Regina Mars

Sexy Versager


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      »Nicht so schlimm«. Eine offensichtliche Lüge. Sie schaffte es nicht mal, zu lächeln. »Dafür haben wir einen neuen Kollegen.« Sie senkte ihre Stimme. »Einen süßen neuen Kollegen. Da hinten, bei Anike und Bärbel.«

      Ben sah sich um.

      Kacke.

      Nicht der, schrie er innerlich. Nicht dieser schmierige Schleimer!

      Marek Kucera saß ganz hinten, strahlend schön und glattpoliert wie ein Kiesel. Und glücklicherweise halb verborgen von einer Trennwand, wegen der Ben ihn nicht direkt entdeckt hatte. Bärbel, ihre Supervisorin, erklärte ihm gerade etwas. Im Flüsterton, mit glänzenden Augen. Natürlich.

      Alle Mädels flogen auf Marek Kucera. Diesen Sack. Aber das war es nicht, was Ben an ihm störte. Er hasste ihn, weil er wie die hübschere Ausgabe von Dennis Alfred aussah. Und, weil er genau den gleichen miesen Charakter hatte. Und, weil er überall beliebt war und weil er Ben gleich am ersten Tag als Bauer beschimpft hatte.

      Gerade, als Ben noch Hoffnungen gehabt hatte, dass in Hamburg alles anders werden würde, lief ihm dieser Spacko über den Weg. Am ersten Tag des ersten Semesters des Chemiestudiums, als sie alle auf den Stufen vor der Uni gesessen hatten, um sich kennenzulernen. Ben war furchtbar schlecht darin, Leute kennenzulernen. Er hatte während des ersten Semesters nicht eine Freundschaft geschlossen. Marek dafür hundert. Mindestens.

      Er beobachtete Marek. Beobachtete, wie er der Supervisorin aufmerksam zuhörte, nickte, seine weißen Zähne blitzen ließ. Dieses reiche Söhnchen. Was machte der hier? Musste er etwa Geld verdienen? Seine Eltern steckten ihm doch bestimmt alles in den Arsch, oder?

      Am liebsten hätte er ihn danach gefragt. Aber schon kam ein Anruf durch und Ben musste sein Sprüchlein aufsagen.

      2. Brötchen verdienen

      »Guten Tag, Sie sprechen mit der Firma FitnessBuddys Porz. Mein Name ist Marek Kucera, wie kann ich Ihnen helfen?«

      Gut, er hatte es richtig vorgelesen. Marek sah auf den Bildschirm vor sich, auf dem die gewünschte Begrüßung stand. Okay. Das Headset kratzte an den Ohren, aber ansonsten war der Job einfach. Den Anrufern erzählen, bei welcher Firma sie angeblich gelandet waren, versuchen, durchzustellen, und wenn das nicht klappte: Ihre Nachricht aufnehmen, die Rückrufnummer notieren und dann eine E-Mail mit allen Informationen an FitnessBuddys Porz schicken.

      »Unsere Kunden sind Unternehmen aus ganz Deutschland, die sich keine Sekretärin leisten möchten. Wir leiten die Anrufe auf uns um und tun so, als würden wir in ihren Vorzimmern sitzen. Entweder verbinden wir oder geben die Anruferinformationen an den Kunden weiter.«

      So hatte Bärbel es ihm erklärt.

      »Ich will mit Herrn Berger sprechen«, sagte eine leicht gereizt wirkende Stimme am anderen Ende des Hörers.

      Marek lächelte zuvorkommend. Der Anrufer konnte ihn nicht sehen, aber das Lächeln hörte man heraus. Auch das hatten sie ihm erklärt. Dreimal. Ob man ihm ansah, wie dumm er war?

      »Herr Berger befindet sich gerade in einem Meeting«, sagte er. »Aber er ruft Sie gern zurück. Was darf ich ihm ausrichten?«

      Kein Problem, so ein Job. Selbst, wenn man so langsam kapierte wie Marek …

      »Sie dürfen ihm ausrichten, dass er ein verficktes Arschloch ist!«, brüllte der Anrufer. »Und ein beschissener Betrüger! Ich klag dem den Arsch ab, darauf kann er sich verlassen! Das können Sie ihm ausrichten!«

      »Äh … gerne.« Was? Marek sah sich nach Hilfe suchend um. Aber Bärbel telefonierte gerade selbst und der andere Platz war leer.

      »Was ist denn das Problem?, fragte er, obwohl sie ihm eingeschärft hatten, die Anrufe so schnell wie möglich zu erledigen.

