Züge überzog. Er breitete weit die Arme aus und segelte, einem Geier ähnlicher denn je, auf die Lady zu in der unverkennbaren Absicht, sie an sich zu drücken.
»Ich muß doch sehr bitten!« Agatha Simpson brachte sich hastig hinter einem Glastisch in Sicherheit und entging so dem Gefühlsausbruch des Theatermannes. »Reißen Sie sich gefälligst zusammen«, fuhr sie fort und prüfte eine recht massiv wirkende Vase auf ihre Verwendungsfähigkeit als Schlaginstrument. »Sie werden mir jetzt meine Fragen beantworten. Ich dulde keine Ausflüchte, ist das klar?«
»Sonnenklar, Mylady. Ich werde jede einzelne Frage ausführlich beantworten«, strahlte der Agent und sah sie erwartungsvoll an.
»Sehr schön, dann können wir anfangen«, freute sich die Lady. »Warum haben Sie mir Ihre Schläger ins Haus geschickt, junger Mann?«
*
»Ich warte immer noch auf eine vernünftige Antwort«, grollte die ältere Dame nach einiger Zeit, während sie ungeduldig ihren Pompadour über den Arm hängte.
»Wirklich, Lady, ich hab’ Ihnen niemand geschickt, und schon gar nicht, um Ihnen etwas anzutun«, heulte der Agent und sah seine Sekretärin, die wie erstarrt an der Tür stand, hilfesuchend an.
Jetzt erwachte sie aus ihrer Trance und ging wütend auf die Detektivin zu. »Was soll das eigentlich, was bilden Sie sich ein? Lassen Sie ihn gefälligst in Ruhe, er hat Ihnen nichts getan.«
Sie hob die Hände und hatte offenbar die Absicht, der Lady ihre frischlackierten Fingernägel durchs Gesicht zu ziehen.
Agatha Simpson wandte sich ihr zu und musterte sie erstaunt. »Regen Sie sich nicht auf, Kindchen, ich stelle Ihrem Chef schließlich nur harmlose Fragen«, erklärte sie. »Wenn Sie wollen, dürfen Sie an seiner Stelle sogar antworten.«
»Hier gibt es nichts zu antworten. Verschwinden Sie, oder ich rufe die Polizei!« kreischte die couragierte Vorzimmerdame und sah sich nach einem Gegenstand um, den sie als Wurfgeschoß verwenden konnte.
»Was würden Sie der Polizei mitteilen wollen?« erkundigte sich der Butler gemessen, um die Situation etwas zu entschärfen. »Sie dürften sich bei dieser Gelegenheit nur selbst in durchaus vermeidbare Schwierigkeiten bringen.«
»Hausfriedensbruch«, fauchte die nach wie vor aufgebrachte Dame. »Außerdem hat man den Chef körperlich bedroht, das kann ich bezeugen.«
»Mäßigen Sie sich, Kindchen, eine Lady Simpson läßt so nicht mit sich reden.«
»Laß das, Stella, es hat keinen Sinn, früher oder später mußte es so kommen, und ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist.«
»Sie wollen das ablegen, was man gemeinhin ein Geständnis nennt, Sir?« fragte Parker höflich zurück.
»Sie geben also doch zu, mir Ihre Schläger geschickt zu haben, damit die mich umbringen?« hakte die Lady nach. Aus ihrer Stimme klang deutlich die Enttäuschung über die Gesprächsbereitschaft des Agenten, die so gar keine Möglichkeit bot, Myladys spezieller Verhörtechnik Geltung zu verschaffen.
»Gar nichts wird er sagen!« dröhnte in diesem Augenblick eine triumphierende Stimme von der Tür her...
*
»Sie haben nicht aufgepaßt, Mister Parker, Sie hätten merken müssen, daß da noch andere Ganoven im Hinterhalt lauern«, monierte die Lady, während sie die Männer in der Tür unerschrocken musterte. »Irgendwoher kenne ich diese Subjekte«, fuhr sie munter fort und nahm ihre Lorgnette aus dem Handbeutel, um bessere Sicht zu haben. »Ich bin gespannt, Mister Parker, ob Ihnen einfällt, woher.«
»Die Herren hatten die Ehre, Mylady bei ihrem berühmten Apfelschuß assistieren zu dürfen«, erinnerte sich Parker umgehend, »das heißt, zwei der Herren durften sogar jeweils eine Nuß als Zielobjekt tragen, wenngleich sie sich der eigentlichen Schießübung entzogen, indem sie in Ohnmacht fielen.«
»Richtig, Mister Parker, und wenn Sie nicht so nachgiebig gewesen wären und die Strolche einfach in die Freiheit entlassen hätten, könnten sie mich jetzt nicht schon wieder belästigen«, stellte die Lady verärgert fest. »Sie sind einfach zu weichherzig.«
»Meine bescheidene Wenigkeit wollte Mylady die sicher nicht unbeträchtlichen Kosten ersparen, die durch einen längeren Aufenthalt der Herren in Myladys Haus entstanden wären.«
»Nun ja, Mister Parker, das ist natürlich ein Aspekt, der zählt«, räumte sie nachdenklich ein. »Ich denke, in diesem Fall kann ich noch mal verzeihen.«
»Mylady sind einfach zu gütig«, bedankte sich Parker, während er eine leichte Verbeugung andeutete.
