sie dem entnervten O’Hara mehr oder weniger deutlich, daß seine Tage in der Organisation gezählt wären und er gut daran täte, möglichst umgehend in ein weit entferntes Land zu verziehen.
Vom Parkplatz erscholl plötzlich wüstes Geschrei, einen Moment später waren die ersten Gäste wieder zurück.
»Kommen Sie sofort, Sie Versager!« brüllte einer der Oberbosse aufgebracht.
In böser Vorahnung begab sich der Hausherr nach draußen. Ein flüchtiger Blick genügte ihm, um ihn endgültig weich in den Knien werden zu lassen.
Am Rande des Parkplatzes lagen in langer Reihe nebeneinander die Chauffeure der diversen Luxuskarossen. Die Leute waren mit Handschellen aneinander gefesselt und scharchten mehrstimmig.
Aber das war es nicht allein, was erneut den Zorn der ohnehin schon sehr erregten Gäste verursacht hatte. Ihre teuren Fahrzeuge präsentierten sich in einem alles andere als fahrbereiten Zustand.
Die Wagen waren samt und sonders auf Backsteine gesetzt und ihrer Räder beraubt worden. Diese befanden sich etwas weiter entfernt auf einer nahen Wiese, die von einer Pannenleuchte notdürftig erhellt wurde.
Auf der Spitze eines Stapels an Rädern stand eine Schaufensterpuppe, die von der Aufmachung her an einen gewissen Robin Hood erinnerte. In der Faust hielt sie eine Emily, die sagenumwobene Kühlerfigur, die jeden Rolls-Royce ziert. Diese Kühlerfigur vermißte der Vorsitzende der Mafia-Gruppe, der das Entfernen der Emily von seinem Wagen als ausgesprochenes Sakrileg empfand und dies dem Gastgeber in deutlichen Worten mitteilte.
Pat O’Hara drehte sich langsam um und ging resigniert in seine Villa zurück. Er hatte die Absicht, einige Koffer mit dem Notwendigsten zu packen und dann England zu verlassen, um in einem anderen Teil der Welt, in dem man ihn nicht kannte und der von der Mafia bislang verschont geblieben war, ein neues Leben anzufangen, bevor man ihn hier endgültig aus dem Verkehr zog.
Zuvor jedoch, das schwor er sich, würde er diejenigen, die ihm diese Niederlage eingebrockt hatten, jagen und zur Strecke bringen ...
*
»Ich komme wirklich ganz zufällig vorbei«, schickte der Chief-Superintendent voraus, »und gefrühstückt habe ich auch schon, Mylady.« McWarden schob sich an Parker vorbei in die große Wohnhalle des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market und nickte der Hausherrin, die gerade beim Frühstück saß, freundlich lächelnd zu.
»Das ist ja ganz was Neues«, wunderte sie sich und sah ihn mißtrauisch an. »Hat das vielleicht etwas zu bedeuten?«
»Keinesfalls, Mylady. Ich war wirklich ganz zufällig in der Nähe und Wollte Ihnen bei dieser Gelegenheit einen guten Tag wünschen und Ihnen vielleicht eine nette kleine Geschichte erzählen.«
»Wenn es Sie befriedigt, erzählen Sie schon, ich höre Ihnen ausnahmsweise zu.«
»Darf man Ihnen etwas Tee und einen Sherry anbieten, Sir?« erkundigte sich Parker höflich, während er bereits das Angebotene vor dem Yard-Beamten abstellte. »Sie haben einen bestimmten Grund, Mylady eine bestimmte Begebenheit erzählen zu wollen?«
»Ich bin nicht sicher, Mister Parker, aber Mylady wird bestimmt ihren Gefallen an meiner kleinen Anekdote finden«, begann McWarden launig, während er den Sherry genoß, was die ältere Dame stirnrunzelnd zur Kenntnis nahm.
»Ich habe heute morgen zufällig den Bericht von Kollegen gelesen, die in Belgravia ihr Revier haben«, begann der Chief-Superintendent und lächelte versonnen. »Es scheint da letzte Nacht zu einem Zwischenfall gekommen zu sein.«
»Werden Sie endlich deutlicher, mein Lieber, oder ist das ein neues Ratespiel?« grollte Lady Agatha und musterte McWarden pikiert.
