Steven C. Hayes

Sprache als psychotherapeutische Intervention


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der Patient um Hilfe bittet). Es ist allerdings oft schwierig oder auch unmöglich, Konsequenzen zu entfernen, die sofort greifen. Beispielsweise ist die Reduktion von Entzugssymptomen eine intrinsisch verstärkende Qualität des Substanzmissbrauchs. Es ist dann unmöglich, das Verhalten und seine Auswirkungen voneinander zu trennen.

      Sprache unterstützt Menschen dabei, Verhalten auf langfristige Konsequenzen auszurichten. Tatsächlich ist ein Großteil des Alltagsverhaltens durch Denken und Sprache symbolisch mit langfristigen Konsequenzen verbunden. Wenn morgens der Wecker klingelt, können Menschen durch Sprache mit wichtigen Konsequenzen in Kontakt treten. Möglicherweise denken sie: »Ich kann es kaum erwarten, meine Freunde zum Frühstück in der Stadt zu treffen«. Dabei stellt sich in der Vorstellung der Geruch des Kaffees, der Geschmack der frischen Croissants oder Freude auf den Gesichtern der Freunde ein. Diese Vorstellung (die Transformation von Funktionen aufgrund der Herstellung von Bezugsrahmen) steigert die Motivation aufzustehen.

      Augmenting etabliert neue Konsequenzen (gestaltendes Augmenting) oder verändert das Interesse an bestehenden Konsequenzen (motivierendes Augmenting). Augmenting funktioniert unter anderem, indem es mit Hilfe der Sprache weit entfernte Konsequenzen in die Gegenwart holt.

      Ein kurzer Ausflug in die Forschung zur Relational Frame Theory hilft dabei zu verstehen, was genau gemeint ist. Ju und Hayes haben im Jahre 2008 ein Experiment vorgestellt, das zeigt, wie Motivation durch relationales Lernen aufgebaut werden kann. Zunächst lernen die Probanden, dass ein angenehmes Bild auf dem Bildschirm erscheint, wenn sie die Leertaste drücken, sobald ein grünes Licht auf dem Bildschirm zu sehen ist. Anders ausgedrückt lernen sie, dass ein spezifischer Hinweisreiz die Verfügbarkeit eines bestimmten Verstärkers anzeigt. Etwas Ähnliches passiert, wenn Sie in ein Restaurant gehen und sich die Speisekarte anschauen. Wenn Ihr Lieblingsgericht auf der Speisekarte steht, wissen Sie, dass Sie es bestellen können. Wenn es nicht auf der Speisekarte steht, geht das wahrscheinlich nicht.

      Anschließend wird ein relationales Netzwerk (A = B = C) erstellt, um eine Äquivalenzbeziehung zwischen einem angenehmen Bild und zwei neuen Stimuli herzustellen, die vor dem Experiment keinerlei besondere Bedeutung hatten. Zum Beispiel wird eine Äquivalenzbeziehung zwischen dem Bild einer wunderschönen Landschaft, dem Symbol ◊ und den Buchstaben VUG hergestellt. Etwas Ähnliches passiert, wenn ein Kind, das Chips mag, lernt, dass sein Lieblingsessen mit dem Klang »Chips« in Verbindung steht, und dass es C-h-i-p-s geschrieben wird. Das tatsächliche Essen wird symbolisch äquivalent zu den anderen zwei Stimuli, obwohl deren Erscheinungsbild nicht besonders ähnlich ist. Im letzten Teil des Experiments lassen die Forscher das grüne Licht entweder alleine aufleuchten oder in Gegenwart der symbolischen Stimuli, die mit dem angenehmen Bild in Zusammenhang stehen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden sich eher dafür entscheiden, das Bild zu sehen, wenn das grüne Licht zusammen mit einem symbolischen Stimulus auf dem Bildschirm erscheint als dann, wenn es alleine zu sehen ist. Dies spricht dafür, dass das Vorhandensein des Verstärkers alleine nicht so motivierend ist, wie die Kombination mit weiteren symbolischen Stimuli. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit einem Freund in einem Restaurant. Während Sie sich fragen, was Sie bestellen sollen, sagt Ihr Freund: »Oh, die Lasagne, die ist hier besonders lecker!«. Dieser Ausruf würde die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Lasagne bestellen, erhöhen – und dieser Effekt würde auf Augmenting beruhen.