»Sagt mal, habt ihr beide eigentlich ’n Knall oder was?« bellte einer der Männer von der Tür her. Es handelte sich um Mr. Robin Hood II., der einen Tag zuvor mit zwei weiteren Ganoven versucht hatte, die erste Robin Hood-Mannschaft beim Verlassen von Myladys Haus umzubringen. Jetzt hielt er eine Maschinenpistole in der Hand, deren Mündung drohend auf Lady Agatha und den Butler gerichtet war.
»Diesmal machen wir euch fertig«, kündigte Brother Tuck II. an, der noch sein schmähliches Abenteuer im Keller in Erinnerung hatte, als er eine Nuß auf dem Kopf balancieren sollte, die ihm Mylady herunterschießen wollte. Er wußte natürlich nicht, daß die Lady nie und nimmer geschossen hätte und das Ganze nichts als eine geschickte Inszenierung der Detektivin und des Butlers gewesen war, um sie »weichzukochen«.
Auch Brother Tuck II. trug eine gefährlich aus sehende Waffe in den Fäusten, die fast noch bedrohlicher wirkte als die Maschinenpistole seines »Kollegen«. Es handelte sich dabei um eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf.
Auch der Zerlumpte war wieder dabei. Er begnügte sich mit einer einfachen Pistole, die er in der herunterbaumelnden Hand hielt, während er grinsend die Szene beobachtete.
»Tja, jetzt sind wir aber endgültig am Drücker«, freute sich Robin Hood II. »Jetzt ist Schluß mit euren faulen Tricks, das war der letzte Fall, jede Wette drauf.«
»Sie haben die Absicht, uns in das vielzitierte Jenseits zu befördern?« erkundigte sich Parker gemessen, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wie war das?« Brother Tuck II. blinzelte verwirrt und dachte angestrengt über den Sinn von Parkers Äußerung nach.
»Man erkundigte sich in aller Form, ob Sie die Absicht hegen, uns umzubringen«, wiederholte Parker seine Frage allgemeinverständlich, während er höflich die Melone lüftete.
»Na, und ob«, freute sich der Zerlumpte. »Diese beiden Schießbudenfiguren werden wir gleich mit erledigen, das geht in einem Aufwasch.«
»So mußte es ja kommen«, murmelte der Theateragent und schluchzte leise. »Hätte ich mich nur nie mit diesen Strolchen eingelassen.«
»Zu spät, mein Lieber, aber tröste dich, du hast’s ja bald überstanden«, bemerkte Robin Hood II. zynisch, während er die Maschinenpistole hob. »Gleich ist’s vorbei, und du merkst nichts mehr.«
»Sie wollen uns hier erschießen?« rügte Parker und runzelte andeutungsweise die Brauen. »Man dürfte die Schüsse im ganzen Haus hören, Sir, es ist noch Geschäftszeit, und im Gebäude sind eine Reihe von Büros mit den dazugehörigen Mitarbeitern untergebracht.«
»Verdammt, du hast recht«, überlegte der Gangster und senkte die Waffe. »Wer weiß, ob nicht irgend’n verhinderter Held versuchen würde, uns aufzuhalten, wenn wir abhauen wollen, oder ob nicht so’n verängstigter Trottel gleich die Bullen anruft.«
»Nach meinem bescheidenen Kenntnisstand pflegt man in solchen Fällen die Opfer in eine verlassene Gegend zu expedieren, wo man sie dann vom Leben zum Tod befördert«, erklärte Parker. »Die ehemaligen Überseedocks bieten sich da zum Beispiel an, wie man immer wieder der sogenannten Regenbogenpresse entnehmen kann.«
»Der Kerl will uns wieder reinlegen, George«, warnte der Zerlumpte, »sonst würde er keine Tips geben, wo wir ihn und die komische Alte am besten umlegen können.«
George – Robin Hood II. –