Georg Markus

Tausend Jahre Kaiserschmarrn


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Schulsystem.

      JOSEF: ich setzte die bildungspolitik meiner mutter fort, baute die von ihr eingeführte schulpflicht aus, ließ eltern, die ihre kinder statt zur schule in die arbeit schickten, bestrafen. begabten aus mittellosen familien wurde der zugang zu gymnasien und universitäten erleichtert.

      MARKUS: Unser Land zeichnet sich durch das Recht auf freie Religionsausübung aus.

      JOSEF: das hab ich 1781 durch das toleranzpatent ermöglicht.

      MARKUS: Abends geht man ins Burgtheater.

      JOSEF: wurde von mir 1776 gegründet.

      MARKUS: Unsere Regierung muß sparen.

      JOSEF: das problem kenne ich. daher ließ ich zahlreiche einrichtungen des vielvölkerstaates durch einen modernen, zentralverwalteten einheitsstaat ablösen, wodurch zehntausende beamte eingespart wurden. ich sperrte schönbrunn und einen teil der hofburg zu, entließ die dienerschaft meiner mutter, behielt von der einstigen hofküche nur eine köchin. und ich war der erste kaiser, der sich selbst rasierte.

      MARKUS: Alle Bürger können heute, wenn sie der Schuh drückt, beim österreichischen Bundespräsidenten vorsprechen.

      JOSEF: das konnten sie bei mir auch schon. ich duldete als erster regent sogar kritik an meiner person.

      MARKUS: Also, so weit sind wir noch nicht.

      Graugans Martina protestiert

       Konrad Lorenz muß den Nobelpreis teilen

      Professor Dr. Konrad Lorenz kehrte am 14. Oktober 1973 zurück in seinen kleinen Heimatort Altenberg an der Donau. König Carl Gustav von Schweden hatte ihm soeben in Stockholm den Nobelpreis für Medizin überreicht. Längst bekannt durch seinen Bestseller Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen, wurde der Wissenschafter nun auf seinem Landgut von eben diesen mit großem Jubel empfangen: vom Vieh, von den Vögeln und Fischen, die seit vielen Jahren in einer Art Wohngemeinschaft mit ihm und seiner Familie lebten.

      »Jetzt sind wir weltberühmt«, plapperte der Papagei zum Empfang.

      »Woher weißt du?« fragte der Verhaltensforscher.

      »Wir haben uns die Live-Übertragung im Fernsehen angeschaut. War sehr würdevoll«, erklärte die Dohle.

      »Allerdings bist du uns in deinem Trachtenjanker lieber als im Frack«, bemängelte der Halbaffe. Alle umarmten ihren Herrn und brachten ihm zu Ehren ein Ständchen dar. Als der letzte Ton verklungen war, bedankte sich Konrad Lorenz bei jedem seiner Mitbewohner.

      »Du mußt aber zugeben«, meinte der Gelbhauben-kakadu, »daß du ohne uns das Zeug gar nicht bekommen hättest.«

      »Welches Zeug?« sagte Lorenz. »Du weißt offenbar nicht, daß der Nobelpreis die höchste wissenschaftliche Auszeichnung ist, die weltweit vergeben wird.«

      »Also gut, wofür hast du ihn bekommen, den Nobelpreis?«

      »Dafür, daß ich in jahrzehntelanger Forschung nachweisen konnte, wie junge Vögel auf gewisse Grundreize reagieren.«

      »Das hab’ ich schon lange vor dir gewußt – als ich nämlich selbst ein junger Vogel war«, sagte der Rabe, »und ich habe dafür keinen Nobelpreis bekommen.«

      »Gibt’s Geld dafür?« fragte die Elster.

      »Du denkst immer ans Materielle«, beklagte sich der Professor.

      »Sag schon«, ließ sich die Elster nicht abwimmeln, »wieviel hast du gekriegt?«

      »Ja, also«, gestand Konrad Lorenz, »den Preisträgern wird ein kleiner Anerkennungsbetrag überwiesen …«

      »Wieviel?«

      »Wieviel? … – Zwei Millionen!«

      »Zwei Millionen Schilling«, pfiff Graugans Martina triumphierend durch ihren Schnabel, »die mußt du mit uns teilen! Ohne unsere Mitarbeit hättest du die bedeutsamen Erkenntnisse über unsere gewissen Grundreize nie gewonnen.«

      »Der Preis wurde ausschließlich mir zuerkannt«, stellte Konrad Lorenz klar.

