Скачать книгу

Anfang unserer Beziehung wirkte Dana unheimlich süß. Sie war ein echt nettes Mädchen, und ich liebte sie sehr. Doch dann fing sie an, es zu übertreiben.

      Sie begann, superkurze Miniröcke zu tragen und sich Make-up ins Gesicht zu schmieren. Sie benahm sich einfach unmöglich.

      „Ach, Dana! So sollte man sich wirklich nicht aufführen! Wie konntest du so etwas tun?“

      Die Arbeiter schaufelten Erde und Kies auf den Sarg und füllten das Grab auf.

      „Das nächste Mal weiß ich es besser“, beschloss ich. „Das nächste Mal lasse ich die Finger von Mädchen wie Dana Potter.“

      Ich will nämlich nie mehr dabei zusehen müssen, wie meine Freundin stirbt.

      Wirklich nicht.

      1

      Crystal Thomas fuhr sorgfältig mit dem Lippenstift über ihre volle Unterlippe. Dann lächelte sie sich im Badezimmerspiegel an.

      Sie griff wieder nach ihrem schnurlosen Telefon. Das Gespräch dauerte schon über eine Stunde. „Okay, jetzt habe ich ihn drauf“, sagte sie zu ihrer besten Freundin Lynn Palmer.

      „Den Todeskuss?“, erkundigte sich Lynn.

      „Ja.“

      „Und? Wie wirkt er?“

      Crystal grinste zufrieden.

      „Super, was?“, fragte Lynn, als könnte sie Crystals Lächeln sehen. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass es eine heiße Farbe ist.“

      Die Mädchen kicherten.

      Gestern hatten die beiden Freundinnen je drei Lippenstifte im Einkaufszentrum erstanden. Lynn war fest davon überzeugt gewesen, dass der Todeskuss Crystal gut stehen würde. Sie hatte behauptet, der Farbton würde Crystals rotbraune Locken erst richtig zur Geltung bringen.

      Also hatte Crystal ihn ausprobiert. Und er gefiel ihr.

      Sie ging zurück in ihr Zimmer. „Hey, ist dir eigentlich klar, was morgen für ein Tag ist?“

      „Lass mich raten, vielleicht Montag?“, lachte Lynn ins Telefon.

      „Unser erster Tag in der Highschool“, antwortete Crystal und ließ sich auf ihr Bett fallen.

      Vielleicht war es kindisch, aber sie war unheimlich aufgeregt. Es würde ein wichtiges Jahr für sie werden, das spürte sie.

      „Ja, ich weiß. Junior High“, erwiderte Lynn missmutig.

      „Na, du klingst aber begeistert.“ Crystal schubste einen Stapel Zeitschriften auf den Boden, um sich auf dem Bett ausbreiten zu können.

      Lynn seufzte.

      „Was hast du?“, fragte Crystal.

      „Nichts.“

      „Lass den Quatsch!“, sagte Crystal.

      Sie kannte Lynns Launen – und Lynn kannte ihre. Die beiden Freundinnen konnten einander nichts vormachen.

      Sie waren seit der dritten Klasse befreundet. Seit dem Jahr, in dem Crystals Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Im selben Jahr war Crystals Mutter mit ihr und ihrer älteren Schwester Melinda nach Shadyside gezogen. Sie wohnten nun in einem kleinen Haus in der Fear Street.

      Am allerersten Tag in ihrer neuen Schule hatte Crystal einsam auf dem Spielplatz gestanden und sich sehnlichst gewünscht, mit jemandem quatschen zu können. Plötzlich hatte Lynn sie angerempelt. Sie war irgendeinem Jungen hinterhergerannt, wie Crystal sich noch erinnern konnte.

      „Manche Dinge ändern sich nie“, dachte sie nun.

      An jenem Tag waren sie gemeinsam im Krankenzimmer der Schulschwester gelandet, denn Crystal hatte von dem Zusammenstoß eine blutige Nase davongetragen und Lynn eine große Beule. Seitdem waren sie beste Freundinnen.

      „Komm schon, Lynn. Sag mir, was mit dir los ist“, drängte Crystal und hielt sich den Hörer ans andere Ohr.

