die behaupten, Sie hätten sich einen Jux machen wollen, als sie das Lokal aufsuchten und einen Überfall vortäuschten. Sie hätten die Gelegenheit genutzt, die betroffenen Männer dafür krankenhausreif zuzurichten.«
»Das wird ja immer schöner!« Lady Agatha beugte sich erregt vor und tastete unwillkürlich nach ihrem perlenbestickten Pompadour, der neben ihr auf dem Sofa lag.
McWarden bemerkte dies und warnte vorsichtshalber: »Machen Sie keine Dummheiten, Mylady, ich bin nicht Ihr Feind!« Er sah sie nervös und ängstlich an.
»Wer soll Ihnen schon was tun, das lohnt sich doch nicht.« Lady Agatha war nach wie vor aufgebracht, ließ aber doch von ihrem Handbeutel ab und sich statt dessen von Parker einen Cognac geben.
»Der dickste Brocken kommt allerdings erst noch«, kündigte McWarden vorsorglich an und klappte sein Notizbuch zu. »Die von Ihnen lädierten Leute behaupten außerdem, Sie hätten zwei ihrer Freunde entführt.«
»Jetzt reicht es mir aber! Was will man mir alten, schwachen Frau denn noch alles unterstellen?! Mister Parker, sagen Sie Mister McWarden, was ich davon halte«, verlangte sie und lehnte sich mit verschränkten Armen beleidigt zurück.
»Es dürfte sich hierbei um ebenso lächerliche wie haltlose Vorwürfe handeln, Mylady«, bestätigte der Butler, in dessen glattem Gesicht sich kein Muskel rührte. »Die Zukunft wird dies sicher bestätigen.«
»Natürlich glaube ich persönlich von all dem kein Wort«, versicherte der Chief-Superintendent und grinste dabei, »aber Sie verstehen, daß ich den Vorwürfen nachgehen muß, nicht wahr?«
»Ohne Frage, Sir«, gab Parker zurück. »Wohin soll Mylady übrigens wen entführt haben, wenn meine bescheidene Wenigkeit danach fragen darf?«
»Jemanden, der sich als Robin Hood verkleidet hatte, und eine zweite Person, die als ein gewisser Brother Tuck auftrat«, erklärte McWarden bereitwillig. »Die Genannten sollen von Ihnen beiden mehr oder weniger zwangsweise aus dem Lokal und zu Ihrem Wagen geführt worden sein, Mister Parker.«
»Zu diesem Sachverhalt liegen verläßliche und glaubwürdige Zeugenaussagen vor, Sir?«
»Ich denke, so glaubwürdig sind sie möglicherweise doch wieder nicht«, wiegelte McWarden ab, »deshalb gehe ich diesem Hinweis auch mehr der Vollständigkeit halber nach.«
»Wohin soll ich denn diese Subjekte entführt haben?« erkundigte sich die Detektivin gereizt. »Etwa hierher in mein Haus? Sie können es jederzeit durchsuchen, ich erhebe dagegen keine Einwände.«
»Ihr Haus ist auf einer alten Abtei erbaut, nicht wahr?« fragte McWarden süffisant lächelnd. »Das heißt, es verfügt über eine Reihe von Geheimgängen und -räumen, die vor einigen Jahren sogar noch unter Anleitung Mister Parkers ausgebaut worden sind.«
»Das müßte ich aber wissen, mein Lieber, schließlich bin ich hier die Hausherrin.« Agatha Simpson räusperte sich lautstark und schüttelte verweisend den Kopf. »Gerüchte dieser Art können nur Leute aus der kriminellen Szene, denen ich mal irgendwann das Handwerk gelegt habe, in die Welt gesetzt haben. Natürlich ist absolut nichts daran, aber überzeugen Sie sich selbst.«
»Ich bitte Sie, Mylady, Sie sind doch wohl für mich und den Yard vertrauenswürdig, und schließlich, was wären wir ohne Sie?« schmeichelte ihr der Chief-Superintendent. »Sollten Sie jedoch zufällig mit den erwähnten Personen Kontakt bekommen, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich über das Ergebnis unterrichten würden.«
»Was man nicht versäumen wird, Sir«, versicherte der Butler höflich. »Mylady hat stets größten Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden gelegt, wenn man dies am Rande erwähnen darf.«
»Ich weiß, Mister Parker«, bestätigte McWarden und erhob sich. »Sie hat uns immer erst hinterher unterrichtet, aber immerhin ...«
»Sie könnten ja sowieso nichts mit meinen Informationen anfangen«, stichelte die Detektivin genüßlich. »Sie und Ihre Kollegen lassen sich doch jeden Fall gern auf einem Silbertablett servieren.«
»Wir wären ohne Sie wirklich aufgeschmissen, Mylady«, entgegnete der Mann vom Yard süffisant und bemühte sich krampfhaft, Myladys Sticheleien nicht ernst zu nehmen. »Aber irgendwann werden wir so viel von Ihnen gelernt haben, daß wir einen leichteren Fall selbständig lösen können!«
»Ich wünsche es«, zeigte sich die Lady leutselig und lächelte McWarden an. »Geben Sie die Hoffnung nicht auf, mein Lieber, und denken Sie daran, ich stehe Ihnen stets mit Rat und Tat zur Seite, wenn Sie mich brauchen!«
*
Die beiden Gäste des Hauses waren in einer Art Appartement im Souterrain des alten Fachwerkhauses untergebracht, das nur Eingeweihten zugänglich war.
