Klaus Stickelbroeck

Fesseltrick


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      Ja, warum fragst du dann, dachte Hartmann. Gianfranco war nach internen, finalen Personalumstrukturierungen seit einigen Monaten die rechte Hand von Huren-Heinz. Gianfranco hatte das nach hinten fliehende Gesicht eines Windhundes – und einen ähnlichen Charakter. Hartmann mochte ihn nicht und fragte sich, warum der ansonsten so smarte Huren-Heinz bei der Auswahl seines Mitarbeiterstabes so ein unglückliches Händchen hatte.

      Gianfrancos Händchen wiederum tätschelte Hartmanns Schulter. »Gut siehst du aus, Hartmann. Du hast ein bisschen abgenommen.«

      »Ich jogge regelmäßig.«

      »Wie wäre es bei uns mit einem Schnupperkurs, mein Freund?«

      Hartmanns Nase zog sich entsetzt zusammen. »Danke, nettes Angebot«, haspelte er schnell. »Aber ich bin mehr der Draußen-Typ. Rennen, Fußball und so.«

      »Rennen, is klar. Wo du keinen Führerschein hast, kommt fahren ja auch nicht infrage«, lachte Gianfranco und spielte auf die doofe Tatsache an, dass Hartmanns Fleppe seit Längerem Urlaub in Flensburg machte.

      Hartmann lächelte gequält. Wieso wusste der Assi das überhaupt?

      »Ach komm, Hartmann, deine Muckis können ein bisschen Training gebrauchen.«

      »Da hat er recht. Und Sport ist gesund«, fügte Igor hinzu.

      Igor stand weiter links bei der Kasse. Der immer recht blasse Russe hatte mehrere Abschlüsse in Mathematik und im Kaufmännischen, sah allerdings aus, als ob er nicht bis drei zählen könnte. Er maß nur knappe 1,65 Meter, Haare sprossen bei ihm lediglich auf dem Rücken und sein Blick stürzte immer ins leicht Abwesende. So wie: Es brennt Licht, aber keiner ist zu Hause. Tatsächlich hatte Huren-Heinz ihn vor einem knappen halben Jahr eingestellt und hielt sehr viel von Igors Fähigkeiten, mit Zahlen geschickt und gewinnbringend jonglieren zu können. Man durfte nicht immer nur nach dem Äußeren gehen.

      »Noch mehr Muskeln wären Wettbewerbsverzerrung«, behauptete Hartmann.

      Gianfranco lachte und nickte mit dem Kopf hinter sich in die Richtung einer Tür. »Durch den Flur, letzte Tür links, mein Freund. Da, wo Coach draufsteht.«

      »Aha«, sagte Hartmann, der das Büro kannte, und stiefelte los.

      Mit einem matschigen Klatschen ging in diesem Moment einer der beiden Boxer wie mit der Axt gefällt zu Boden. So viel zum Thema Sport sei gesund.

      Hartmann spürte Gianfrancos Blick in seinem Rücken und öffnete und schloss die Tür zum Flur. Das Metallgewitter wurde zum bassigen Brummen. Der Flur war ebenso spartanisch beleuchtet, wie die Damen auf den Postern an den Wänden des Gangs bekleidet waren. Hier und da hingen Ankündigungsplakate, die auf meist martialische Sportevents legaler und illegaler Art hinwiesen. Die Männer auf den Plakaten blickten grimmig. Hartmann erreichte die besagte Tür und klopfte an.

      »Herein«, brüllte Huren-Heinz.

      Das tat Hartmann.

      »Tag, Hartmann!«, grüßte der Zuhälter, der hinter seinem Schreibtisch auf den Krückstock gestützt stand.

      »Guten Abend, Herr Hartmann«, grüßte ein zweiter Mann, der sich von einer Anrichte löste und Hartmann die Rechte entgegenstreckte. »Schön, dass Sie ein Treffen so kurzfristig einrichten konnten.«

      »Guten Abend«, grüßte Hartmann achtsam zurück. »Ich konnte an Terminen ein bisschen was verschieben, kein Thema.«

      Huren-Heinz schnalzte mit der Zunge. »Setzt euch. Ich geh was zu trinken holen, da könnt ihr euch bequatschen. Hartmann, Bacardi-Cola, wie immer?«

      »Ich trinke keinen Alkohol …«

      »Ist okay, ich sag, die sollen reichlich Eis reintun. Lutz, einen guten Whisky, was ganz Feines?«

      Lutz nickte und Huren-Heinz verließ den Raum.

      Hartmann nutze die nächsten fünf Sekunden, um ein paar Personalinfos von der Festplatte zu laden.