      Papageien, Dohlen, Affen, Raben und Kakadu gingen, flogen, watschelten – je nach Möglichkeit – laut protestierend ab. Nur die Graugans blieb und setzte sich neben Dr. Lorenz auf die Veranda.

      »Ihr wißt genau, daß ich das Geld für meine wissenschaftliche Arbeit brauche«, sagte der Forscher. »In Wahrheit habe ich es längst für euch ausgegeben.«

      »Für uns? Zwei Millionen! Das muß du mir einmal vorrechnen«, zeigte sich Martina skeptisch.

      »Also, bitte. Erinnere dich nur an die Katastrophe, die unser Kapuzineräffchen Gloria angerichtet hat, als ich eines Abends nichtsahnend nach Hause kam …«

      »Welche Katastrophe?«

      »Gloria hatte während meiner Abwesenheit die schwere Nachttischlampe quer durchs Schlafzimmer geschleppt, dabei das Glas des Aquariumbeckens zertrümmert und so einen fatalen Kurzschluß ausgelöst. Abgesehen davon, daß das den Fischen gegenüber äußerst unkollegial war, sperrte Gloria daraufhin den Bücherschrank auf, entnahm ihm Strümpels Lehrbuch der Medizin Band 2 und 4, zerriß die wertvollen Bücher in tausend Fetzen und entsorgte sie in den traurigen Resten des Aquariums. Geistig wie körperlich war die geleistete Arbeit anerkennenswert. Aber für mich eben sehr teuer!«

      »Gut, wir ziehen den Schaden, den Gloria verursacht hat, von den zwei Millionen ab«, zeigte sich Martina, die Graugans, von ihrer größzügigen Seite. »Im Prinzip ändert der kleine Vorfall aber nichts an unseren berechtigten Forderungen. Wir verlangen den uns zustehenden Anteil am Nobelpreis für Medizin, zahlbar innerhalb von 30 Tagen, brutto für netto, auf das von uns errichtete Konto bei der Raiffeisenbank. Schließlich haben auch wir unsere wissenschaftliche Leistung erbracht.«

      »Wissenschaftliche Leistung?« Lorenz lachte laut auf.

      »Denk lieber an den Perserteppich.«

      »Welchen Perserteppich?«

      »Stell dich nicht so blöd. Den Perserteppich in meinem Arbeitszimmer, den du gemeinsam mit 23 deiner Artgenossen so vollgemacht hast, daß uns nichts anderes übrigblieb, als das sündteure Stück wegzuwerfen.«

      »Du hättest es ja versichern lassen können.«

      »Kannst du mir ein Institut nennen, das einen Haushalt versichert, in dem zweihundert wilde Tiere leben? Allein der Schaden, der durch den kaputten Teppich entstand, macht ein Zehntel der Nobelpreis-Summe aus.«

      »Und was ist mit dem Rest?«

      »Da war die Ratte, die aus unseren Bettüchern so lange den Stoff herausgebissen hat, bis sie genügend Material hatte, um damit ihr Nest tapezieren zu können. Ganz zu schweigen von dem Kakadu, der uns von der Wäsche, die zum Trocknen im Garten hing, regelmäßig die Knöpfe herunterbiß. Und – weißt du noch, wie du mit Kollegen in unseren gepflegten Beeten herumgetrampelt bist, bis sämtliche Blumen kaputt waren?«

      »Konrad, sei nicht so pingelig!« sagte die Graugans.

      »Pingelig?« Professor Lorenz drohte die Fassung zu verlieren. »Du hast ja keine Ahnung, wieviel Futter ihr in all den Jahrzehnten verfressen habt.«

      »Verfressen – wie du über deine kleinen Lieblinge sprichst!«

      »Außerdem muß man die für mich und meine Familie erschwerenden Lebensumstände in Rechnung stellen, die sich durch das Zusammenleben von Mensch und Wildgans ergeben.«

      »Wildgans ist ein Dichter«, sagte Martina und schüttelte den an ihrem langen Hals befindlichen Kopf. »Und so jemand kriegt den Nobelpreis.«

      »Laß die blöden Witze«, sagte Konrad Lorenz, »du weißt genau, daß ich mein ganzes Leben den Tieren gewidmet habe. Und, daß ich es immer abgelehnt habe, euch in Käfige zu sperren. Denn wer geistig regsame Wesen wirklich kennenlernen und erforschen will,