Schulter nehmen«, lautete Parkers Antwort. »Auf Überraschurigen sollte man sich stets gefaßt machen.«
»Ich werde diese Kriminelle überführen«, kündigte die Detektivin energisch an. »Sie hat mit einigen Überraschungen zu rechnen.«
Parker schaltete die neuerdings vorhandene Metallsonde ein, die in den Türrahmen eingelassen worden war. Sie arbeitete nach dem Prinzip der bekannten Flughafensicherung. Kompakte Metallgegenstände wurden umgehend ausfindig gemacht und durch einen Summton angezeigt.
Helen Simmons passierte die Tür, die der Butler per Knopfdruck geöffnet hatte. Die schlanke Frau betrat zögernd den verglasten Vorflur, erblickte den Butler und ging dann auf die Glastür zu. Parker wußte inzwischen, daß die Metallsonde deutlich angesprochen hatte. Helen Simmons schien also eine Waffe zu tragen, die sich wahrscheinlich in ihrer dunkelroten Handtasche befand.
»Tragen Sie möglicherweise eine Schußwaffe mit sich, Miß Simmons?« fragte Parker über die Wechselsprechanlage.
»Ja, tatsächlich. Woher wissen Sie das?« Sie blickte ihn durch die Glastür verblüfft an.
»Eine reine Vermutung, Miß Simmons«
»Ich habe sie genehmigt bekommen«, sprach Helen Simmons weiter und öffnete die Handtasche. Sie holte einen Browning hervor und zeigte ihn mit spitzen Fingern. Die Waffe schien ihr mehr als unangenehm zu sein.
»Vor dem Betreten der Wohnhalle konnten Sie sie auf der kleinen Konsole neben der Glastür ablegen, Miß Simmons. Man sollte Mißverständnisse jeder Art tunlichst vermeiden.«
Sie folgte seinem Rat, legte die Waffe auf die Konsole und zuckte zusammen, als sie mit der Aufläge nach unten wegklappte und in einer Art Briefkasten landete, unerreichbar für sie.
»Mylady heißt sie herzlich willkommen«, grüßte Parker, als er die Glastür öffnete. »Mylady wird in wenigen Augenblicken zu erscheinen geruhen. »Darf man Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Nein, danke, ich brauche nichts«, erklärte Helen Simmons. »Es hat auch Überwindung gekostet, zu Lady Simpson zu kommen.«
»Parker mein Name, Butler Parker«, stellte ihr Gegenüber sich vor.« Ihre Angaben und Hinweise wird man selbstverständlich streng vertraulich behandeln, Miß Simmons.«
»Keine falsche Bewegung, meine Liebe«, war in diesem Augenblick die baritonale Stimme der älteren Dame zu vernehmen. Agatha Simpson hatte sich vom Wandschrank gelöst und hielt eine mittelalterliche Hellebarde in Händen, deren Spitze auf den Gast gerichtet war. Agatha Simpson glich in diesem Augenblick einer Walküre aus einer bekannten Wagner-Oper. Man traute ihr durchaus zu, daß sie mit dieser Waffe umzugehen verstand.
Helen Simmons fuhr zusammen und wandte sich überrascht an Lady Agatha.
»Sie führen noch eine zweite Waffe mit sich«, erklärte die Detektivin. »Eine Lady Simpson können Sie nicht täuschen. Nehmen Sie gefälligst die Hände hoch!«
Was Miß Simmons auch augenblicklich tat.
*
»An meiner Reaktion haben Sie gesehen, meine Gute, daß Sie bei mir in besten Händen sind«, sagte Lady Agatha wenige Minuten später und lächelte ihren Gast ausgesprochen freundlich an.
Es hatte sich inzwischen herausgestellt, daß man es tatsächlich mit der richtigen Helen Simmons zu tun hatte. Ausweise hatten dies eindeutig belegt.
»Sie haben mich fast zu Tode erschreckt«, erwiderte Helen Simmons, die Platz genommen hatte.
»So schlimm wie in der Garage kann es wohl kaum gewesen sein, meine Beste«, gab Agatha Simpson zu bedenken. »Womit ich bereits beim Kern der Sache bin.«
Sie runzelte kurz die Stirn, als Parker Sherry servierte.
»Das war wirklich noch schlimmer«, bestätigte Helen Simmons und nickte dem Butler dankend zu. »Aber die Zeit davor war kaum harmloser.«
»Könnten Sie Mylady der Reihe nach beschreiben, auf welche Weise Sie terrorisiert wurden?« schaltete Parker sich ein.
