in den Startlöchern stand. Die Jungen, die im Pornobereich Karriere machen wollten, brachten dieses gewisse Etwas mit, diese Verzweiflung, diesen Zorn, der einen Film undurchsichtig und faszinierend machte. Einmal hatte ein selbstbewusster Nachwuchsdarsteller mit langen Locken und einem gut gebauten Körper, der sein Studium geschmissen hatte, zu ihm gesagt, die Zeit der alten Böcke sei vorbei. Und damit war er gemeint gewesen.
Das Bild dieses aalglatten jungen Mannes, das vor seinem inneren Auge aufstieg, unterbrach den Fluss seiner Gedanken. Er war froh, dass er noch Zeit hatte, das Ganze ein weiteres Mal zu durchdenken und sich erst dann zu entscheiden. Um sich abzulenken, griff er nach einem Buch, das er zufällig aus dem Regal im Salon gezogen hatte. Signor Alfredo war Mitglied eines Buchclubs und bekam regelmäßig verschiedene Neuerscheinungen zugeschickt. Er hatte den Vertrag eher aus Zufall abgeschlossen und ihn dann nie gekündigt. Das, was er wirklich las, kaufte er am Kiosk, verschlang jede Woche einen Band einer Liebesromanreihe, in der es immer um das Gleiche ging: er, sie und die andere.
Seufzend warf Bonamente einen Blick auf den Kalender. Erst Freitag. Noch vier Tage, bis er die Frau seiner Träume in seinem Bett empfangen durfte. Allein der Gedanke daran führte zu einer respektablen Erektion. Sein Schwanz war durchaus empfänglich für die Liebe.
Er schloss die Augen und nutzte die Gunst der Stunde.
2.
Am folgenden Tag, dem Samstag, wirkte Signor Alfredo besonders zufrieden und servierte das Frühstück mit einem Lied auf den Lippen, einem alten Hit von Gianni Morandi:
Non se ne va questo spirito libero
Questo ragazzo che porto dentro
È una vita che ti guardo
E non se ne va questa luce dagli occhi …
La voglia di rivivere tutto da capo e ogni momento
La voglia di chiamarti amore come non te l’avessi mai detto
In diesem Moment wusste Bonamente, dass sich Professor Bassi angesagt haben musste.
„Er bleibt das ganze Wochenende“, raunte ihm sein Vermieter zu.
„Sein Zimmer wird soeben hergerichtet.“
Dabei war das eigentlich gar nicht nötig, weil der Raum immer bezugsfertig war. Neidisch beobachtete sein Mieter, der beruflich wie privat im luftleeren Raum schwebte, den aufgeregt herumlaufenden Mann und wünschte sich das Gleiche, doch ein Wochenende mit seiner Dienstagsfrau war und blieb für ihn ein unerreichbarer Traum.
Um sich abzulenken, brach er zu einem Spaziergang auf und strebte auf ein Einkaufszentrum zu. Früher war er lieber ins Grüne gegangen, heute aber fühlte er sich in diesem riesigen Kasten, in dem die Luft von gigantischen Maschinen gewärmt und gefiltert wurde, sicherer.
Auf einer künstlichen Piazza setzte er sich unter einen Sonnenschirm, der niemals weder einen Sonnenstrahl noch einen Regentropfen abbekommen würde, und bestellte eine große Tasse Getreidekaffee, in den er Süßstoff schüttete, was ihm sofort in Erinnerung brachte, dass sein Körper vor der Zeit gealtert war und er nicht mehr als dynamischer, vitaler Vierzigjähriger durchging.
Die Ärzte hatten ihn zwar beruhigt, dass er ein ganz normales Leben führen könne, die Psychologin dagegen war kritischer gewesen und hatte ihm nicht gerade Mut gemacht. Dabei hätte er wenigstens dieses Mal eine kleine Aufmunterung gebrauchen können, selbst wenn sie nicht ganz ernst gemeint war.
Um nicht weiter in trübe Gedanken zu verfallen, betrat er ein Wäschegeschäft, um sich Unterhosen zu kaufen. Er wusste nach wie vor nicht, ob die Dienstagsfrau ihn lieber in Boxershorts oder Slips sah, und hatte sie nie zu fragen gewagt. Mal trug er das eine, mal das andere und achtete genau auf ihre Reaktion, ohne eindeutige Hinweise erhalten zu haben. Er ging an den Sonderangeboten vorbei und beschloss, dass sie blau-weiß gestreifte Boxershorts verdient hatte.
