Sigrid-Maria Größing

Der goldene Apfel


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Kaiser wurden.

      Es waren grundlegende Neuerungen, die Karl in seinen Ländern, aber auch für das Reich anstrebte. Nicht durch Kriege wurde er als letzter großer spätmittelalterlicher Herrscher bekannt, sondern durch seine Gesetzeswerke und seine kulturellen Bestrebungen, die zu einem Ausgleich innerhalb der Völkerschaften in seinen Ländern führen sollten. Natürlich war die Kaiserkrönung in Rom im Jahre 1355 für ihn eine besondere Bestätigung, wobei er sich auf seinem Italienzug keineswegs in italienische Belange einmischte, wohl aber das Geld, das die Kommunen zu zahlen hatten, mit offenen Händen annahm. Genauso wie er sich nicht zierte, die Zahlungen, die die Juden leisten mussten, um unter kaiserlichem Schutz zu stehen, einzufordern. Denn in den Zeiten der Pest, die damals weite Teile Deutschlands entvölkerte, kam man auf die wahnwitzige Idee, dass die Juden die Brunnen vergiftet hätten, was eine Hatz auf diesen Teil der Bevölkerung auslöste. Karl stellte sich blind und taub und gebot dem wütenden Treiben keinen Einhalt. Er glaubte, auf die Loyalität der Städte wie Frankfurt und Nürnberg angewiesen zu sein, die unter seiner Regierung genauso wie die oberpfälzische Stadt Sulzbach besondere Bedeutung erlangten. Für viele Zeitgenossen wirkte der Kaiser wie ein biederer Kaufmann, der seine Hausmacht hütete und nicht wie der Nachfolger der von universalem Geist geprägten Herrscher, wie sein Großvater Heinrich VII. einer war. Und dennoch beschäftigte ihn die Rolle und Stellung des Kaisers von Grund auf. Obwohl er mit den Päpsten ein gutes Einvernehmen pflegte, wollte er den Einfluss des Papstes auf die Wahl des römisch-deutschen Königs abschaffen. Das wichtigste Reichsgesetz entstand unter seiner Ägide, die Goldene Bulle wurde im Jahre 1356 verabschiedet, deren Gesetze bis zum Jahre 1806 Gültigkeit hatten. Das Wahlverfahren sowie die Anzahl der Kurfürsten und deren Bedeutung war ein für alle Mal festgeschrieben worden.

      Der Kaiser war von Jugend auf ein frommer Mann, der vor allem für die slawische Kirche große Sympathien hegte und versuchte, in der Volkskirche die lateinische Sprache abzuschaffen. Das Volk sollte verstehen, worum es betete, was in Rom allerdings nicht goutiert wurde.

      Kulturell aufgeschlossen, war er auf seinen weiten Reisen nicht nur auf Italien konzentriert, auch die Balkanländer und die Gebiete an Nord- und Ostsee stießen auf sein Interesse, überall ging er mit offenen Augen durch die Welt und holte die bedeutendsten Männer seiner Zeit nach Prag, wo er den Grundstein für die »Goldene Stadt« legte. Die Baumeister Brüder Parler schufen in seinem Auftrag den Veitsdom und der berühmte Dichter Petrarca zählte zu den persönlichen Beratern und Freunden des Kaisers. Da Karl IV. schon in seinen Pariser Jahren die Wichtigkeit der universitären Bildung erkannt hatte, gründete er im Jahre 1348 die nach ihm benannte Karlsuniversität. Aus dem unbedeutenden Prag war unter dem Kaiser eine europäische Metropole geworden, wie die Inschrift am Altstädter Rathaus bezeugte: »Praga Caput Regni« – Prag – Hauptstadt des Reiches.

      Als der Kaiser am 29. November 1378 starb, dauerten die Beisetzungszeremonien Tage. Sein Tod war ein Fest für das Volk von Prag.

      Der »Nachgeborene« war ein Spielball der Mächtigen

      Von Anfang an lag viel Tragik über dem Leben des Ladislaus Postumus, der vier Monate nach dem Tod König Albrechts II. zur Welt kam.

      Sein dynamischer Vater, der große Pläne gehabt hatte, wäre sicherlich ein fähiger Herrscher gewesen, wäre er in Ungarn nicht plötzlich an der Ruhr erkrankt, die er nicht überleben sollte. Albrecht II. entstammte der »albertinischen Linie« der Habsburger und war mit einer äußerst umworbenen Frau verheiratet gewesen, mit Elisabeth, der Tochter des Kaisers Sigismund, der im Prozess um den abtrünnigen Reformator Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz einen sehr umstrittenen Eindruck hinterlassen hatte. Sigismund hatte vergeblich auf Söhne gehofft, sodass seine Tochter Elisabeth nicht nur Böhmen, sondern auch Ungarn als Heiratsgut mit in die Ehe brachte. Außerdem gelang es dem Kaiser durchzusetzen, dass man seinen Schwiegersohn Albrecht zum deutschen König wählte. Zunächst schienen keine gröberen Probleme für das junge Paar aufzutauchen, bis der Tod Albrechts alle Hoffnungen zunichtemachte. Zurück blieb in Ungarn die junge Witwe, die ihr zweites Kind erwartete und die sofort in die Mühlen der verschiedenen politischen Gruppierungen geriet. Aus diesem Hexenkessel sollte auch ihr Sohn Ladislaus, der am 22. Februar 1440 im ungarischen Komorn das Licht der Welt erblickte, in seinem kurzen Leben nicht mehr herauskommen.