»Robin Hood« und »Brother Tuck« blickten verärgert auf, als der Butler eintrat und das Frühstückstablett auf den flachen Couchtisch stellte.
»Man hofft, daß die Herren sich einigermaßen eingelebt haben«, ließ sich Parker vernehmen und servierte formvollendet den Tee. »Man ist bemüht, Ihnen den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu gestalten, wenngleich Sie dabei auch nicht unbedingt den Luxus eines First-Class-Hotels erwarten sollten.«
»Robin Hood« sprang auf und starrte Parker wütend an. »Das is’n astreiner Fall von Freiheitsberaubung!« beschwerte er sich aufgebracht. »Das wird Ihnen jede Menge Ärger einbringen, Mann, und Ihrer Lady erst recht.«
»Möglicherweise liegt hier ein Irrtum vor«, beruhigte Parker ihn. »Sie sind selbstverständlich Myladys Gäste und können gehen, wann immer es beliebt.«
»Wir können gehen?« staunte »Brother Tuck« und sah den Butler überrascht an.
»Selbstverständlich, Sir. Zuvor sollten die Herren sich allerdings das Frühstück schmecken lassen und dann den Fragen Myladys stellen.«
»Mylady, wenn ich das schon höre!«
»Robin Hood« sah den Butler verächtlich an. »Es gibt keine Herren und keine Diener, sondern nur gleichgestellte Menschen, begreifen Sie das nicht, Mann? Sie sind genausoviel wert wie Ihre sogenannte Lady. Machen Sie sich endlich frei von Ihrer Unterwürfigkeit und Ihrem Klassendenken!«
»Meine bescheidene Person fühlt sich in der augenblicklichen Rolle keineswegs unwohl«, gab Parker gemessen zurück. »Dennoch beinhalten Ihre Ausführungen einige durchaus erwägenswerte Aspekte, Sir.«
»Kämpfen auch Sie auf der Seite der Unterdrückten gegen das Establishment, Mann, machen Sie sich frei!« forderte ihn »Brother Tuck« auf und hieb mit der Faust auf den Couchtisch. »Wir müssen gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen und dem Volk zur Macht verhelfen.«
»Sehr interessant, Sir«, fand Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Und Sie tun dies, indem Sie sich an Ihren historischen Vorbildern orientieren und wohlhabende Mitbürger um ihre Habe erleichtern?«
»So ist es, Mann! Und genauso wie unsere großen Vorbilder werden wir unsere Beute an die Armen und Bedürftigen verteilen, denken Sie doch nur mal an die vielen Menschen, die dringend Hilfe brauchen.«
»Robin Hood« war sichtlich in Rage geraten und gestikulierte wild mit den Händen. Parker konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es der junge Mann durchaus ernst meinte.
»Wenn meine Wenigkeit richtig die gefallenen Worte deutet, Mister Hood, so haben Sie und Ihre Mitstreiter bislang noch nichts verteilt?« erkundigte er sich höflich.
»Noch nicht, Mann, aber bald!« Auch »Brother Tuck« konnte seine Begeisterung nicht verbergen und sah verzückt zur Zimmerdecke. »Wir wollen erst eine anständige Summe beisammen haben, damit wir auch wirklich helfen können. Was nützen schon ’n paar Pfund, die wir von Zeit zu Zeit verteilen? Nein, wir zahlen unsere Beute in einen großen Fonds, der bei Erreichung eines bestimmten Limits ausgeschüttet wird und zur Verteilung gelangt. Nur so kann man wirklich helfen.«
»Und wo liegt dieses Limit, junger Mann?« grollte die Stimme der Hausherrin von der Tür her. Lady