R.L. Stine

Fear Street 54 - Tödliche Liebschaften


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schwärmte Crystal.

      „Komm schon, ich will Einzelheiten hören“, drängte Lynn.

      Crystal beugte sich aus dem Fenster, um ihn besser sehen zu können. „Er ist ungefähr in unserem Alter. Groß. Sieht muskulös aus. Kurzes braunes Haar. Erinnert mich etwas an Keanu Reeves.“

      Sie beobachtete, wie der Junge lächelte und sich angeregt mit den Umzugsleuten unterhielt. Dann ging er über den Rasen und verschwand im Haus.

      „Die Show ist vorbei“, verkündete Crystal. „Er ist reingegangen. Aber er ist echt – wow!“

      „Okay“, meinte Lynn trocken, „du kannst jetzt mit dem Unsinn aufhören. Ich glaub dir kein Wort. Er ist zum Abgewöhnen, stimmt’s?“

      „Du wirst es nicht glauben“, flüsterte Crystal.

      „Warum flüsterst du eigentlich?“, erkundigte sich Lynn. „Er kann dich doch nicht hören. Es sei denn, er hat Röntgenohren.“

      „Du wirst es nicht glauben“, wiederholte Crystal aufgeregt. „Rate mal, welches Zimmer der Typ hat!“

      „Das gibt’s doch nicht!“, kreischte Lynn schrill.

      „Doch. Sein Zimmer liegt genau gegenüber von meinem!“ Crystal wich vom Fenster zurück und spähte verstohlen durch den Vorhang.

      Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren neuen Nachbarn ausspionierte. Aber sie konnte einfach nicht widerstehen.

      „Kannst du ihn immer noch sehen?“, fragte Lynn.

      „Mhm.“ Crystal beobachtete, wie der Junge einen Karton auf sein Bett hob. Sie konnte sehen, wie sich die Muskeln unter seinem Hemd anspannten.

      „Oh Gott, jetzt zieht er sein T-Shirt aus!“, stellte Crystal aufgeregt fest und ließ den Vorhang los.

      „Erzähl’s mir!“, forderte Lynn sie auf.

      „Nein, ich schaue nicht mehr hin“, protestierte Crystal. „Ich fühle mich schon wie ein Voyeur.“

      „Ach, komm. Das ist doch bloß sein T-Shirt“, sagte Lynn verdrossen.

      Crystal spähte wieder durch den Vorhang. Der Junge saß auf seinem Bett und holte Klamotten aus dem Karton heraus. „Er hat einen richtigen Waschbrettbauch“, berichtete sie. „Sicher macht der dauernd Fitnesstraining. Und – huch!“

      Plötzlich stand der Junge auf und ging ans Fenster.

      Er starrte hinaus.

      Hatte er sie etwa gesehen?

      2

      Hastig trat Crystal vom Fenster zurück und stolperte über die Zeitschriften auf dem Fußboden. Sie streckte die Arme aus, um sich abzufangen, und ließ dabei das Telefon fallen. Als sie es wieder aufhob, war die Verbindung unterbrochen.

      „Was ist passiert?“, kreischte Lynn, nachdem Crystal sie erneut angerufen hatte.

      „Tut mir Leid“, sagte Crystal und schloss die Augen. Ihr war ein bisschen mulmig zu Mute.

      „Was macht er jetzt?“, rief Lynn in den Hörer. „Sag schon, was macht er?“

      Crystals Gesicht brannte vor Scham. „Ich weiß nicht. Aber ich bin ziemlich sicher, dass er mich gesehen hat.“

      „Na und? Schau hin! Schau rüber!“

      „Warte.“ Crystal linste aus dem Fensterwinkel zum Nachbarhaus hinüber. Der Junge hatte das Rollo ganz heruntergelassen.