»Zuerst per Telefon«, gab sie Auskunft. »Es begann mit einigen wenigen Anrufen in meiner Wohnung. Eine unheimliche Stimme kündigte mir nächtliche Besuche an. Dann folgten scheußliche Details. Ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
»Nun haben Sie sich nicht so, meine Liebe, wir sind doch schließlich erwachsene Menschen«, reagierte Lady Simpson ungeduldig.
»Meine Wenigkeit möchte sich entfernen«, schlug der Butler vor.
»Nein, nein, ich habe mich schon wieder unter Kontrolle«, erwiderte sie hastig. »Diese Stimme erging sich in Details und setzte mir genau auseinander, was sie von mir erwartete und was ich zu erwarten hätte. Muß ich noch deutlicher werden?«
»Von mir aus schon«, antwortete Agatha Simpson ungeniert.
»Es dürfte sich um intim-sexuelle Details gehandelt haben«, tippte der Butler an.
»Scheußliche Details«, pflichtete sie ihm bei. »Die Anrufe erfolgten in immer kürzeren Abständen. Nach einigen Tagen wurde ich dann in meinem Büro angerufen und belästigt.«
»Sie haben sich an die Polizei gewandt?« fragte Agatha Simpson.
»Davor warnte mich diese Stimme«, lautete die Antwort. »Sie drohte mir mit gezielten Schüssen. Ich hatte solche Angst, daß ich die Polizei aus dem Spiel ließ, bis ich ...«
»Bis Sie in einer Garage überfallen wurden, Miß Simmons?« fragte Josuah Parker.
»Dieser Überfall erfolgte völlig überraschend«, berichtete Helen Simmons weiter. »Plötzlich hörten die Anrufe auf... Das dauerte zwei Tage. Ich atmete bereits auf, aber dann überfiel dieser Kerl mich in der Tiefgarage unseres Bürohauses.«
»Wobei er Ihre Kleidung in einige Unordnung brachte, Miß Simmons?«
»Es war widerlich«, sagte sie leise und nickte. »Angerührt hat er mich nicht, aber er zerriß meine Bluse und Jacke. Ich war wie gelähmt, ich konnte mich nicht wehren.«
»Sie konnten den Täter leider nicht erkennen, Miß Simmons?«
»Er trug eine Strickmaske, die den ganzen Kopf verdeckte. Es gab nur zwei Augenschlitze. Ich war auch viel zu aufgeregt, um mir Einzelheiten merken zu können. Das alles dauerte nur wenige Augenblicke, dann war der Kerl schon wieder verschwunden. Eine Stunde später rief er mich dann wieder an und sagte, das wäre erst der Anfang.«
»Kam es bei diesem Gespräch zu irgendwelchen Forderungen, Miß Simmons?« fragte Parker höflich und gemessen weiter. Er verstand es, Miß Simmons die letzte Scheu zu nehmen.
»Nein, keine Forderungen, Mister Parker«, entgegnete sie. »Ich kann mir gar nicht erklären, warum er ausgerechnet mich anruft, warum er mich überfallen hat. Ich lebe zurückgezogen und habe kaum ein Privatleben.«
»Sie sind, wie Chief-Superintendent McWarden Mylady mitteilte, Abteilungsleiterin in einer Übersee-Bank?«
»Kreditabteilung«, gab sie zurück und nickte. »Diese Arbeit beansprucht mich völlig, Mister Parker. Wie gesagt, ich habe so gut wie kein Privatleben, das ist leider eben der Preis für eine solche Stellung.«
»Sie sind unverheiratet, meine Liebe?« fragte Lady Agatha.
»Richtig«, bestätigte Helen Simmons. »Ich lebe zusammen mit meiner Mutter. Wie gesagt, wir haben kaum gesellschaftliche Kontakte über die Firma hinaus.«
»Mister McWarden wird Sie sicher bereits nach Feinden gefragt haben, Miß Simmons.«
»Nein, Feinde habe ich nicht«, erwiderte sie nachdrücklich. »Auch mit meinen Kollegen gibt es keinen Ärger. Es existieren auch keine Männer in meinem Leben, die ich in irgendeiner Form beleidigt haben könnte.«
»Der besagte Überfall, Miß Simmons, fand wann statt?« wollte der Butler wissen.
»Vor knapp acht Tagen«, erwiderte sie. »Danach