Klaus Stickelbroeck

Fesseltrick


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erstaunlich tiefer Stimme.

      »Gehört das in Rumänien zum IT-Studium dazu?«, fragte Hartmann interessiert.

      »Das hat mir eine der Damen aus dem Eros-Center in den Pausen beigebracht, wenn bei uns im Call-Center mal keine Web-Cam zu reparieren war. Kann nie schaden«, flüsterte sie.

      Hartmann wollte da aber auch mal gar nicht widersprechen. Seine Nackenmuskulatur machte mehr Lärm als der PC beim Umherschaufeln der neuen Programme.

      Alinas Finger strichen kreisend vom Nacken die Wirbelsäule runter. Ihre Finger fanden die richtigen Druckpunkte. Hartmann schloss die Augen und stöhnte, die Computerexpertin lächelte zufrieden. Die fabelhafte Jill Scott groovte eine brillante Version von Lovely Day. Großartig. Am liebsten hätte Hartmann mitgebrummt.

      Stattdessen hielt er die Luft an, denn Alinas Hände arbeiteten sich über seine Schulter auf die Vorderseite und strichen über seine rasierte Brust. Hartmann spürte Alinas spitze Brüste in seinem Rücken. Das war, äh, ein bisschen mehr als entspannend. Er sollte seinen Computer regelmäßiger warten lassen. Ja, sicher, die gewissenhafte Pflege der Hardware war so wichtig.

      »Hast du hier aufgeräumt?«, fragte Hartmann, um sich ein wenig abzulenken.

      »Du hast eine Stunde lang gepennt, der Computer war gefüttert, kein Ding.«

      Hartmann öffnete seine Augen und lugte zur Couch. »Im Sofa, äh, meinst du, ob der grünbraune Fleck noch rausgeht.«

      »Hm, kann sein. Aber das ist eine gute Gelegenheit, an einen neuen Bezug zu denken. Orange ist derart out.«

      Ach was, dachte Hartmann.

      Alina arbeitete sich Hartmanns Halsmuskulatur hoch. »Da hat übrigens jemand für dich angerufen.«

      »Och?«

      »Silke. Silke sagt dir was?«, fragte Alina.

      Hartmann meinte, ein zaghaftes Vibrato in ihrer Stimme zu erkennen. Ja, allerdings sagte ihm Silke etwas. Er hatte die hinreißende Silke mit dem großflächigen Schlangentattoo auf dem Rücken vor einiger Zeit bei seinen Ermittlungen kennengelernt. Sie waren sich in Krakes Aquarium alkoholtrunken näher gekommen als zulässig. Was jetzt an und für sich nichts Schlimmes war. Schlimm war nur die Tatsache, dass sie die Lebensgefährtin des Präsidenten der Black Mambas war. Der Chef des gemeinhin als sehr gewalttätig geltenden Motorradclubs, Matze Kusch, war sehr pingelig, was sein Eigentum anging. Das war somit also auch nicht nur schlimm gewesen, sondern eher tödlich. Silke hatte Matze irgendwie davon abbringen können, ihn, Hartmann, zu foltern und in Stücke zu reißen. Sie wird da ihre Einflussmöglichkeiten gehabt haben. Allerdings forderte sie von Hartmann als Gegenleistung für diesen Deal in regelmäßigen Abständen … Gegenleistungen. Hartmann war klar, dass das irgendwann schiefgehen würde.

      »Äh, ja, sagt mir was. Eine entfernte Bekannte. Von früher«, log er und lächelte.

      Sein Lächeln geriet zum Fehlschlag, er spürte, dass er errötete.

      Alinas Finger arbeiteten sich den Hals hoch. »Eine entfernte Bekannte? Soso, ich soll dir ausrichten, du sollst zum Ficken vorbeikommen.«

      Hartmann schluckte entsetzt. »Äh …«

      »So hat sie sich ausgedrückt«, summte Alina wie unschuldig. »Klartext, finde ich.«

      »Ach ja, die Silke …«, flötete Hartmann unruhig.

      »Ich soll ausrichten, dass Matze in der nächsten Woche auf einer Tagung in Portugal ist. Übernachtung mit Frühstück wäre angezeigt. Du sollst ausgeschlafen erscheinen.«

      Hartmann öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder und ließ es sein.

      »Danach haben wir uns noch ein bisschen unterhalten, eine interessante Frau.«

      Ja, wollte Hartmann zustimmen, aber Alina hatte den Druck auf die Muskelstränge am Hals verstärkt, was ihm kurzzeitig den Atem raubte.

      Jill Scott hatte ausgelovelydayed.

