Elfriede Hammerl

Das muss gesagt werden


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das so ausmalen: Woody Allen trifft ein junges Mädchen, findet es sexy, beginnt ein Verhältnis mit ihr, und dann stellt sich – na sowas aber auch – heraus, dass sie zufällig die Adoptivtochter seiner Frau ist! Überraschung!

      War es so? Keineswegs. Unabhängig davon, wer welche Papiere für wen unterschrieben hat, haben Woody Allen und Mia Farrow einstens als glückliche Familie mit einem Schüppel Adoptivkinder in den Medien posiert. Eines dieser Kinder war Soon-Yi, von der heute so getan wird, als habe Woody Allen rein gar nichts mit ihr zu tun gehabt, ehe er sie entdeckte und erweckte und was weiß ich noch alles, die Klischees, aus denen man in so einem Fall – dem Fall der sexuellen Initiation eines jungen Mädchens durch einen älteren Mann – wählen kann, sind ja zahlreich.

      Rein formal wurde das koreanische Straßenkind Soon-Yi achtjährig tatsächlich nicht von Allen adoptiert, sondern von Mia Farrow und ihrem damaligen Ehemann André Previn. Aber bereits zwei Jahre später war Allen der Mann an Farrows Seite und damit auch Soon-Yis Stiefvater. Soziale Vaterschaft heißt sowas. Woody Allen mag in dieser Rolle seine Defizite gehabt haben (eigennützig, unzuverlässig und unsensibel sei er als Elternteil gewesen, urteilte der Richter in dem Sorgerechtsprozess, den Allen um seinen leiblichen Sohn und zwei weitere Adoptivkinder führte), aber auch Vätern mit Mängeln wird von ihren (Stief-)Kindern zunächst Vertrauen entgegengebracht. Das liegt in der Natur der Kinder, sofern sie psychisch einigermaßen intakt und nicht bereits auf Misstrauen, Furcht und neurotische Distanz programmiert sind.

      Woody Allen hat dieses Vertrauen seiner (Stief-)Kinder seinerzeit mit Füßen getreten, als er eine – moralisch gesehen – inzestuöse Beziehung mit einem – oder besser einer – von ihnen begann. Sein leiblicher Sohn Satchel drückte das Presseberichten zufolge damals so aus: „Man schläft nicht mit der Schwester seines Sohnes.“ Das heißt, Allen hat nicht nur Soon-Yis Zutrauen missbraucht, indem er von der Rolle ihres Vaters zu der des Liebhabers wechselte (und niemand soll bitte sagen, dass eine Halbwüchsige sich autonom dafür entscheidet, vom Mann ihrer Mutter in die Sexualität eingeführt zu werden), er hat mit diesem Rollenwechsel auch ihre (Adoptiv-)Geschwister verstört, deren familiäre Wahrnehmung plötzlich nicht mehr stimmte.

      Schnee von gestern? Ja, der seinerzeitige Skandal, der Allen schon damals mindestens so viel Applaus wie Kritik einbrachte, ist lange her. Allen und Soon-Yi sind inzwischen seit mehreren Jahren verheiratet und haben ihrerseits zwei Kinder adoptiert. Geblieben ist jedoch der Hinweis: „… die Adoptivtochter seiner Ex“.

      Was steckt dahinter? Neid der Hinweisenden, weil es Woody Allen gelungen ist, die alternde Mutter rechtzeitig gegen die Tochter auszutauschen? Nie nachlassende Häme gegen Mia Farrow, deren plakatives Regenbogen-Familienkonzept durch Allen so grandios zum Scheitern gebracht wurde? Oder geht es nur darum, Allens Rechtschaffenheit zu betonen, die sich eben daraus ableitet, dass er juristisch gesehen nie der Adoptivvater seiner Ehefrau war?

      Wie gesagt: interessante Sprachregelung, weil sie wieder einmal zeigt, welche Rolle gesellschaftliches Ansehen spielt, wenn es um die Bewertung von grenzüberschreitendem (Sexual-)Verhalten geht. Woody Allen: reingewaschen von jeglichen Vorwürfen. Roman Polanski: nach allgemeinem Dafürhalten ein Opfer der kunstunverständigen Schweizer Justiz, die nicht begreift, dass man einen großen Regisseur nicht wegen etwas so Nebensächlichem wie der Vergewaltigung einer 13-Jährigen (noch dazu vor 30 Jahren!) festnehmen kann.

      Sexuelle Verfügungsgewalt über Abhängige gehört seit Langem zu den Boni, die einen gehobenen Status auszeichnen, die Varianten reichen vom ius primae noctis der feudalen Grundherren bis zur Besetzungscouch von Theaterdirektoren. Diese Verfügungsgewalt ist gesellschaftlich akzeptiert, teils stillschweigend, teils explizit, man denke beispielsweise an die lange Liste renommierter Persönlichkeiten, die voll tiefer Empörung gegen Polanskis Verhaftung protestierten.