      Lutz Busse. Um die fünfzig, Immobilienmogul. Statur, Mimik und eine zurückgenommene Gestik hatten Hartmann immer an den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff erinnert. Busse hatte eine Baufirma und war dick im Geschäft. Altes kaufen, abreißen, neu bauen, so konnte man sein übersichtliches Geschäftsmodell beschreiben. Verheiratet mit einer etwas jüngeren Frau, Vorname Heike. Keine Kinder. Und das alles wusste Hartmann, weil Lutz Busse Vorstandsmitglied bei Fortuna Düsseldorf war. In Hartmanns aktiver Zeit bei der Fortuna waren die beiden sich häufiger über den Weg gelaufen, ohne sich näher kennengelernt zu haben. Busse hatte Distanz zu den Spielern gehalten, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden war. Hartmann hatte den sportlichen Baulöwen als nicht unsympathisch in Erinnerung.

      »Wir haben uns lange nicht gesehen«, begann Busse das Gespräch mit einer Feststellung.

      »Ich hab leider ziemlich kurzfristig mit dem Fußballspielen aufhören müssen«, erwiderte Hartmann und spürte, dass ihm dieser bittere Satz immer noch schwer über die Lippen kam.

      Busse nickte. »Ich kann Sie mir sehr gut in einer Funktion bei Fortuna vorstellen. Männer mit Fachverstand werden immer gebraucht. Sie sind nach wie vor sehr beliebt bei den Fans, da lässt sich sicher was machen.«

      Hartmann setzte sich in einen der Bürostühle. »Aber heute geht es um etwas ganz anderes, nehme ich an.«

      Busse lachte. Und sein Gesicht verfinsterte sich. »Sehr richtig. Heinz Blessing und ich sind alte Bekannte, fast gute Freunde. Ich brauche einen verlässlichen Mann, der sich um eine sehr persönliche Angelegenheit kümmert. Und der absolut vertrauenswürdig und verschwiegen sein muss.«

      Da Hartmann ahnte, dass dieses Anforderungsprofil auf ihn gepasst hatte, ließ er den Satz so stehen. Eine wertende Einleitung hätte defensiver ausfallen können.

      »Ich kann mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?«, fragte Busse dennoch.

      »Solange es keinen strafrechtlichen Überhang gibt, jederzeit.«

      »Den gibt es nicht. Wenigstens nicht von meiner Seite. Gut. Ich sag es, wie es ist. Ich werde erpresst.«

      »Oh«, sagte Hartmann.

      Lutz Busse hatte sich mit seinem Rücken wieder gegen die Kommode gelehnt. Er blickte ernst. »Meine Frau und ich pflegen ein recht abwechslungsreiches, offenes Liebesleben.«

      Das hört man gerne, dachte Hartmann.

      »Wir haben beide im Laufe der Zeit BDSM für uns entdeckt. Sie wissen, was das ist?«

      Dominanz, Unterwerfung, Lustschmerz und Fesselspiele, wusste Hartmann das Kürzel BDSM grob im Fetischbereich einzuordnen und nickte.

      Lutz Busse fuhr fort. »Insbesondere ich interessiere mich sehr für eine asiatische Spielart namens Shibari. Bei dieser japanischen Fesseltechnik spielt Ästhetik eine wichtige Rolle, es ist fast eine Kunstform. Es gibt Dutzende von Techniken, vom einfachen Knoten bis zur komplizierten Ganzkörperfesselung. Ich bevorzuge das sehr anspruchsvolle Suspension-Bondage, auch Hänge-Bondage genannt. Meine Frau und ich besuchen gelegentlich private Events, auf denen wir im kleinen Kreis auf niveauvolle Art und Weise unserer erotischen Neigung nachgehen können.«

      Auch von solchen Partys hatte Hartmann gehört, ohne jemals auf einer gewesen zu sein.

      »Die Gäste sind handverlesen.« Busse löste sich von der Kommode, trat an den Schreibtisch vor Hartmann und klappte einen Laptop auf, der dort stand. »Und trotzdem wurde mir vorgestern mit der Post ein Computer-Stick zugeschickt. Zunächst befindet sich auf diesem Stick lediglich ein Foto.« Busse drückte flink eine Tastenkombination, auf dem Bildschirm ploppte ein Foto auf.

      Hartmann erkannte eine mit dicken, grellroten Seilen vor der Brust gefesselte, nackte Frau mit langen, schwarzen Haaren. Die Seile schnitten ihr ins Fleisch. Gleich neben der Frau war Busse mit verschwitztem Gesicht zu erkennen. Der Immobilienbaron war ebenfalls nackt.

      »Aha«, sagte Hartmann, der allerdings schon deutlich spektakulärere Erpresserfotos gesehen hatte.

      »Dazu