Georg Markus

Tausend Jahre Kaiserschmarrn


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womit – unter den Klängen der Kaiserhymne und dem Wort

      ENDE

      im Nachspann – das Finale geschafft ist.

      »Das ist das Ende?« fragte mich die Kaiserin, während wir uns von den Kinositzen erhoben.

      Auf dem Weg Richtung Kapuzinergruft forschte ich, wie ihr die beiden Filme gefallen hätten.

      »Es überrascht mich,« antwortete Elisabeth, »daß dieser Ernst Marischka gerade die wichtigsten Stationen meines Lebens einfach weggelassen hat.«

      »Welche Stationen?« stellte ich mich naiv.

      »Also, meine kleine Sophie, unser erstes Kind, das im Film des langen und breiten als entzückendes Mäderl gezeigt wird, ist im Alter von zwei Jahren gestorben. Davon erfährt man im Kino ebensowenig wie von der Tatsache, daß ich noch drei weitere Kinder hatte: Gisela, Marie Valerie und Rudolf wurden dem Publikum von Herrn Marischka glatt verschwiegen. Dadurch hat auch der schlimmste Schicksalsschlag meines Lebens gar nicht stattgefunden – Mayerling gibt’s nicht im Film.«

      Während wir die Opernkreuzung überquerten, fielen Elisabeth weitere filmische Unterlassungssünden ein. »Was ist mit meinem Lieblingscousin«, sagte sie, »dem König Ludwig von Bayern, der 1886 im Starnberger See ertrank? Und wieso wird meine Trauer um meine verstorbenen Schwestern Helene und Sophie nicht gezeigt? Auch die Hinrichtung meines Schwagers, Kaiser Maximilian von Mexiko, findet keine Erwähnung. Und, glauben Sie wirklich, daß die Damen Anna Nahowski – die meinem Mann immerhin zwei Kinder schenkte – und Katharina Schratt mit meiner Biographie rein gar nichts zu tun haben? Wieso ist von der nervösen Magersucht, die mich so viele Jahre plagte, keine Rede? Und von den ständigen Todesahnungen, die mich in den letzten Jahren befielen? Auch meine Ermordung in Genf hat laut Film nicht stattgefunden!«

      Da ich keinen ihrer Einwände seriös entkräften konnte, zuckte ich nur stumm mit den Schultern und hörte der kompetenten Filmkritikerin weiter zu: »Ich kann mir nicht helfen«, sagte sie, »diese Sissi-Filme haben mit mir sehr wenig zu tun. Ich war ganz anders.«

      »Gewiß, Majestät«, sagte ich jetzt, »aber die Filmleute müssen ans Geschäft denken und können auf unwichtige Kleinigkeiten wie Wahrheit und Ähnlichkeit keine Rücksicht nehmen.«

      Kaiserin Elisabeth hielt einen Augenblick inne, ehe sie zum Schluß kam: »Das bedeutet wohl, daß mich die Menschen in Ihrem Jahrhundert als zuckersüße, kleingewachsene, recht glückliche Kaiserin sehen, die keine Tragödien erlebte, so gut wie keine Eheprobleme hatte und nicht ermordet wurde!«

      »Majestät haben recht«, mußte ich zugeben. »Zumindest bis der nächste Sissi-Film gedreht wird.«

      Walther von der Vogelweide macht Karriere

       Aus den unveröffentlichten Memoiren eines Minnesängers

      Der prominenteste Austropop-Star des Mittelalters sitzt – in langem, fließendem Gewand und ledernen Schnabelschuhen an den Füßen – in den Zinnen einer Ritterburg. Er begleitet seinen Gesang mit der Leier.

      Ich heiße von der Vogelweide, Walther,

      Unbekannt blieb mein genaues Alter.

      Man weiß nur ganz ungefähr,

      Wo ging ich hin, wo kam ich her.

      Um 1170 ward’ ich geboren,

      Anno 1230 hat die Welt mich wieder verloren.

      Dazwischen sang ich von Rittern und von der Liebe,

      Ich besang ihre Kriege, ich besang ihre Triebe.

      Politische Kommentare hinterließ ich für Generationen,

      Selbst meine eigenen Herren wollt’ ich nicht schonen.

      So konnt’ meine Dichtkunst am Hofe zu Wien

      Bei den Babenbergern nicht lange erblüh’n.

      So manchem Fürsten dient’ ich als Sänger der Minne,

      Der Papst freilich dachte eher, ich spinne!

      Denn im Streit zwischen Kaiser und Heiligem Stuhl

      Dient’ ich eher dem Reich als dem römischen Pfuhl.

      Sie werden mich fragen, wie die Zeiten damals so waren,

      Na bitte, Sie sollen es hier gleich erfahren:

      In dem Jahr, als ich vermutlich geboren,

      Hat man St. Veit zur Hauptstadt von Kärnten erkoren.

      Österreichs Herzog hieß Jasomirgott, Heinrich,

      Wie er gestorben, das war eher peinlich:

      Im Krieg gegen Böhmen verließ ihn das Glücke –

      Als er stürzte vom Pferd auf einer sehr morschen Brücke

      In einer Gegend, wo die Donau sehr steil war,

      Brach er sich ein Bein (was damals unheilbar).

      Während ich auf Burgen gesungen, gedichtet,

      Wurde im Stil der Romanik sehr viel errichtet.

      Doch damit ich mich dabei nicht unnötig verzettel,

      Nenn’ ich nur wenige Bauten: den Dom zu Gurk, das Stift von Zwettl,

      Den Dom auch in Salzburg und den Verduner Altar (in Klosterneuburg, wie jedermann klar).

      Ich war schon zu Lebzeiten sehr populär,

      Fuhr im Wagen von Auftritt zu Auftritt umher,

      Meine Lyrik fand damals immense Verbreitung:

      Ich ersetzte – könnte man sagen – im Mittelalter die Kronen Zeitung.

      Meine Zeit, die war ganz besonders bestimmt

      Vom Heere der Kreuzritter, was viele ergrimmt.

      Sie zogen per Flotte ins Heilige Land

      Mit Kaiser Friedrich Barbarossa als Kommandant.

      Doch jener ertrank im Schatten edler Magnolien,

      Beim Baden im Flusse Saleph in West-Anatolien.

      Eine Todesart, schlimm und abscheulich –

      Und nicht nur für Rittersleut’ sehr unerfreulich.

      Nach drei Jahren Kreuzzug mit solchen Problemen

      Gelang es Österreich, die Stadt Akkon zu nehmen.

      Herzog Leopold hieß unser Held,

      Doch die Heldentat ward’ ihm gar schrecklich vergällt,

      Denn auf wen trifft er dort, an Jerusalems Pforten?

      Auf Richard Löwenherz mit seinen Kohorten!

      Der englische König ward’ sehr erbittert,

      Weil er es gewohnt’, daß man vor ihm zittert.

      Drum riß er die Fahne des Herzogs vom Schloß

      Und setzte sich wieder auf sein hohes Roß.

      Der Herzog, der kämpfte, so sagen’s Legenden,

      Um seine Flagge mit Füßen und Händen.

      Er wurde verwundet, er war zwar nicht tot,

      Doch ward’ seine Fahne durch’s Blut rot-weiß-rot.

      So schlimm hat man’s mit unsrem Herzog getrieben.

      Die Fahne jedoch ist bis heut’ so geblieben.

      Der Herzog hat Richard das niemals vergessen.

      Und kaum ein Jahr später ist der schon gesessen.

      Der Österreicher hielt ihn in Dürnstein gefangen,

      Wo