn man nicht reiten will? Die Sewards taugen alle nichts.«
Carmeron trank gerade, jetzt verschluckte er sich vor Schreck und erstickte beinahe. »Seward«, keuchte er dann. »Mann, Williams, was sagen Sie da? Seward sollte – großer Gott, Mensch!«
Gropie kicherte schrill. »Ja, ja, so einfach könnte das sein.«