ihre Kultstatuen fehlen in keinem Tempel. Dazu gehören auch die drei, die regelmäßig um Shijiamunifo gruppiert sind: In seinem Rücken, am Ufer des Meeres meditierend, sieht man Guanyin (skt. Avalokiteśvara), Verkörperung des Mitgefühls; zu seiner Linken, auf einem Löwen reitend, Wenshu (skt. Mañjuśrī), der Weisheit und Gelehrsamkeit repräsentiert; zur Rechten, auf einem Elefanten, Puxian (skt. Samantabhadra), den geistigen Zwillingsbruder Wenshus. Eine weitere populäre Gestalt ist Dizang (skt. Kṣitigarbha), Oberherr der Höllenbereiche, der die Menschen aus Pein und Grauen errettet – erkennbar am langen Stab, den er hält. Alle vier werden in China mit einem der vier heiligen Berge identifiziert, die beliebte buddhistische Pilgerstätten bilden: Wenshu mit dem Wutaishan in der Provinz Shanxi, Dizang mit dem Jiuhuashan in Anhui, Puxian mit dem Emeishan in Sichuan und Guanyin mit dem Putuoshan, einer Insel der Provinz Zhejiang.
Zum Erscheinungsbild und der Haltung, in denen diese Kultfiguren dargestellt sind, gibt es überall in Asien, wo sie angerufen werden und Verehrung erfahren, zahllose Glaubensgeschichten. Wie auch die Andachten, rituellen Gesänge und Opfergaben auf Altären und in Räuchergefäßen dienen die Bildnisse dem tiefen menschlichen Anliegen, mit unserem kurzen und oft schmerzlichen Leben zurechtzukommen.
Buddhistische Praxis aus der Nähe
Referenzquellen
Wenn ich im Folgenden den Blick auf derartige Aspekte und Erscheinungsformen des Buddhismus lenke, so stützt sich meine Darstellung auf eine Reihe von Zeugnissen. Zu ihnen gehören Primärquellen und andere Medien der materiellen Kultur, die Innenperspektiven von Buddhisten wiedergeben. Sie stehen unter dem Anspruch, den Weg zur Befreiung vom leidhaften Dasein zu weisen, oder beziehen sich zumindest befürwortend auf ihn. Zudem sind Texte darunter, die eine Außensicht wiedergeben, vor allem wissenschaftliche Sekundärliteratur. Eine Auswahl ist unter den Lektüretipps im Anhang aufgeführt.
Der Pali-Kanon
Der »Pali-Kanon« hat seinen Namen daher, dass seine Texte üblicherweise auf Palmblättern in der Sprache Pāḷi verfasst wurden, die man – in Abgrenzung zum Altindischen (Vedisch und klassisches Sanskrit) – zu den sogenannten mittelindischen Sprachen rechnet.
Seine schriftliche Niederlegung erfolgte laut Theravada-Schule gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Sri Lanka. Wir wissen aber nicht, welche Texte diese Fassung enthielt – wie überhaupt die Text- und Überlieferungsgeschichte der Sammlung unklar ist und sich ihre schriftliche Kodifizierung nicht genau datieren lässt.
Abgeschlossen wurde die Redaktion erst etwa im 5. Jahrhundert n. Chr. – nach einem jahrhundertelangen Prozess mündlicher und schriftlicher Überlieferung, in dem Texte zusammengestellt, bearbeitet, verändert und erweitert wurden. Manuskripte aus frühen Zeiten sind aufgrund klimatischer Bedingungen kaum erhalten, die meisten sind kaum älter als 300 Jahre.
Die Standardausgabe in knapp 60 Bänden westlichen Buchformats stammt von der Pali Text Society.
Die Mehrzahl der historischen Zeugnisse, die meiner Darstellung zugrunde liegen, stammt aus dem Pali-Kanon. Dabei handelt es sich um eine Sammlung autoritativer Texte jener Schule, die heute als Theravāda, »Schule der Alten«, bekannt und insbesondere in Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Laos und Kambodscha verbreitet ist. Für die Verwendung dieses Kanons habe ich mich nicht entschieden, weil er, wie häufig behauptet, einen »authentischeren«, »reineren« Buddhismus überlieferte als andere Sammlungen, sondern schlicht deshalb, weil er mir vertrauter und allgemein gut zugänglich ist.
Der Tripiṭaka (p. Tipiṭaka, ›Dreikorb‹)
Aufgrund des Quellenreichtums setzte schon früh eine klassifizierende Unterscheidung und Bündelung buddhistischer Texte ein.
Eine der ältesten Unterscheidungen – und die grundlegendste – ist die zwischen Lehrreden und Texten zum Ordensrecht. Mit Systematisierungen buddhistischer Lehren, die Abhidharma (p. Abhidhamma, ›auf den Dharma bezogen‹) genannt werden, enthalten viele Sammlungen noch eine dritte Klasse.
