bewunderten und beneideten Potenzprotzes. „Obwohl schon ein reiferer Mann, zeigt Dominique Strauss, was er noch kahn“, reimte der ÖVP-Mandatar Wolfgang Großruck im österreichischen Parlament und erntete nicht nur Empörung, sondern auch Beifall. Hinterher entschuldigte er sich bei „allen, die sich betroffen fühlen“, als gehe es nicht um den Vorwurf sexualisierter Gewalt, sondern um die mehr oder weniger entwickelte Zimperlichkeit beim Ansprechen sexueller Leistungen. Ist also auch hierzulande nicht immer weit her mit dem Unrechtsbewusstsein.
Juni
6
2011
Jugend wünscht
Heile-Welt-Fantasien orientieren sich an gängigen Glücksverheißungen.
Heute stellen wir uns vor, wir sind fünfzehn. Ja, ich weiß, für viele von uns schwierig (für mich wahrscheinlich noch schwieriger als für Sie), aber trotzdem. Also. Fünfzehn. Oder siebzehn. Oder neunzehn.
Wir haben, stellen wir uns vor, im Großen und Ganzen eine vergnügliche Kindheit gehabt. Unsere Mama war viel daheim, als wir klein waren, das war uns recht, denn sie hat eine Menge mit uns unternommen und gut gekocht und so weiter.
Später hat sie dann angefangen, Teilzeit zu arbeiten, aber trotzdem ist sie bis heute für uns da, wenn wir was von ihr brauchen. Ob sie gern daheim war und wie das einmal mit ihrer Pension sein wird, das ist ehrlich gestanden nicht unser Problem. Und was wäre, wenn der Papa und sie geschieden würden, darüber mögen wir uns nicht den Kopf zerbrechen.
Oder: Falls unsere Eltern bereits geschieden sein sollten, fallen ihre eventuellen finanziellen Zukunftssorgen ebenfalls nicht in unsere Zuständigkeit.
Vielleicht kriegen wir dennoch mit, dass die Mama schwer über die Runden kommt mit ihrem Teilzeitgehalt, doch erstens ist das nicht unsere Schuld, und zweitens gibt es ja auch noch andere geschiedene Frauen als die Mama, zum Beispiel alle Promi-Tussen, die ihre Ex gnadenlos abzocken.
Kann man überall nachlesen. Scheidung lohnt sich, wenn man es richtig angeht, so viel ist klar, jedenfalls für Frauen. Und nachdem sich die männlichen Macher-Typen offensichtlich eine kostspielige Begleiterin nach der anderen leisten können, macht der Papa, wenn er wegen der Alimente jammern sollte, halt was falsch.
Nein, wir sind eh nicht so deppert, wie sich das jetzt anhört, aber wann, wenn nicht in unserem Alter, sollen wir davon ausgehen, dass wir – nicht böse sein, Eltern – einfach mehr zusammenbringen werden als die Alten, beziehungsweise dass wir schlicht und einfach imstande sein werden, unsere Träume zu realisieren?
Wir träumen von einer beglückenden Partnerschaft und Kindern. Das ist doch, verdammt noch einmal, nicht abartig. Wär ja seltsam, wenn wir uns ein Leben als eiskalte EinzelgängerInnen wünschten. (Unsere heile Fantasiefamilie fällt möglicherweise umso unrealistischer aus, je mehr wir in der Realität von problematischen Verhältnissen umgeben sind. Auch das ist keine ungewöhnliche Reaktion.)
Und heil definieren wir einerseits unter dem Einfluss der Bilder, die uns von allen Seiten als Heile-Welt-Darstellungen präsentiert werden, und andererseits auf der Basis unserer Erfahrungen, die uns meist mit traditionellen Organisationsformen von Familienarbeit konfrontiert haben.
Wir sind aufgewachsen mit (Halbtags-)Kindergärten ab drei Jahren, mit Halbtagsschulen und mit Müttern, die Teilzeit arbeiten, und uns ist daraus kein Leidensdruck erwachsen. Wir wissen nicht, wie es uns in einer Ganztagsschule gefallen hätte, und wir haben ständig zu hören bekommen, dass Kinderkrippen was Grauenhaftes sind. Ist es ein Wunder, dass wir unsere künftigen Kinder nicht in Krippen sehen, sondern ihnen das bieten wollen, was wir selber als einigermaßen angenehm kennengelernt haben?