      „Ach, ich glaube, ich werde niemals einen Typen treffen, der mich ernsthaft interessiert. Jemanden, mit dem ich wirklich zusammen sein will“, jammerte Lynn.

      „Das Gefühl kenne ich nur zu gut“, dachte Crystal betrübt. Auch sie wollte endlich einem Jungen begegnen, der was Besonderes war. „Dein Date mit Kyle gestern Abend war wohl nicht der Hit“, sagte sie.

      „Irgendwie stimmt die Chemie zwischen uns nicht“, versuchte Lynn zu erklären.

      „Aber er ist doch echt nett“, erwiderte Crystal.

      „Schon“, gab Lynn zu. „Aber er küsst bescheuert.“

      „Was? Komm, erzähl schon!“, drängte Crystal.

      „Ach, sein Mund fühlt sich an wie ein Waschlappen. Er sabbert beim Küssen!“

      Die Mädchen kreischten gleichzeitig los. Crystal wippte entsetzt mit den Füßen auf und ab. Igitt, wie eklig!

      „Und dann wäre da noch Jake“, fuhr Lynn fort. „Der ruft mich bestimmt hundert Mal am Tag an.“

      „Aber Jake ist doch total lieb!“, protestierte Crystal.

      „Ja, ich weiß“, erwiderte Lynn düster.

      „Ach, dir gefällt aber auch gar keiner, der dich mag“, sagte Crystal vorwurfsvoll.

      „Würdest du mit Jake ausgehen?“, fragte Lynn schrill zurück.

      Crystal überlegte. Sie war gern mit Jake zusammen, und sie mochte sogar seine doofen Witze. Doch, Jake war ein guter Kumpel. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, ihn als Freund zu haben. „Nein“, gab sie zu. „Ich glaube nicht.“

      „Jeder zweite gut aussehende Typ in Shadyside würde alles darum geben, mit mir auszugehen. Aber irgendwie öden sie mich alle an“, stöhnte Lynn.

      Crystal verdrehte die Augen. Lynn liebte es, zu jammern und gleichzeitig anzugeben. Jeder zweite gut aussehende Typ? Wohl kaum!

      „Du wirst dem Richtigen mit Sicherheit noch begegnen“, versprach Crystal ihr.

      „So wie du?“, spottete Lynn.

      Crystal richtete sich auf und wackelte mit den Zehen. „Tolle Farbe“, dachte sie und betrachtete den frisch aufgetragenen Nagellack. „In diesem Jahr werde ich meinem zukünftigen Freund begegnen“, verkündete sie.

      „An der Highschool von Shadyside? Na, viel Glück“, erwiderte Lynn ironisch.

      Die Zehennägel waren fertig. Jetzt waren die Fingernägel dran. Suchend sah Crystal sich im Zimmer nach ihrem Lieblingsnagellack um.

      Ihr Zimmer war wie gewöhnlich ein Schlachtfeld. Klamotten, Bücher, alte Puppen, die sie schon lange wegräumen wollte, Briefe, Zeitschriften und diverse andere Gegenstände häuften sich auf dem Boden, dem Bett, dem Stuhl und dem Schreibtisch.

      „Demnächst wird hier mal für Ordnung gesorgt“, versicherte sie sich. „Bald.“

      „Hey“, fragte Lynn, „hast du schon einen Blick auf deine neuen Nachbarn geworfen?“

      Crystal ging mit dem schnurlosen Telefon ans Fenster. „Nein. Bislang habe ich nur die Umzugsleute und massenweise Möbel gesehen. Den armen Jungs läuft der Schweiß herunter; sie müssen das ganze Zeug bei dieser Hitze ins Haus schleppen.“

      „Ist ein Süßer dabei?“, wollte Lynn wissen.

      „Warte mal“, entgegnete Crystal. „Da unten tut sich was.“

      „Sind es die Nachbarn?“

      „Ein neuer blauer Kombi“, berichtete Crystal. „Er parkt in der Einfahrt. Jetzt gehen die Türen auf … die Mutter steigt aus. Jetzt der Vater. Beide sind ziemlich groß. Sie sehen gut aus. Und ihr Sohn ist … ist …“

      „Los,