Paradigmatisch ist der Tripiṭaka (p. Tipiṭaka, ›Dreikorb‹) der Theravada-Schule, der in drei große »Körbe« (piṭaka) gegliedert ist:
1 Suttas – zumeist übersetzt mit »Lehrreden« (p. Sutta Piṭaka), die dem Buddha oder, seltener, einem seiner Hauptschüler in den Mund gelegt wurden;
2 Vinaya – die »Ordensregel« (p. Vinaya Piṭaka), in der die Regeln der Ordensdisziplin aufgeführt sind;
3 Abhidhamma – die »Lehrschriften« (p. Abhidhamma Piṭaka), eine etwas später entstandene Kompilation gelehrter Abhandlungen.
Insbesondere nehme ich auf Sutras Bezug – literarische Gebilde, die beschreiben, wie der Buddha Mitgliedern seines Ordens, aber auch Vertretern anderer religiöser Gruppierungen und Haltungen begegnete und mit ihnen diskutierte. Sie wurden lange Zeit durch eine Technik des Sprechgesangs bewahrt und erst später aufgezeichnet – ohne dass die Tradition des Memorierens und Rezitierens von Texten jemals aufgegeben worden wäre. Bis heute lernen Mönche und Nonnen, aber auch Angehörige des Laienstandes Sutras auswendig, um sie bei rituellen Anlässen mit anderen Gläubigen zu rezitieren. Die Lektüre dieser Texte ist nicht zuletzt deshalb lohnend, weil sie soziale und religiöse Probleme ihrer Zeit widerspiegeln. Zugleich geben sie Antworten auf philosophische und ethische Fragen, die kanonisch geworden sind und noch in der Gegenwart unter Buddhistinnen und Buddhisten hohen normativen Stellenwert haben.
Sutras
Mit dem Paliwort sutta und seiner Sanskrit-Entsprechung sūtra werden im Buddhismus Texte bezeichnet, die als Träger des authentischen »Buddha-Wortes« (buddhavacana) gelten. Ihre zentralen Inhalte sind als Predigten, Dialoge oder Aussprüche des Buddha überliefert, und dies überwiegend in einem Erzählrahmen, der über Anlass oder äußere Umstände der Belehrung informiert. Zu ihren Merkmalen gehören die Formel »So habe ich gehört« (p. Evaṃ me sutaṃ) in der Einleitung sowie die Angabe des Aufenthaltsortes der Gesprächspartner und Begleiter des Buddha. Die Sammlungen der verschiedenen buddhistischen Schulen unterteilen ihre Sutras in vier oder fünf Abteilungen (p. nikāya oder skt. āgama): lange, mittellange, thematisch verwandte und im Hinblick auf die Anzahl der behandelten Gegenstände zugehörige Texte.
Annäherung mit allen Sinnen
Neben diesen Bezügen auf Texte und andere Medien der Geschichte und Gegenwart sind in die vorliegenden 100 Seiten persönliche Erfahrungen und Beobachtungen eingeflossen. Nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland (seit den 1980er Jahren), sondern auch während längerer Aufenthalte in den USA seit den 1990er und in Asien seit den 2000er Jahren bin ich regelmäßig in Kontakt mit Menschen getreten, die unter dem Einfluss buddhistischer Überlieferung leben. Daraus haben sich zahlreiche Gelegenheiten ergeben, lokale Kulturen und Routinen kennenzulernen. In Gesprächen und dadurch, dass ich buddhistische Praktiken viele Male aus der Nähe erfahren durfte, habe ich Einblicke in das erhalten, was das Überlieferte einzelnen Personen jeweils bedeutet – wie sie ihr Leben vor seinem Hintergrund deuten, welche Rolle dabei ihr persönlicher Glaube spielt und was sie als Realität, was als letzte, transzendente Wirklichkeit auffassen.
Bei dieser Auseinandersetzung mit dem Buddhismus wurde mir die Bedeutung, die das Wechselverhältnis von Glaubenspraktiken und Textüberlieferung für ihn hat, nach und nach immer bewusster. Buddhistische Lehre und Praxis nähren sich gegenseitig, halten einander lebendig und haben in ihrer Austauschbeziehung immer schon auf unterschiedliche Arten Ausdruck gefunden. In den ungezählten Formen dessen, was wir als Buddhismus begreifen, sind Lehrinhalte und Praxiselemente des Glaubens ganzer Generationen in enger Verschränkung verdichtet. Bis heute ist das lebendige, unabgeschlossene Traditionsgefüge, das wir Buddhismus nennen, davon grundlegend getragen.
Ich stelle dies auch deshalb heraus, da uns diese Wechselbeziehung mit ihrem breiten Spektrum an Glaubenshandlungen