      »Und dann war merkwürdiger Besuch für dich da. Ein Kerl wollte dich sprechen. Verwegen. Bisschen kleiner als du, lange, graumelierte Haare, dickes Goldkettchen, mit schwarzer Lederweste, strange. Er hieß Heinz.«

      Huren-Heinz, kombinierte Hartmann, der Zuhälter. Massage her oder hin, sofort verkrampfte sein Körper. Was wollte Huren-Heinz denn hier? Der hatte ihn noch nie persönlich aufgesucht.

      »Der Mann hatte einen Krückstock bei sich, mit Totenkopfknauf aus Chrom, ein scharfes Teil.«

      »Jow, den kenne ich, den Kerl. Ist auch ein alter Kumpel von mir.«

      »Auch was Sexuelles?«, fragte Alina unschuldig, womit sie natürlich nicht weniger zum Ausdruck brachte als die Tatsache, dass sie mit dem Thema Silke noch nicht ganz fertig war.

      »Hm«, brummte Hartmann.

      Da es bei Huren-Heinz immer entweder um Frauen oder um Drogen ging, lag Alina mit ihrer Mutmaßung möglicherweise richtig. »Hat er gesagt, was er wollte?«

      »Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei einer Filmproduktion mitzuwirken. Ich hab mal vorsichtiges Interesse signalisiert.«

      Hartmann riss die Augen auf. »Alina, er produziert Pornofilme.«

      »Ja, ja, das ist mir klar. Er sah jetzt nicht aus wie intellektuelles Programmkino. Und außerdem hat er einen Job für dich. Er erwartet dich heute Abend um 22 Uhr, du wüsstest, wo du ihn dann antreffen kannst.«

      »Aha«, sagte Hartmann.

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      Huren-Heinz war Düsseldorfs zweitprominentester Zuhälter und – man mochte sagen – Hartmanns Kumpel. So etwas in der Art. Beide hätten es anders formuliert, aber im Grunde lief es darauf hinaus. Huren-Heinz hatte Hartmann mehrmals aus der Bredouille geboxt und Hartmann ihm einmal das Leben gerettet. Mit von seinen Pferdchen bei Rotlicht zusammengetrabtem Geld hatte Huren-Heinz aus einem heruntergekommenen Boxpalast in Oberbilk ein recht ansehnliches Fitness-Center zusammengeschraubt. Sein Gym lockte zwar nicht die Börsenmakler der Königsallee, hatte sich aber bei Sportlern, die nicht so ganz genau hinsahen und hinrochen, durchaus einen guten Ruf erarbeitet.

      Hartmann trat zügigen Schrittes ein. Aus den Boxen sägten fette Gitarren Powermetal. Es roch nach Schweiß, verlorenen Kämpfen und feuchtem Turnschuh. In einem abgewetzten Boxring in der Mitte des Raumes kloppten sich zwei junge Männer mit Migrationshintergrund wütend die Muttersprache aus den kantigen Schädeln.

      An der Gerätewand links ackerte eine absurd durchtrainierte Frau in greller Leggins unter den wohlwollenden Blicken ihres Personal Trainers. Nichts ist so ehrlich, wie eine Leggins, dachte Hartmann und nahm an, dass der Trainer jeden Morgen dem lieben Gott für dessen Job dankte.

      »Atmen! Atmen ist wichtig«, hielt der Coach seinen Schützling an.

      Ja, fand Hartmann, da hatte der Mann recht. Hartmann atmete auch regelmäßig, das hatte sich irgendwie bewährt.

      Mehrere Viereckige lungerten an den Langhanteln herum. Alle hatten unlängst ihre Zehnerkarte brav im Assitoaster heruntergesonnt und schimmerten im Licht der flackernden Deckenbeleuchtung ölig. Die Männer hatten Muskelpakete an Stellen, an denen hatte Hartmann nicht mal Stellen.

      Ein Bodybuilder mit glänzender Glatze im verschwitzten Tank-Top zwirbelte im Takt der Musik Kurzhanteln hoch und runter. Die Brustmuskulatur ließ dazu ein großflächiges Tattoo mit Lorbeerkranz und Datum tanzen.

      Angeber!

      Der Mann rechts am Empfangstresen trug einen Anzug von Armani, der so maßgeschneidert war, dass man es ihm nicht ansah. Das auf Taille geschnittene Hemd und die dazu passende Seidenkrawatte in spielerischen Grautönen waren zusammen vermutlich mehr wert als ein Fiat 500.

      Gianfranco entdeckte ihn und trat mit weit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. »Hartmann, mein Freund. Ich habe dich lange nicht gesehen.