vor wenigen Jahren noch nisteten Fahlsegler im alten Gemäuer von Sant’Antonio Abate, rare Vögel, mit den Mauerseglern verwandt und Flugakrobaten wie diese. Doch heute sind die Nistlöcher vergittert, mit den Tauben hat man auch die Fahlsegler vertrieben.
Casa Rusca: Das alte Patrizierhaus an der Piazza vor der Kirche ist heute Sitz der städtischen Kunstsammlung. Allein mit dem Nachlass des Dadaisten Hans (Jean) Arp - neben eigenen Werken auch seine Privatsammlung, zu der u. a. Chagall, Picasso, Braque und Calder gehörten - könnte sich die Pinakothek sehen lassen. Doch will sie dies nicht und beschränkt sich auf wechselnde Sonderausstellungen.
Als ganz Europa nach Locarno blickte
Großer Bahnhof in Locarno! Im Oktober 1925 kommen in der Stadt am See die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Großbritanniens, Italiens, Polens und der Tschechoslowakei zum Gipfeltreffen zusammen. Zwölf Tage lang brüten die Spitzenpolitiker über einem Vertragswerk, das Europa sicherer machen sollte. Wichtigstes Resultat: Deutschland, als Verlierer des Ersten Weltkriegs international isoliert, anerkennt die im Versailler Vertrag festgelegte Westgrenze und stimmt der Entmilitarisierung des Rheinlands zu. Im folgenden Jahr wird Deutschland in den Völkerbund aufgenommen, und die beiden Hauptarchitekten des „Locarnopakts“, die Außenminister Gustav Stresemann (Deutschland) und Aristide Briand (Frankreich), erhalten den Friedensnobelpreis.
Gerade noch rechtzeitig zur Verabschiedung des Pakts tauchte Mussolini, damals gerade frischgebackener Diktator, in Locarno auf. Ein Schnellboot führte ihn bis Brissago, wo er in einen Alfa Romeo umstieg. Die Schweizer Regierung, die ihn vier Jahre zuvor mit einem Einreiseverbot belegt hatte, hieß ihn ausdrücklich willkommen.
Chiesa San Francesco: Die dreischiffige Franziskanerkirche, Zentrum der deutschsprachigen Katholiken des Locarnese, wurde im Wesentlichen von Mitgliedern der lokalen Künstlerfamilie Orelli ausgestattet.
Chiesa Nuova (Santa Maria Assunta): Das schöne Kirchlein steht versteckt an der Via Citadella und wird leicht übersehen. Die schmucke Fassade wird von einer großen Christophorus-Skulptur bewacht, in den Nischen stehen die Heiligen Rochus und Sebastian (unten), Viktor und Michael (oben). Im Kircheninneren überrascht vor allem die prächtige Stuckdecke. Links führt eine Tür (oft verschlossen) zum Innenhof der Casa dei Canonici (Domherrenhaus) mit doppelter Loggia und einem verträumten Garten - ein idealer Ort, um die Fischgerichte des Restaurants „Citadella“, das hier einige Tische hingestellt hat, auszuprobieren. Ganz hinten im Garten schaut Ihnen dabei eine unscheinbare, verwitterte Christophorus-Figur zu.
Leonardo in Locarno
Wer vom Parkplatz her zur Burg der Mailänder Herzöge spaziert, kommt an einem Stück alten Bollwerks vorbei, auf dem ein kleines Schild prangt: „Leonardo da Vinci 1452-1519“. Keine weitere Erklärung, der Spaziergänger stutzt, schüttelt verständnislos den Kopf und geht weiter. Wir sind der Sache nachgegangen.
Vor ein paar Jahren kam ein Geschichtsprofessor der Universität Mailand zu dem Schluss, dass es sich hier um den Rest eines Bollwerks handelt, das vom berühmten Leonardo für die Locarner Burg der Visconti entworfen wurde. Zahlreiche Leonardo-Experten gaben dem Professore recht, die Tatsache scheint heute wissenschaftlich gesichert. Schließlich wurden auch die Behörden von Locarno hellhörig: Man könnte das Stück Mauerwerk zur touristischen Attraktion aufwerten. Einziges Problem: Das Leonardo zugeschriebene Mauerstück, eingezwängt zwischen Häusern, ist in Privatbesitz. Kaufverhandlungen führten zu nichts, die Stadt zeigte sich knauserig, die Besitzer hatten wohl den Wert erkannt und trieben den Preis in die Höhe, schon war von Zwangsenteignung die Rede. Eine unheilige Allianz zwischen der rechtspopulistischen Lega dei Ticinesi und den Grünen sprach sich gegen den Kauf durch die Stadt aus. Schließlich kam es gut schweizerisch zu einer Volksabstimmung, die sich gegen die städtische Übernahme aussprach. Geblieben ist das kleine Schild.