      Augmenting erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen handeln, um eine bestimmte Konsequenz zu erreichen. Der entscheidende Punkt an diesem Prozess ist, dass er ermöglicht, dass man durch sehr weit entfernte Konsequenzen beeinflusst wird. Jean-Louis Etienne, ein bekannter französischer Wissenschaftler und Forscher, duschte einst jeden Morgen kalt, um sich auf eine Expedition an den Nordpol vorzubereiten. Das war sicherlich keine angenehme Erfahrung. Der Gedanke, dadurch auf die Kälte vorbereitet zu sein, die ihn einige Monate später erwartete, gab ihm ausreichend Motivation, sich mit dieser unangenehmen Erfahrung auseinanderzusetzen. Augmenting bringt in der Zukunft liegende Konsequenzen in die Gegenwart. Das macht Sprache zu einem starken Verbündeten. Sie hilft dabei, Verhalten auf vorteilhafte Konsequenzen auszurichten, mit denen man sonst nicht in Kontakt kommen würde. Sie erlaubt sogar Kontakt mit Konsequenzen, die man niemals direkt erlebt. Wenn Eltern Geld sparen, das an ihre Kinder nach ihrem Tod vererbt wird, dann wissen sie, dass sie niemals die Konsequenzen ihres Verhaltens sehen werden. Der Gedanke: »Mit diesem Geld werden unsere Kinder ein sicheres Leben haben«, verleiht ihnen die Kraft, sich so zu verhalten. Gedanken wie: »Ich muss meine Angst loswerden um glücklich zu sein«, oder »Ich sollte Menschen nicht trauen, damit sie mich nicht verletzen können« kann Verhalten auf eine ähnliche Weise beeinflussen. In den meisten Abschiedsbriefen bei Suiziden wird davon gesprochen, dass der Tod den Schmerz auslöscht (z. B. »Ich werde nicht mehr leiden, wenn ich mich töte«). Dies trifft im wahrsten Sinne zu, aber es kostet das Leben. Niemand, der lebt, weiß, wie es ist zu sterben. Trotzdem verändern die symbolischen Beziehungen, die in dieser Aussage stecken, die Funktion des Sterbens, sodass es nun wünschenswerte Konsequenzen hat. Der Schmerz, der damit verbunden ist, sich selbst zu verletzen, wird durch die Hoffnung überlagert, Erlösung von Leiden zu erreichen. Selbst wenn Menschen glauben, Sprache zu ihrem Vorteil zu nutzen, sind die damit verbundenen Fallen nicht fern. Die einzige Möglichkeit, diese Fallen zu vermeiden ist, auf die unmittelbare Erfahrung zu achten und Sprache so einzusetzen, dass sie zu nachhaltiger Zufriedenheit führt.

      Augmenting ist der Schlüssel zu der menschlichen Fähigkeit, Werte zu erkennen und fortzuentwickeln, Probleme zu lösen, sich um die Zukunft Gedanken zu machen oder andere zu beschützen. Es kann allerdings auch zu einem problematischen Mangel an Sensitivität gegenüber der Umwelt führen. In der Evolutionsforschung gibt es ein Konzept, das dieses Phänomen erklärt. Ein Adaptive Peak ist das vorteilhafte Ergebnis eines Anpassungsprozesses. Er bietet aber keine Grundlage für eine künftige vorteilhafte Entwicklung. Im Bereich des Verhaltens kann beispielsweise ein Adaptive Peak dann entstehen, wenn Menschen nach kurzfristigem Nutzen streben und dabei langfristige Nachteile eingehen. Eine bestimmte kurzfristige Strategie ist in einem chaotischen Lebensumfeld, in dem Konsequenzen schwer vorherzusehen sind, möglicherweise erfolgreich, und zwar auch dann, wenn das aus der Strategie abgeleitete Verhalten anderen impulsiv oder unlogisch erscheint. Das Verhalten von Kindern in Familien, in denen sie missbraucht werden, ist ein Beispiel dafür. Sie reduzieren Verwundbarkeit durch Impulsivität. Das Problem entsteht, wenn die Umwelt sich verändert. Zum Beispiel dann, wenn das Kind erwachsen wird und prinzipiell in der Lage ist, seine Umwelt in seinem Sinne zu beeinflussen, gleichzeitig aber die früher adaptiven impulsiven Verhaltensmuster erhalten bleiben. Um voranzukommen, muss die Patientin nun neue Strategien erlernen, deren Nutzen sich aber häufig erst langfristig zeigt. Diese Form des Lernens ist schwierig: Sie setzt voraus, dass man den Adaptive Peak verlässt, und sich (der Metapher folgend) auf die Suche nach einem neuen Berg macht, den man besteigen kann.

      Augmenting kann diese Situation auf einer symbolischen Ebene entstehen lassen. Ein Mensch, der entschlossen ist, sich niemals mehr von anderen verletzen zu lassen, sich niemals unsicher zu fühlen, niemals Unrecht zu haben oder niemals einsam zu sein, kann, motiviert durch diese sprachlich formulierten Ziele, Handlungsmuster entwickeln, die einem Adaptive Peak entsprechen. Nehmen Sie an, der Konsum von Drogen nimmt einem Patienten das Gefühl der Unsicherheit, der sich symbolisch dazu entschieden hat, dieses Gefühl zu meiden. Dieses Verhalten »funktioniert«: Der Konsum führt dazu, dass er sich weniger unsicher fühlt. Aber es führt zu einem Adaptive Peak, der die Person einschränkt und isoliert. Symbolisch hergestellte Ziel-Mittel Beziehungen sind für dieses Problem besonders anfällig. Dies gilt besonders dann, wenn das resultierende Verhalten nicht an relevante Konsequenzen angepasst ist, also empirisch falsch ist. Eine junge Frau erbricht, um besonders schlank zu sein, weil dieser Zustand vermeintlich zu Anerkennung führt; ein Workaholic arbeitet ununterbrochen, weil finanzieller Erfolg vermeintlich zu Glück führt. Wenn diese Patienten ihre Ziele nicht erreichen, intensivieren