Mühsal ihres Lebens dar, die sie spätestens ab dem Tag ihrer offiziellen Verlobung mit Kaiser Franz Joseph begriff und die sie ab diesem Zeitpunkt auf ein Mindestmaß herabzusetzen suchte, wenn es ihr nicht sogar – in späteren Lebensjahren – gelang, ihr ganz zu entfliehen.
Über die historische Gestalt der Kaiserin ist in den beinahe hundert Jahren seit ihrem Tod viel geschrieben worden, dem in dem vorliegenden Band erstmals das »Nur-Private« hinzugefügt werden soll: das Verhalten Elisabeths innerhalb ihrer Familie, zu ihr nahestehenden Personen, Eigenheiten ihres Wesens, ihr persönlicher Tagesablauf und wenig oder kaum bekannte Ereignisse ihres Lebens, in denen sie den ihr typischen Charakter entfaltete. Viele ihrer Eigenwilligkeiten sind durch die Veröffentlichung ihres Tagebuchs in Gedichtform bekannt geworden, die meisten Eigenschaften waren seit der frühesten Jugend stark ausgeprägt.
Heute, wo man soviel über Elisabeth in Erfahrung gebracht hat, maßt man sich gern das Urteil an, daß eine Verbindung zwischen ihr und dem jungen österreichischen Kaiser nicht hätte zustande kommen dürfen und daß die ältere, für die Heirat mit Franz Joseph vorgesehene Schwester Elisabeths, Helene, die bessere Ehefrau abgegeben hätte. Und doch schien es 1853 – als die beiden jungen Menschen in Ischl aufeinandertrafen, die als Paar nicht füreinander bestimmt waren – eine glückliche Entscheidung gewesen zu sein. Die spontane Liebe des Kaisers zu seiner Cousine Elisabeth brachte das Rad der Geschichte auf dem ihm vorbestimmten Weg zum Rollen, und das Schicksal der nachmaligen Kaiserin nahm den bekannten, immer verhängnisvoller werdenden Verlauf.
Herzogin Elisabeth in Bayern, die von ihren Eltern und Geschwistern liebevoll Sisi genannt wurde, war am Weihnachtsabend des Jahres 1837 im elterlichen Palais in München zur Welt gekommen und hatte schon bei der Geburt zwei Zähne, was nach der Volksmeinung nichts anderes als großes Glück bedeuten konnte. Zudem war sie an einem Sonntag geboren, ein Umstand, der ebenfalls Gutes verhieß, und auf den die Kaiserin in späteren Lebensjahren in einem Gedicht zu sprechen kam:
»Ich bin ein Sonntagskind, ein Kind der Sonne;
Die goldnen Strahlen wand sie mir zum Throne,
Mit ihrem Glanze flocht sie meine Krone,
In ihrem Licht ist es, daß ich wohne,
Doch wenn sie mir je schwindet, muß ich sterben.«
Zu Zeiten der Verlobung des jungen Paares erinnerte man sich der verheißungsvollen Zeichen und deutete sie – was die Zukunft der beiden betraf – als glückbringend. Die Familien Habsburg und Wittelsbach freuten sich über die nahverwandtschaftliche Verbindung (Kaiser Franz Joseph und Elisabeth waren Cousins ersten Grades, beider Mütter waren Schwestern und entstammten dem königlichen Zweig der bayrischen Familie) innerhalb der beiden deutschen Fürstenhäuser, und die Untertanen freuten sich, daß ihr junger Herrscher die Bürden seines Amtes fortan nicht mehr allein zu tragen hätte. Die Kunde von der Hochzeit mit der »Bayrischen« (dem aus Bayern stammenden Mädchen) verwandelte der Volksmund alsbald in eine Verbindung mit einer »Bäurischen«, was den österreichischen Volksdichter Peter Rosegger zu einer eigenen Geschichte anregte:
»Als der Kaiser die Kaiserin nahm
In den fünfziger Jahren ging in meiner Waldheimat eines Tages das Gerede, unser junger Kaiser wolle heiraten, und zwar eine Bäurische!
Das brachte die sauberen Dirndeln der Gegend in nicht geringe Aufregung, und manch eines meinte: Wenn der Herr Kaiser schon eine Bäurische mag, so hätte er mal auch in unserer Pfarr herumsuchen können. In einem seidenen Kittel und mit dem guldenen Kampel im Haar täte unsereines auch wem gleichschauen.
Der Gemeinderichter hat den Irrtum aufgeklärt dahin, daß der hohe Herr eine bayrische Prinzessin nimmt und daß die Kaiserhochzeit auch in unserer Kirche gefeiert werden würde.
Da lebte in der Gegend ein armes Kleinhäuslerpaar, das gerne seine goldene Hochzeit gefeiert hätte, wenn es nur ein paar Groschen gehabt hätte. Der Pfarrer ordnete nun zu Ehren des kaiserlichen Brautpaares die goldene Hochzeit dieses Greisenpaares am Sankt Georgitag 1854 an. Die ganze Gemeinde beteiligte sich. Es war ein ergreifendes Fest, und die zwei Leutchen erhielten so viele Brautgeschenke, daß sie bis zu ihrem Lebensende sorgenlos leben konnten.« – Eine schönere Umsetzung des kaiserlichen Hochzeitstags wird nirgendwo im Reich stattgefunden haben, mutmaßt der steirische Dichter.