      „Er hat das Rollo runtergemacht“, stellte Crystal betrübt fest. „Das beweist es. Er hat mich gesehen.“

      „Na und?“

      „Na und?“, wiederholte Crystal aufgebracht. „Was soll ich jetzt sagen, wenn ich ihm begegne? ,Ach, hallo, ich bin Crystal – die, die du neulich dabei erwischt hast, als sie dich beobachtet hat!‘ Na toll, damit mache ich einen guten Eindruck bei ihm!“

      „Warum musste ich ihn bloß ausspionieren?“, dachte Crystal. „Ein Supertyp zieht gegenüber ein, und ich habe es vermasselt!“

      Lynn schnaubte verächtlich. „Wenn er wirklich so toll ist, muss er daran gewöhnt sein, dass die Mädchen ihn anstarren.“

      „Er ist wirklich so toll!“, erwiderte Crystal ernst.

      „Vielleicht ist er ja der Junge, dem ich dieses Jahr begegnen soll“, dachte sie. „Der Junge von nebenan.“

      Das Mädchen von nebenan. Für wen hielt es sich eigentlich? Einfach in mein Zimmer zu starren! Und dann das enge T-Shirt mit dem tiefen Ausschnitt und die Jeans! Und der Mund mit knallrotem Lippenstift angeschmiert!

      Ätzend.

      Ich beobachtete sie, während sie kichernd telefonierte. Ich musste zugeben, dass sie hübsch war. Sie hatte so hohe Wangenknochen wie ein Fotomodell. Und rotbraunes, lockiges Haar, das ihr auf die Schultern fiel.

      Sah aus, als wüsste sie genau, dass man ihr nicht widerstehen kann. Ganz schön eingebildet!

      Meine Familie war gerade aus Harris weggezogen. Weg aus der Stadt, in der Dana Potter gewohnt hatte. Und was geschah? Wir zogen in ein Haus, in dem gleich nebenan ein Mädchen wohnte, das ihr ganz ähnlich sah! Aber ich würde die Finger von der Rothaarigen lassen. Ich würde nicht zulassen, dass etwas Schreckliches passierte.

      Nein, auf gar keinen Fall!

      Was mit Dana geschehen war … war einmalig. Ein Unfall.

      Ich würde mich von dem Mädchen einfach fern halten. Und dieses Mal …

      Ich starrte auf meine Hände. Sie zitterten. Ich steckte sie rasch in meine Hosentaschen.

      „Dieses Mal werde ich mich vorbildlich benehmen“, sagte ich mir.

      Es würde keine Unfälle geben.

      Niemand müsste sterben.

      3

      „Das ist er!“

      Crystal zuckte voller Panik zusammen, als ein Klopfen an ihrer Haustür ertönte. Was sollte sie sagen? Wie sollte sie sich verhalten?

      „Was würde Lynn an meiner Stelle machen?“, fragte sie sich, während sie die Treppe hinunterrannte.

      Lynn würde mit ihrer verführerischen heiseren Stimme reden, die sie sich aus den Demi-Moore-Filmen abgeschaut hatte. Und sie würde sich ganz nah vor ihn stellen.

      „Aber ich bin nicht Lynn“, dachte Crystal. „Ich würde mir wie ein Idiot vorkommen.“

      Sie holte tief Luft und öffnete die Haustür.

      Auf der Veranda stand Lynn. Sie hatte sich sorgfältig zurechtgemacht und ihr blondes Haar in hunderten von winzigen Zöpfen geflochten.

      Sie schob sich die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und blinzelte Crystal über ihren Rand hinweg an. „Gefällt’s dir?“, fragte sie und schüttelte ihre Zopfmähne.

      „Super!“, bestätigte Crystal.

      „Warum wirkst du dann so enttäuscht?“

      „Ich hatte eigentlich gehofft, es sei jemand anders“, gab Crystal zu.

      „Ach so.“ Lynn nickte und warf einen Blick auf das Nachbarhaus. „Ich weiß, wen du meinst.“

      Crystal kicherte. „Komm rein.“

      „Mann, hast du ein Glück, so nahe neben ihm zu wohnen“, sagte Lynn.

      „Ja, klar.“ Crystal verdrehte die Augen und ging mit Lynn in die Küche. „Ich habe ihn erst fünfmal gesehen und vielleicht sechs Worte mit ihm gewechselt.“

      „Und das war ja wohl nicht gerade ein