Im Innenhof der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso
Madonna del Sasso: Die berühmte gelbe Wallfahrtskirche (tägl. 6.30-18.30 Uhr) ist das Wahrzeichen Locarnos und befindet sich auf dem Gemeindegebiet von Orselina. Auf einem Felsen über der Stadt gelegen, bietet sie sich als Postkartenmotiv geradezu an, und ist man oben, freut man sich über das wunderbare Panorama.
Einer Legende und der Giebelinschrift an der Kirche zufolge hatte im Jahr 1480 ein Franziskanermönch aus Ivrea hier oben eine Muttergottes-Erscheinung und veranlasste darauf den Bau der ersten Kapellen. Bald setzten Wallfahrten ein, und bereits im 16. Jahrhundert war ein ganzer Klosterkomplex entstanden, der im 17. Jahrhundert noch einmal erweitert wurde.
Der Besucher betritt den „heiligen Berg“ durch einen Innenhof mit mehreren Kapellen, in denen lebensgroße Skulpturengruppen zu sehen sind, eine dramatische „Beweinung Christi“ (16. Jh.), das letzte Abendmahl, Christus erscheint den Jüngern, eine Pietà ... Sie sind alle sehr ausdrucksvoll, man wünschte sich jedoch etwas mehr Informationen.
An der Klosterkirche ist die einmalige Lage aufregender als das barocke Innere und die unzähligen Votivtafeln.
Zugang Zu Fuß: Was ein rechter Pilger ist, der geht natürlich auf Schusters Rappen. Der Aufstieg führt von der Via Cappuccini aus die Via al Sasso hoch, dann rechts über die Ramognabrücke und ab hier auf der steilen, von Kreuzwegkapellen gesäumten Via Crucis hoch zur Madonna. Das letzte Stück ist schweißtreibend. Von der Via Cappuccini aus dauert der Pilgerweg ungefähr 45 Min.
Auto: Im oberen Teil der Stadt der Beschilderung „Orselina“ folgen, die Straße führt im Zickzack hoch. Sobald man den Ramognabach überquert hat: Parkplatz suchen. Die Madonna del Sasso befindet sich knapp unterhalb der Straße.
Standseilbahn: Die Talstation befindet sich auf halbem Weg zwischen Largo Zorzi und Bahnhof, die Bergstation knapp oberhalb der Madonna del Sasso. Das Bähnchen fährt im 15-Min.-Takt hoch. Einfache Fahrt 4,80 CHF, Kind 2,20 CHF, hin/zurück 7,20 CHF, Kind 3,60 CHF.
Chiesa San Vittore: Wer gleich oberhalb des Bahnhofs rechts abzweigt, steht bald vor einer der schönsten romanischen Kirchen nicht nur des Tessins, sondern der ganzen Schweiz. Datiert wird die Chiesa San Vittore ins 11. Jahrhundert, später kam der Barockstuck über dem Chor und den Seitenkapellen hinzu. Ein kleines Juwel ist die Krypta, bei deren Restaurierung die alten Fresken freigelegt wurden. Auch die schmucken Kapitelle sind noch gut erhalten.
Die Vorhalle rechts des Eingangs wurde erst im 18. Jahrundert angebaut, sie diente als Beinhaus.
Giardini Jean Arp: Eine unscheinbare, kleine Grünanlage an der Uferpromenade mit Skulpturen des Dada-Künstlers Hans (Jean) Arp, der seine letzten Lebensjahre in Paris und Locarno verbrachte, viele Sitzbänke - ideal fürs Picknick.
Parco delle Camelie: Knapp südlich des Lido und ebenfalls leicht zu übersehen ist der 2005 im Maggiadelta eröffnete Kamelienpark, ein Muss für Liebhaber botanischer Gärten. Das milde Klima am Lago bekommt der Kamelie besonders gut. Zur Blütezeit Ende März treffen Spezialisten aus aller Welt zu „Camelie Locarno“ ein, einem fünftägigen Fest rund um Locarnos berühmteste Blume. Über 900 verschiedene Kamelienarten finden sich im rund 10.000 m² großen, baumbestandenen Park, der zu einem wunderschönen Spaziergang einlädt.
♦ März-Sept. tägl. 9-18 Uhr, Okt.-Febr. tägl. 9-16.45 Uhr (darauf verlassen sollte man sich aber nicht). Eintritt frei.
Falconeria: Der Steinadler hat eine Flügelspannweite von 2,20 m, der Wanderfalke fliegt eine Geschwindigkeit von bis zu 300 km/h.