Nach ihrer Hochzeit nahmen Kaiser Franz Joseph und seine Gemahlin in Schloß Laxenburg bei Wien Quartier, das für die Flitterwöchner zwar neu hergerichtet worden war, für Elisabeth aber eine große Enttäuschung darstellte. »Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Lustschloß wirkte ebenso streng wie Schönbrunn, auch wenn es bedeutend kleiner war; wie so manche königliche Sommerresidenz machte es einen unbewohnten, trostlosen Eindruck. Fünfundzwanzig Kilometer von Wien entfernt … wies sein tausend Morgen großer Park eine Reihe phantastischer Gebilde auf, künstliche Seen und Imitationen mittelalterlicher Ruinen, gotische Brücken und Meiereien, die dazu bestimmt waren, gelangweilten, unglücklichen Kaiserinnen etwas Abwechslung zu bieten.« (Haslip, S. 85)
Tatsächlich begann sich die junge Kaiserin und Ehefrau schon bald zu langweilen, als ihr Gemahl wegen Erledigung dringender Staatsgeschäfte kurz nach der Hochzeit den täglichen Dienst in der Wiener Hofburg wieder aufnahm. Die knapp Siebzehnjährige fühlte sich unbeachtet, einsam und allein. Dem Alltagstrott entgegenzuwirken ersann sie ein sehr persönliches, auf sie aufgestimmtes Programm. Oftmals ließ sie den Kutschierwagen einspannen und bereiste ohne jegliches Begleitpersonal die Gegend rund um Schloß Laxenburg. Hier geriet sie das erste Mal mit den höfischen Sitten in Konflikt, da es einer Kaiserin von Österreich niemals gestattet sein konnte, alleine auszufahren oder auch nur im Park zu promenieren. Denn unabhängig von den protokollarischen Vorschriften stellte die alleine spazierende Frau ein ungeheures Sicherheitsrisiko dar.
Elisabeths Obersthofmeisterin Gräfin Marie Sophie Esterházy (eine geborene Prinzessin Liechtenstein, die seit 1835 verwitwet war) nahm als erste Anstoß an den etikettewidrigen Ausflügen. Sie meldete die Exkursionen ohne Begleitung spontan – und wahrscheinlich in bester Absicht – dem Kaiser, der für sie der fleischgewordene Begriff von Etikette, von Ehrgefühl, von Pflicht und von Ordnung war. Und obwohl er sich zeit seines Lebens allem höfischen Protokoll unterwarf und weiterhin zu unterwerfen gedachte und sich und seinen Untergebenen jede Selbstdisziplin abverlangte, gestand er der jungen Gemahlin die Freiheit zu, auch in Hinkunft für sich selbst zu entscheiden, und untersagte dem Hofstaat fürs erste, den geringsten Einfluß auf die Pläne seiner Frau zu nehmen.
In den Wintermonaten bezog das Kaiserpaar eigene Appartements in der Hofburg, und als Elisabeth zum ersten Mal ihre Räume betrat, ordnete sie als erstes an, daß man ein Bad für sie bereiten sollte. Sie staunte nicht schlecht, als man sie in eine mit Wasserdampf gefüllte Kammer führte, in der nichts anderes als ein ovales Badeschaff stand. Unter diesen Umständen verzichtete sie auf das Bad und nahm mit den für jedes Mitglied des Kaiserhauses vorgeschriebenen sieben Waschschüsseln vorlieb. Schließlich verfügte auch der Kaiser über kein eigenes modern eingerichtetes Badezimmer. Er wusch sich zunächst auch in einem Holzschaff – später in einer Gummibadewanne – und benutzte anstatt eines Wasserklosetts einen Leibstuhl. Diese wenigen Gegenstände stellten die kaiserliche sanitäre Gesamtausstattung dar. Es dauerte einige Jahre, bis anläßlich von Umbauarbeiten in Schloß Schönbrunn für die Kaiserin ein Badezimmer eingerichtet wurde, das mit etlichen Spiegeln an den Wänden, mit Fließwasser und anderen kleinen Annehmlichkeiten ausgestattet war. 1876 erhielt Elisabeth auch in der Hofburg ein eigenes Badezimmer, das in ihren Garderoberäumen, den sogenannten Bergl-Zimmern (nach dem Ausführenden der Wandmalereien Johann Bergl benannt) Platz fand. Es verfügte über eine große Badewanne aus verzinktem Kupferblech, über ein separates Wasserschaff aus Kupferblech und war mit Wandarmaturen bestückt. In einem Nebenraum wurden ein porzellanenes, zart bemaltes Wasserklosett und ein eigenes Waschbecken installiert. Schloß Laxenburg sollte noch im Jahr 1881, zur Zeit der Vermählung des Thronfolgerpaares, Kronprinz Rudolf und Prinzessin Stefanie von Belgien, über keinerlei ernstzunehmende sanitäre Einrichtungen verfügen: »Nirgends lagen … Teppiche, kein Toilettetisch, kein Badezimmer – nur ein Lavoir auf einem dreibeinigen Schemel.« (Haslip, S. 357)
Es sollte bis knapp vor die Jahrhundertwende dauern, bis