      Auch die Fälle von sexueller Misshandlung durch katholische Geistliche haben, ebenso wie ihre jahrzehntelange Vertuschung, mit Machtmissbrauch und einem anmaßenden Selbstverständnis zu tun. Darüber wird endlich nicht mehr geschwiegen. Gut so. Dass diese Verfehlungen endlich öffentlich angeklagt werden, hängt allerdings nicht zuletzt mit dem Bedeutungsverlust der Institution Kirche in eben jenen Ländern zusammen, in denen das Schweigen aufbricht. Das gesellschaftliche Unrechtsbewusstsein bleibt dennoch reformbedürftig. Der vorauseilende Eifer, mit dem einschlägige Vergehen ausreichend bewunderter Promi-Figuren mit mehr oder weniger fadenscheinigen Entschuldigungen retuschiert werden, lässt für potenzielle Opfer solcher Männer nach wie vor Schlimmes befürchten.

      Juni

      7

      2010

      What’s New, Pussy?

      Verdienen Frauen, dass sie nix verdienen, weil sie so häufig Teilzeit arbeiten?

      Obwohl, die Gründe, die dafür ins Treffen geführt wurden – nicht vom Frauenbericht, sondern in diversen Kommentaren aus Medien und Politik –, sind auch nicht neu: Frauen arbeiten in großer Zahl Teilzeit. (Eh klar, sie müssen ja auch noch, siehe oben, Kinder, Haushalt und Altvordere schupfen.) Sie kaprizieren sich auf sogenannte Frauenberufe, die schlechter bezahlt werden als sogenannte Männerberufe. Statt gesellschaftlich wichtige Arbeit in technischen Branchen zu leisten, interessieren sie sich fürs unwichtige Soziale. Und sie sind Weicheier bei Gehaltsverhandlungen – geben sich viel zu früh zufrieden und neigen dazu, den Sinn einer Tätigkeit wichtiger zu nehmen als das, was sie einbringt. Ja dann. Und was weiter?

      Na, einfach weiter so, befanden manche (männliche) Auskenner. Weil jetzt haben wir die Bestätigung: Frauen wollen halt nur Teilzeitjobs. Frauen wollen sich mehr um Kinder und Haushalt kümmern als Männer. Frauen möchten, dass die Männer die Hauptverdiener bleiben. Ist doch wurscht, wer mehr verdient, am Ende kommt alles in einen Haushaltstopf, und beide nehmen sich heraus, was sie brauchen.

      Hat auf den ersten Blick was für sich. Vielleicht signalisiert es ja tatsächlich ein Beharren auf alten Rollenmustern, wenn der Anstieg der weiblichen Erwerbsquote vor allem auf einen Anstieg der Teilzeitjobs für Frauen zurückzuführen ist. Fragt sich nur, wer beharrt.

      Das alte Lied: Reißen Frauen Haushalt und Kinder genital programmiert an sich, oder machen sie, was gemacht werden muss, weil die Männer zu wenig machen?

      Irgendwie neige ich nach wie vor dazu, mir nicht vorstellen zu können, dass – noch dazu gut ausgebildete – Frauen lieber unbezahlt hinter Mann und Kindern herräumen, statt ihre Ausbildung in anständig entlohnten Jobs anwenden zu wollen. Und wenn man überdies in Betracht zieht, dass der gemeinsame Haushaltstopf im Fall einer Scheidung (für den statistisch inzwischen eine mehr als 30-prozentige Wahrscheinlichkeit spricht) ganz schnell in zwei sehr ungleiche Teile zerfallen kann, haut die Interpretation, das berufliche Fortkommen zugunsten häuslicher Dienstleistungen zurückzustellen entspreche einem urweiblichen Bedürfnis, nicht ganz hin.

      Jede vierte teilzeitbeschäftigte Frau sagt denn laut Frauenbericht auch, dass sie lieber Vollzeit arbeiten würde, jede zweite gibt als Grund für ihr berufliches Leisertreten Betreuungspflichten an. Was eben nicht bedeutet, dass es sich beim Spagat zwischen limitierter Berufstätigkeit und der Hauptverantwortung für Kinder (und möglicherweise Alte) um eine absolut frei gewählte Lebensform handelt.

      Bleiben die anderen Begründungen, die das Einkommensgefälle rechtfertigen sollen. Und die sind ja nun überhaupt, wie man früher so schön sagte, starker Tobak.

      Wieso werden Männerberufe