      Ein Wettlauf um den Knaben begann, als das schreiende Baby auf dem Arm seiner Kinderfrau Helene Kottannerin im zarten Alter von zwölf Wochen in Stuhlweißenburg zum König von Ungarn gekrönt wurde. Es gab wenig Menschen um sie herum, auf die sich die verwitwete Königin verlassen konnte, die Kottannerin aber war ihr mit Leib und Leben ergeben. Denn die Ungarn hatten ziemlich schnell nach dem Ableben Albrechts II. einen Polen, Wladislaw III., zum König gewählt, der allerdings schon vier Jahre später in einer Schlacht gegen die Türken fallen sollte.

      Elisabeth und ihr kleiner Sohn waren gewarnt, niemand mehr schien nämlich ein besonderes Interesse an einer späteren Regentschaft ihres Sohnes zu haben, zu turbulent waren die Zeiten, die eines starken Herrschers bedurft hätten. Daher bestellte man in Ungarn einen siebenbürgischen Reichsverweser, während der spätere Kaiser Friedrich zum offiziellen Vormund von Ladislaus ernannt wurde, wobei es natürlich alles andere als sicher war, dass der Knabe dereinst die ungarische Krone tragen würde.

      Seine Mutter und deren Kammerfrau hatten allerdings vorgesorgt, dass die Krone nicht in die Hände irgendwelcher Glücksritter kam. Heimlich hatten die beiden Frauen den Plan geschmiedet, die in einem Schrein wohl verwahrte Krone des hl. Stephan bei Nacht und Nebel nach Wiener Neustadt zu bringen. Das war leichter gesagt als getan. Denn die Krone wurde streng bewacht, sodass es schwierig war, überhaupt an sie heranzukommen. Durch eine List gelang es der Kottannerin, die Krone an sich zu nehmen, die sie in ein großes Samtkissen wickelte und zusammen mit einem wertvollen Halsband und anderen Kleinodien der Königin auf einen Schlitten legte und unter Lebensgefahr aus der Burg schaffte. Dabei wurde das Kreuz, das die Krone zierte, leicht verbogen, was auch später nicht mehr zu reparieren war.

      So sehr sich Elisabeth bemühte, den kleinen Sohn in ihrer Nähe zu haben, konnte sie nicht verhindern, dass der Vormund das Kind unter Verschluss hielt, denn immerhin war der Königssohn ein wichtiges Pfand im Kampf um die Macht. Die Böhmen, deren Krone er auch dereinst tragen sollte, beobachteten äußerst misstrauisch, dass Ladislaus beinah wie ein Gefangener auf Schloß Orth erzogen wurde, sie forderten seine Überstellung nach Prag, wo man vorübergehend Georg von Podiebrad eingesetzt hatte, der die Regierungsgeschäfte führen sollte, bis Ladislaus in der Lage sein würde, den Thron zu besteigen.

      Was zuerst nur verbal begonnen hatte, eskalierte mit der Zeit mehr und mehr, denn auch die österreichischen Stände forderten Friedrich auf, sein Mündel frei zu geben. Aber undurchsichtig wie Friedrich ein Leben lang war, äußerte er sich kaum und ließ die Sache auf sich zukommen. Als er 1452 seinen Zug nach Rom unternahm, um sich zum Kaiser krönen zu lassen, nahm er den jungen Ladislaus sicherheitshalber mit, er musste während seiner Abwesenheit mit allem rechnen. Für den jungen Mann war die Romfahrt ein Erlebnis, denn Friedrich hatte ihm eine gute humanistische Ausbildung zuteilwerden lassen, der Knabe sprach außer Deutsch und Latein auch noch Ungarisch und Tschechisch und begeisterte sich für die klassische Antike. Seine Liebe zur Wissenschaft und zu den Büchern zeigte sich bei ihm deutlich, als er, kurz nachdem er für volljährig erklärt worden war, den Kaiser aufforderte, ihm die Bibliothek seines Vaters auszuhändigen, in der sich auch die wertvolle Wenzelsbibel befand. Ladislaus Postumus wäre mit Sicherheit ein gebildeter, kultivierter Herrscher geworden, hätte er nur die geringste Chance gehabt!

      Kaum war der Kaiser von den Krönungsfeierlichkeiten aus Rom zurückgekehrt, belagerten ihn die österreichischen Stände, die von Georg von Podiebrad und Johann Hunyadi unterstützt wurden, in seiner Burg in Wiener Neustadt so lange, bis er Ladislaus herausgab. Nachdem der junge Prinz im Triumphzug, den Ulrich von Cilli, ein Freund der Familie, anführte, nach Wien gebracht worden war, entschlossen sich die Böhmen, ihn 1453 in Olmütz zum König zu krönen.

      Die Lage für den Jüngling, der zwischen die Interessensfronten der Böhmen, Ungarn, der österreichischen Stände und des Kaisers geraten war, wurde immer undurchsichtiger und schwieriger. Denn die Türken hatten schon Jahrzehnte vorher Wien belagert und waren aus weiten Teilen Ungarns nicht