Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker Staffel 3 – Kriminalroman


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aus. Aus der Zigarrenspitze löste sich ein nadelförmiger, winziger Gegenstand und raste auf den überraschten Gangster zu. Einen Moment später bohrte sich der Miniatur-Pfeil in seine Wange und ließ ihn entsetzt aufschreien.

      Der Bursche ließ die Waffe fallen und griff sich an die schmerzende Stelle, die intensiv brannte und ihm das Gefühl vermittelte, an dieser Stelle ein Loch in der Wange zu haben.

      »Sie sollten sich tunlichst so wenig wie möglich bewegen«, empfahl Parker ihm, während er die Maschinenpistole an sich nahm. »Ansonsten dürfte sich das Gift nur allzuschnell in Ihrem Kreislauf verteilen und dort unter Umständen irreparable Schäden verursachen.«

      »Gift?!« jaulte der vor wenigen Augenblicken noch so selbstsichere Gangster. »So helfen Sie mir doch, Mann, ich will noch nicht sterben, bitte!«

      »Das wurde aber auch höchste Zeit, Mister Parker, ich dachte schon, Sie würden gar nichts unternehmen«, mischte sich Lady Agatha ein und musterte den leise wimmernden Gangster schadenfroh. »Lassen Sie dieses Subjekt noch ein Weilchen schmoren, das wird die Aussagebereitschaft nur fördern.«

      »Wie Mylady meinen«, antwortete der Butler in lakonischer Kürze.

      *

      »Den Namen habe ich schon mal gehört, Mister Parker, und ich weiß auch ganz genau, wo«, überlegte die Detektivin und musterte den Butler prüfend. »Wissen Sie es auch?«

      Agatha Simpson hatte vor wenigen Augenblicken ihr Verhör beendet, das dank des »vergifteten Pfeils« aus Parkers Zigarre zu einer gewissen Redseligkeit des betroffenen Gangsters geführt hatte. Dabei war ein Name gefallen, der kurz zuvor in Myladys Haus schon mal genannt worden war, und zwar von jenen Ganoven, die der resoluten Dame als »Apfelträger« bei ihren Schießübungen dienten.

      »Mylady sprechen von Mister Pat O’Hara?« erkundigte sich Parker höflich, der das erbarmungswürdige Namensgedächtnis seiner Herrin nur zu gut kannte und ihr in dieser Hinsicht immer wieder diskret weiterhalf.

      »Genau den meine ich, Mister Parker. Das ist doch dieser Lümmel, der mit dem Theater zu tun hat und jetzt versucht, die Robin Hood-Geschichte in die heutige Zeit umzusetzen, oder?«

      »In etwa, Mylady«, bestätigte Parker gemessen. »Allerdings meinen Mylady möglicherweise Mister Steve Maddock, der sich in der Tat im Zivilberuf als Theateragent versucht.«

      »So ist es, Mister Parker, Sie sagen es!« Agatha Simpson nickte ihrem Butler ausgesprochen wohlwollend zu. »Dieser Theatermensch ist also der große Drahtzieher im Hintergrund, Mister Parker«, überlegte sie weiter und runzelte mißbilligend die Stirn. »Sehr schade, daß die hübsche Geschichte zu kriminellen Zwecken mißbraucht wurde. Die Idee, ein paar Reiche auszurauben, finde ich an und für sich nicht schlecht. Bei mir ist ja leider überhaupt nichts zu holen, ich muß mit jedem Penny rechnen. Das ist allgemein bekannt.«

      »Mylady denken sicher auch daran, daß diese Idee von kriminellen Elementen übernommen wurde, um sich relativ gefahrlos und schnell zu bereichern. In diesem Zusammenhang fällt Mylady der Name des Mister O’Hara ein, der bereits zweimal als Anführer diverser Schlägertrupps, mit denen man Mylady aus dem Verkehr ziehen wollte, genannt wurde.«

      »Mich kann man nicht täuschen, Mister Parker, das wissen Sie«, schwenkte die Lady sofort ungeniert um. »Ich wußte von Anfang an, daß es nur dieser O’Sonstwie sein kann, der hinter all dem steckt, der Theateragent ist doch nur eine unwichtige Marionette, die zur Tarnung vorgeschickt wurde. Einer Lady Simpson kann man doch keinen Sand in die Augen streuen!«

      »Ein Manöver, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, Mylady«, gab Parker ihr recht. »Mylady lassen sich grundsätzlich zu keiner Zeit täuschen.«

      »Sie sagen es, Mister Parker!« Die ältere Dame, die im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum bequem zurückgelehnt saß, nickte zufrieden und schloß die Augen, um noch zu meditieren. Wenig später kündigten sonore Schnarchtöne allerdings davon, wie intensiv dieses Nachdenken vonstatten ging.