      »Das Problem?« Lautes Schnaufen. »Ich sag Ihnen, was das Problem ist! Vor fünf Monaten … FÜNF MONATEN hab ich bei ihm den Fitbodymaster3000 bestellt, und bis heute ist nichts angekommen! Vor fünf Monaten! Ich will mein Geld zurück!«

      Marek hörte ein klagendes Fiepen in seinen Ohren.

      »Ah, gut. Das richte ich ihm … gern aus.«

      »Einen Scheiß richten Sie aus! Ich hab schon zwanzigmal angerufen und nie ist was passiert! Ihre saubere Kollegin hat auch immer behauptet, dass er zurückruft! Sie verbinden mich jetzt mit ihm! Sofort!«

      »Aber … okay, ich versuche es gern«, sagte Marek. »Einen Moment, bitte.«

      Er klickte auf den Button »Verbinden«. Hörte ein Tuten. Das System versuchte, ihn zu Herrn Berger durchzustellen. Marek sah zu Bärbel hinüber, die gerade das Headset vom Ohr streifte und sich dort kratzte.

      »Bärbel«, wisperte er. Bärbel sah sich um und schenkte ihm ein Lächeln. »Ich hab hier jemanden dran und der Typ ist total sauer. Er meint, er wartet seit fünf Monaten auf ein Fitnessgerät oder so.«

      Ein Schatten flog über Bärbels Gesicht. Ihr Mund lächelte nur noch breiter, aber in ihren Augen wurde es trüb.

      »FitnessBuddys Porz?«, fragte sie. Marek nickte. »Einfach die Nachricht aufnehmen. Die rufen zurück.«

      »Aber er sagt, er hätte schon zwanzigmal angerufen und niemand hätte zurückgerufen.«

      »Das ist nicht unser Problem. Nicht unser Problem.« Ihre Stimme hatte etwas Mechanisches. »Einfach die Nachricht aufnehmen.«

      »Aha.« Was? Marek hoffte, dass dieser Herr Berger einfach abheben würde. Dann könnte er den wütenden Anrufer durchstellen und das Problem wäre erledigt. Aber Herr Berger ging nicht dran.

      Marek schaffte es mit Mühe und Not, dem Anrufer seine Nummer und seinen Namen abzuluchsen und an Herrn Berger zu schicken. Der Typ beschimpfte ihn noch eine Weile, dann legte er auf. Aha.

      Im Lauf des Nachmittags kapierte Marek so langsam, was der Haken an seinem neuen Job war. Er bekam noch drei Anrufer für FitnessBuddys Porz, die alle stinksauer waren. Bei einem musste er auflegen, weil der Kerl sich nicht beruhigen ließ.

      Außerdem riefen mehrere Leute an, die die letzte Mahnung von einem Kreditunternehmen bekommen hatten, bei dem sie keinen Kredit aufgenommen hatten. Alle panisch bis wütend. Marek wurde als Arschloch, Betrüger und Untermensch beschimpft. Bei allen gab er eine Meldung an seinen Vorgesetzten weiter.

      »Die kümmern sich darum«, sagte Bärbel. »Wenn es zu viele Beschwerden über eine Firma gibt, kündigen wir ihren Vertrag.«

      Trotzdem war es nervenzehrend. Bis acht Uhr abends sah Marek drei Online-Sekretärinnen in Tränen ausbrechen.

      Er selbst kam ganz gut klar. Er war in seinem Leben schon so oft beschimpft worden, dass er damit umgehen …

      »Ja, dann stecken Sie sich Ihren Scheiß-Fitbodymaster doch in den Arsch! Falls Ihr Arsch nicht viel zu fett dafür ist!«

      Marek sah auf, als er die wütende Stimme hörte. Die kannte er. Ganz sicher.

      Oh.

      Halb verborgen hinter einer Trennwand, so, dass er ihn bisher nicht entdeckt hatte, saß Ben Ohlers.

      Der Drecksack.

      Bärbel sprang auf, lief rüber und riss Ben das Headset vom Kopf. Nervös sprach sie ins Mikro. Alle Augen waren auf Bens Platz gerichtet. Bärbel starrte ihn wütend an.

      »Noch einmal und du kriegst eine Verwarnung«, hörte Marek sie flüstern.

      Ben grunzte verächtlich. Natürlich. Ben hatte für alles nur Verachtung übrig. Für die Uni, die Kommilitonen, seine Noten … und trotzdem war er so gut wie Marek, der jeden Tag bis zu acht Stunden lernte. Niemand hatte diesem faulen, mies gelaunten Kerl irgendetwas zugetraut. Diesem mageren Burschen, der gelangweilt in allen Vorlesungen rumhing und sich nie Notizen machte.

      Kaum jemand redete mit Ben, weil er auf Annäherungsversuche reagierte wie ein bissiger Hund. Marek hatte das selbst zu spüren bekommen. Am Anfang, als sie alle