»In der fraglichen Straße, in der sich dieser Zwischenfall abgespielt haben muß, hat ein gewisser Pat O’Hara seine Villa«, fuhr der Chief-Superintendent fort. »Kennen Sie ihn zufällig, Mylady?«
»Nun ja, irgendwie kommt mir dieser Name tatsächlich bekannt vor«, überlegte sie und sah Parker hilfesuchend an. »Ist das nicht dieser berühmte Jockey, der erst letzte Woche wieder das Rennen in Ascot gewonnen hat?«
»In etwa, Mylady«, bestätigte Parker und verbeugte sich andeutungsweise. »Mister O’Haras Name war des öfteren in den Zeitungen zu lesen im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten. Mister O’Hara gilt als einer der ›Kronprinzen‹ der kriminellen Szene Londons und soll sich dem Vernehmen nach des Wohlwollens der Mafia-Oberen erfreuen.«
»Wußte ich’s doch!« behauptete Agatha Simpson ungeniert und nickte energisch. »Genau, was ich gesagt habe, Mister Parker. Und was ist nun mit diesem Subjekt, mein lieber McWarden?«
»Er scheint in der letzten Nacht etwas Pech gehabt zu haben«, berichtete McWarden und lächelte ausgesprochen schadenfroh. »In dem Bericht meiner Kollegen heißt es, daß er eine Party gab und während des Gelages die Wagen seiner Gäste ihrer Räder beraubt wurden.«
»Wie unangenehm«, fand Lady Agatha und beugte sich interessiert vor. »Weiß man schon, wer die Übeltäter waren?«
»Leider nein, Mylady, übrigens wurde nicht mal Anzeige erstattet. Meine Kollegen kamen nur deshalb darauf, weil sie Auftrag hatten, O’Haras Anwesen auf ihrer Streife unauffällig im Auge zu behalten. Wir wissen schließlich, welche Rolle der Kerl in der Unterwelt spielt. Den Kollegen fiel auf, daß auf einmal eine Reihe von Taxis zur Villa fuhr. Dabei entdeckten unsere Leute die Wagen, die allesamt keine Räder mehr hatten; lauter sehr teure Autos, nebenbei bemerkt, die Herren Gangsterbosse wissen eben zu leben.«
»Weil sie von unserer unfähigen Polizei nichts zu fürchten haben«, konterte die Lady und verschränkte triumphierend die Arme vor der Brust.
»Was Sie nicht sagen!« bemerkte McWarden mit säuerlicher Miene. »Übrigens gelang es den Kollegen, von einem der Hausangestellten noch etwas zu erfahren, was Sie sehr interessieren wird.«
»Da wäre ich an Ihrer Stelle aber nicht so sicher«, erwiderte die Lady süffisant. »Warum sollte ich mich für die Party eines Gangsters interessieren?«
»Die Partyteilnehmer wurden überfallen«, freute sich McWarden mitteilen zu können. »Und raten Sie mal, von wem?«
»Woher soll ich das wissen? Veranstalten Sie hier doch kein Ratefix und sagen Sie endlich, was Sie erfahren haben!« forderte die Hausherrin energisch.
»Von Robin Hood und seiner Bande! Na, was sagen Sie dazu?«
»Donnerwetter, die schrecken aber auch wirklich vor nichts und niemandem zurück!« Agatha Simpson blinzelte ihren Gast zutiefst überrascht an und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Dieser Hood hat sich übrigens ziemlich verändert«, wußte der Chief-Superintendent. »Wie die Kollegen von ihrem Informanten hörten, war er recht üppig gebaut und hatte eine baritonal gefärbte Stimme, die durchaus auch weiblich gewesen sein könnte, wie sie ausdrücklich betonten.«
McWarden musterte die Lady eindringlich und räusperte sich.
»Haben Sie was im Hals, oder was wollen Sie mit den seltsamen Geräuschen sagen?«
Lady Agatha schüttelte verweisend den Kopf.
»Welche Schlußfolgerung ziehen Sie daraus, Sir?« erkundigte sich Parker gemessen.
»Nun, hier macht jemand diesen Robin Hood nach, um O’Hara eins auszuwischen«, überlegte McWarden. »Fragt sich halt nur, wer das gewesen sein könnte.«
»Papperlapapp, diesmal hat es ja wenigstens den Richtigen erwischt«, freute sich die Detektivin. »Möchten Sie übrigens noch einen Sherry, mein lieber McWarden?«
»Womit habe ich denn den verdient, Mylady?« wunderte sich der Chief-Superintendent. »Sollte Ihnen meine kleine Geschichte etwa gefallen haben?«
»Sie war nicht schlecht, vielleicht verwende ich sie in meinem neuen Roman«, deutete Lady Agatha an. »Als Grundstock für eine Story wäre das gar nicht so schlecht, denke ich.«
»Ich muß jetzt