      *

      Die Vorzimmerdame in dem schäbig wirkenden Büro sah irritiert auf, als völlig unerwartet zwei Besucher auftauchten, die einen seltsamen Eindruck machten, obwohl sie schon viele merkwürdige Gestalten kennengelernt hatte.

      »Seid ihr etwa hinter ’nem Engagement her?« erkundigte sie sich gelangweilt, ohne die Lackierarbeiten an ihren Fingernägeln zu unterbrechen. »Kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß der Chef was für euch hat.«

      »Man ist an ganz bestimmten Rollen interessiert«, erläuterte Parker, ohne den kleinen Irrtum richtigzustellen, »Genauer gesagt geht es hier um die Verkörperung diverser Figuren aus der Bande eines gewissen Mister Robin Hood.«

      »Guter Gott, wollt ihr in so ’nem Stück etwa ’ne Rolle spielen? Als was denn?« Die Vorzimmerdame brach ihre Verschönerungsbemühungen ab und musterte die beiden Besucher mitleidig. »Warum geht ihr nicht nach Hause und verzehrt in Ruhe eure Rente? Die Schauspielerei ist nichts mehr für euch, ich meine es nur gut.«

      Lady Agatha räusperte sich lautstark und fixierte die ältliche Empfangsdame grimmig. Die wich unwillkürlich etwas zurück und rollte ihren Drehstuhl nach hinten, um mehr Distanz zwischen sich und der Detektivin zu schaffen. Sie spürte instinktiv, daß mit dieser Besucherin nicht gut Kirschen essen war und daß sie mit ihrer plump-vertraulichen Anrede einen Fehler gemacht hatte.

      »Melden Sie mich bei Ihrem Chef, und beeilen Sie sich, meine Zeit ist kostbar«, grollte die ältere Dame, während ihr perlenbestickter Pompadour mit dem darin befindlichen Hufeisen bereits in bedrohliche Schwingung geriet.

      »Also, ich weiß nicht, ich glaube...« Die Vorzimmerdame kam nicht mehr dazu zu sagen, was sie wußte oder glaubte. Agatha Simpson hatte ihren Handbeutel in Marsch gesetzt und ließ ihn mit Schwung auf die schmale Barriere fallen, die als Trennwand diente. Sie bestand nur aus sehr dünnem Sperrholz, das sich dieser Belastungsprobe nicht gewachsen zeigte.

      Das Holz splitterte und verwandelte sich in kleine Stücke und Späne. Einen Moment später stürzte die Barriere krachend zusammen und gab ihren Geist auf.

      »Ihr Mobiliar taugt nichts, meine Liebe, Sie sollten sich dringend neues anschaffen«, stellte Lady Agatha besorgt fest und hob mahnend den Zeigefinger, um ihre Meinung zu unterstreichen.

      »Ich ... ich werde es dem Chef sagen«, versprach die Eingeschüchterte und drückte sich scheu durch eine gepolsterte Tür.

      »Ich habe jetzt lange genug gewartet, Mister Parker«, erklärte die Detektivin und marschierte entschlossen zu der gepolsterten Tür. Parker stand bereits daneben und öffnete sie formvollendet.

      »Keine Zeit jetzt«, war eine verärgert klingende Männerstimme zu vernehmen. »Wirf die beiden komischen Figuren raus, ich will meine Ruhe haben.«

      »Sie haben die Ehre und das unbestreitbare Vergnügen, sich Lady Agatha Simpson gegenüberzusehen«, verkündete Parker, während er in Richtung Schreibtisch eine Verbeugung andeutete. »Mylady wird Ihnen jetzt einige Fragen stellen, die zu beantworten Sie sich bemühen sollten.«

      Der Mann hinter dem Schreibtisch erinnerte an einen ältlichen Raubvogel. Er hatte einen schmalen, kaum behaarten Schädel, aus dem die gewaltige Hakennase hervorstach. Auch die kleinen, fast schwarzen und tückisch blickenden Augen erinnerten an einen Vogel, der seine Besucher kopfschüttelnd musterte. Die Stimme war für einen Mann ungewöhnlich hoch und schrill.

      »Wie kommen Sie dazu, hier einfach reinzuschneien?« ereiferte er sich, während er aufsprang und um den Schreibtisch eilte.

      »Verlassen Sie sofort mein Büro, ich habe keine Zeit für Sie!«

      »Das war doch sicher eine Beleidigung, Mister Parker?« erkundigte sich die Lady hoffnungsvoll und nahm Maß.

      »Noch nicht ganz, Mylady, obwohl die Tendenz dorthin geht«, wiegelte Parker ab. »Sicher hat sich Mister Maddock im Übereifer im Ton vergriffen und bedauert dies bereits, zumal sich Mylady sehr für eine Robin Hood-Aufführung interessieren und diese gegebenenfalls finanziell zu unterstützen gedenken.«