Sie wollte stets vollständig bekleidet empfangen werden, sogar mit Jackett, erst dann zogen sie sich aus, ohne sich dabei anzusehen. Bonamente schummelte immer ein bisschen, weil er sie ansehen, umarmen und küssen wollte. Er hätte alles dafür gegeben, ihr beim Ausziehen helfen zu dürfen.
Als der Professor kurz vor dem Mittagessen eintraf, saß er im Salon und las Zeitung. Bassi begrüßte ihn mit seiner üblichen Freundlichkeit.
„Was macht die Gesundheit, Bonamente? Sie sehen blendend aus.“
Er selbst wirkte älter als beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, von den immer noch lebendigen und strahlenden Augen einmal abgesehen.
„Und Sie, Federico, werden immer jünger“, erwiderte er ganz ernst.
Der Professor nickte ihm lächelnd zu, war dankbar für die charmante Lüge.
Während des Mittagessens redete Federico ununterbrochen, wie ein Getriebener. Aber es machte Spaß, ihm zuzuhören, und Bonamente hing an seinen Lippen, während Signor Alfredo still und geschäftig zwischen Küche und Tisch hin und her lief.
Den Nachmittag verbrachte der Schauspieler auf seinem Zimmer, erst gegen Abend verließ er es wieder und bestellte sich ein Taxi.
Als er dem Fahrer die Adresse nannte, drehte der sich um und grinste ihm verschwörerisch zu.
„Es gibt ja nichts mehr außer dem Eden“, meinte er und bezog sich damit auf das letzte Pornokino der Stadt. „Mittlerweile schaut man sich Pornos zu Hause an, wo man gleich zur Sache kommen kann“, fügte er hinzu.
Im Kino lief ein Krankenhausporno, ein Genre, in dem Bonamente wenig Erfahrung hatte und mit dem er sich näher beschäftigen musste, wenn er die Rolle wirklich übernehmen wollte, die Martucci ihm angeboten hatte.
Niedergeschlagen verließ er am Ende das Kino. Nicht allein deshalb, weil es sich um eine slowenische Produktion und ein Remake gehandelt hatte, sondern weil es nicht einen einzigen Darsteller seines Alters gegeben hatte. Die Älteste war die Oberschwester mit höchstens fünfunddreißig gewesen.
Zu Hause wartete Alfredo auf ihn. Er hatte ihm das Abendessen warm gestellt und wollte sichergehen, dass er seine Medikamente einnahm. Kurz darauf, pünktlich wie immer, klopfte er an Bonamentes Tür, um ihm seinen Tee zu bringen.
Die Nacht verbrachte Signor Alfredo nicht in seinem eigenen Zimmer, sondern ging weiter zu Zimmer eins und drückte vorsichtig die Klinke herunter.
Federico stand am Fenster, als er das Zimmer betrat. Gekleidet in einen eleganten dunkelblauen Morgenmantel mit roten Borten, deklamierte er, ohne sich umzudrehen, mit tiefer, rauer Stimme das Gedicht von Pablo Neruda, mit dem er Alfredo jedes Mal seit vielen Jahren begrüßte, wenn er mitten in der Nacht zu ihm kam.
Ich habe dich zur Königin ernannt.
Größere gibt es, größer als du.
Reinere gibt es, reiner als du.
Schönere gibt es, schöner als du.
Aber du bist die Königin.
Alfredo ging auf ihn zu und zog ihm den Morgenmantel aus, küsste ihn auf den nackten Rücken, kniete nieder und begann mit der Zunge das Hinterteil des Professors zu liebkosen, griff gleichzeitig mit der linken Hand nach seinem Penis und streichelte ihn. Als er eine ganz zaghafte Erektion spürte, stand er auf und steckte ihm den Zeigefinger in den Hintern, suchte nach der Prostata. Verdammtes Alter, dachte er und fuhr fort, beides zu reizen, bis er ein wenig Sperma in der Hand spürte. Danach nahm er Federico zärtlich in den Arm.
„Du bist mein König“, flüsterte er.
Am Sonntag stand der Hausherr früh auf und backte Federicos Lieblingskuchen. Er war überglücklich und fest entschlossen, jeden Moment ihrer gemeinsamen Zeit auszukosten. Gerne hätte er sein ganzes restliches Leben mit ihm verbracht, bloß ließen das die Umstände und ihre unterschiedlichen Lebensverhältnisse nicht zu. Ihre Liebe war einfach