Wir wissen oft wenig über die Arbeitswelt unserer Eltern, und unter Umständen auch nicht viel über Hausarbeit, wenn wir unsere heile Fantasiefamilie sehen, dann sehen wir Szenen aus dem Werbefernsehen, wo schön gestylte Mütter entspannt beisammensitzen und von hippem Nachwuchs gefeiert werden, weil sie Bonbons aus goldfarbenen Packungen schälen und als vitaminreiche Nahrung verteilen. Kein übles Los, oder? Und dann kommen die MeinungsforscherInnen daher und fragen uns: Wenn dein/e Partner/in so viel verdient, dass euer Lebensunterhalt gesichert ist, möchtest du dann Hausfrau/Hausmann sein? Und sobald wir zu 44 Prozent mit Ja antworten, schreiben die Medien, wie erstaunlich konservativ wir doch sind.
Und man fragt uns, wer Kinder bis drei betreuen sollte, und wir sagen, sie sollen zu Hause betreut werden, und man fragt uns, ob wir uns vorstellen könnten, Teilzeit zu arbeiten, und wir sagen zu 85 Prozent Ja, sofern wir weiblich sind, beziehungsweise zu zwei Dritteln, dass wir darüber noch nicht nachgedacht haben, sofern wir männlich sind – und wieder wundern sich alle über unser wenig progressives Weltbild.
Sehr witzig. Wieso sollen ausgerechnet wir fortschrittliche Fantasien entwickeln und originelle Rollenbilder implantieren wollen und uns neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenwirkens einfallen lassen, wenn uns die ganze Zeit suggeriert wird, unser künftiges Glück läge darin, dass wir als Vater-Mutter-Sohn-und-Tochter-Bande über blühende Wiesen tollen, gemeinsam Fertiggerichte in Pfannen schütteln und uns an staatlicher Förderung erfreuen, sofern wir ebendiesem Familienbild entsprechen?
So. Ende unseres mentalen Ausflugs. Wir sind wieder wir. Wundern wir uns immer noch über die Ergebnisse der Studie „Jugendmonitor“, die im Auftrag des Wirtschafts- und Familienministeriums erstellt und kürzlich veröffentlicht wurde?3
Familienminister Mitterlehner hat daraus übrigens bereits den Schluss gezogen, dass Teilzeitarbeit aufgewertet werden müsse. Was sonst. Und wie immer das konkret ausschauen soll.
36. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich, hg. vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Sektion Familie und Jugend, Abteilung II/5. Wien, 2011.
Oktober
10
2011
Madame DSK
Ein Versuch, die Treue zu fragwürdigen Ehemännern zu verstehen.
Dominique Strauss-Kahn bleibt bei seiner Verteidigungslinie. Nein, er hat keine Gewalt angewendet, weder Nafissatou Diallo noch Tristane Banon gegenüber. Wenn sie das Gegenteil sagen, lügen sie. Basta. War zu erwarten. Überrascht nicht. Ein Rätsel hingegen bleibt, sagen die Frauen, die ich kenne, warum seine Ehefrau zu ihm halte. Hat sie nicht die Schnauze voll? Warum nicht? Unsereine hätte DSK längst hochkant hinausgeschmissen! Na ja. Unsereine hat ihn ja auch nicht geheiratet. Unsereine ist nicht an ihn gewöhnt. Unsereine verbindet nichts mit ihm. Unsereine hätte so einen wie ihn überhaupt nie geheiratet! Na ja. Unsereine ist auch nicht Anne Sinclair. Und überhaupt, wer weiß. Irgendwas wird er schon gehabt haben, das zumindest Mme. Sinclair heftig angezogen hat, wer blickt schon hinter das Geheimnis der Anziehung.
Nein, keine Reinwaschung von DSK, um Gottes willen, der Mann hat einen zu miserablen Ruf für einen Sympathiebonus. Nein, auch keine Solidaritätsadresse an Frau DSK. Lediglich der Versuch zu verstehen, in Grenzen wenigstens.
Ich stelle mir vor, ich bin Anne Sinclair, eine Tochter der Jewish Upper Class, Millionenerbin, Absolventin einer Pariser Eliteuniversität, eine der angesehensten Journalistinnen Frankreichs, unabhängig durch Reichtum und beruflichen Erfolg, aber abhängig von den Bewertungskriterien meiner Gesellschaftsschicht, der ich seit 63 Jahren angehöre und die zu verlassen ich nicht die geringste Lust verspüre.
In meinen Kreisen hat man einen Ehemann vorzuweisen. In meinen Kreisen hat man nicht irgendeinen Ehemann, sondern einen, der sozialprestigemäßig punktet. Ich habe DSK geheiratet, einen Mann, dessen Initialen mittlerweile genügen, damit man weiß, wer gemeint ist, einen, der versprach, eine Art französischer JFK zu werden. Ich habe Anspruch auf einen besonderen Mann, sage ich mir, denn ich bin nicht irgendeine Frau. Ich bin an erfolgreiche Männer gewöhnt, an Machtmenschen, die siegen, unterwerfen und sich nehmen,