Roland Lazenby

Kobe Bryant


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in Cleveland, während er auf seinen Auftritt beim Slam Dunk-Wettbewerb anlässlich des 50jährigen Jubiläums des NBA AllStar-Wochenendes wartete und die Zeit bis dahin totschlagen musste.

      Wir sprachen über seine Rolle als das Gesicht einer Generation neuer Talente, die es in die NBA geschafft hatte – eine sehr junge Generation. Es war sogar die jüngste Gruppe an Spielern, die es jemals in die Topliga geschafft hatte. Er sprach über die Schwierigkeiten, Erwartungen, Risiken und die vielen Versuchungen, die auf einen erst 18-jährigen Spieler in dem Moloch, der sich Los Angeles nennt, lauerten.

      Er erzählte, welchen Einfluss es auf ihn – einen damals 13-Jährigen – gehabt hatte, als Magic Johnson 1991 mit seiner HIVInfektion an die Öffentlichkeit trat und wie er später selbst alle Versuchungen mied, die Johnson nach eigener Aussage dazu verleitet hatten, mit drei- bis fünfhundert Partnern im Jahr Sex zu haben.

      „Für mich ist das recht einfach“, meinte Bryant damals zu mir, „es gibt nämlich so viele Dinge in meinem Leben, die ich erreichen möchte.“

      Nur ein paar Minuten später stand er auf und verließ die Kabine und unser tiefsinniges Gespräch und gewann den Slam Dunk-Wettbewerb mit einer meisterlichen Vorstellung. Ein Sieg, der seinen schon damals brennenden Ehrgeiz noch weiter anheizte.

      Im Jahr darauf wurde er als Starter ins All-Star-Team gewählt, obwohl er bei den Lakers die meiste Zeit nur von der Bank aus zum Einsatz gekommen war. Dem folgte eine durchwachsene Saison, in welcher Lakers-Besitzer Jerry Buss ein Team mit Riesentalenten, bei dem jedoch nichts zusammenzulaufen schien, auseinanderbrach. Mitten in diesem Chaos in seiner dritten Saison wirkte der 21jährige Bryant recht verloren, einsam und frustriert.

      „Ich will einfach der Superstar sein“, erzählte er mir und bestätigte damit wieder seine Ambitionen, zum besten Spieler der NBA zu avancieren. „Ich weiß nur nicht, wie ich es schaffen soll. Ich muss einfach einen Weg finden.“ Und das tat er, obwohl dieses Ziel damals fast unerreichbar schien. Im Jahr 2016, gegen Ende seiner aktiven Karriere, konnte Bryant auf die Statistik von 20 Saisonen zurückblicken und sagen, dass er sich einen Platz am Tisch mit den Größten dieses Sports verdient hatte. Ein Jahr zuvor hatte er sein großes Idol Michael Jordan von Platz drei der ewigen Bestenliste der NBA-Topscorer verdrängt und lag nun direkt hinter Kareem Abdul-Jabbar und Karl Malone. Was aber noch wichtiger war, war die Tatsache, dass er den Lakers zu fünf NBA-Titeln verholfen hatte, 18 Teilnahmen im All-Star-Team verzeichnen konnte und zwei olympische Goldmedaillen gewonnen hatte.

      Doch an diesem Abend in Cleveland meinte er, dass er nicht wüsste, wie er es an die Spitze schaffen sollte, und so gab er sich selbst eine Antwort auf diese Frage, die er wahrscheinlich bereits die ganze Zeit über gekannt hatte. Er würde sich seinen Weg an die Spitze hart erarbeiten müssen. Das würde ihm auch gelingen und ihn zu einem der dominantesten Spieler machen, da er einfach härter arbeitete als alle anderen. Die Stationen seiner Karriere – bis heute unerreichte 20 Jahre bei einem einzigen NBA-Team – zeigen, dass Bryant, unnahbar und unnachgiebig, genial und voller Selbstvertrauen sowie eines der faszinierendsten Rätsel im amerikanischen Profibasketball ist. Er ist wahrscheinlich der am meisten getriebene Athlet in der Geschichte dieses Sports, jemand der sich über viele Saisonen hinweg unter Insidern dieses Sports einen Ruf für das minutiöse Studium von Gegnern und die intensive Vorbereitung aufbaute. Jemand, der jedes noch so kleine Detail genau analysierte. Im Gegenzug produzierte sein Leben Konflikte wie am Laufband – eine Nebenerscheinung seines Strebens, der Beste des Sports zu sein.

      Abend für Abend, Tag für Tag, zwei Jahrzehnte lang, durch Verletzungstiefs und private Turbulenzen, durch zerbrochene Beziehungen – es gab keinen Preis, den er nicht zu zahlen bereit gewesen wäre, um der Größte zu sein.

      Dabei wurde er zu dem, was man ihm immer wieder nachsagen würde: dem am meisten polarisierenden Spieler der NBA, unter Basketballfans gleichermaßen geliebt und verhasst. Schon als Kind begann sein Vater, der ehemalige NBA-Spieler Joe „Jellybean“ Bryant, ihm übermäßiges Selbstvertrauen einzuimpfen. Und das sollte auch zu seinem Markenzeichen werden.

      Dieser undurchdringliche, unerschütterliche Glaube an sich selbst war die eine Eigenschaft, mit welcher Bryant all seine Zeitgenossen um ein Vielfaches überragte, sagt der Psychologe George Mumford, der ausgiebig mit Michael Jordan und Bryant zusammenarbeitete. „Das ist es, was ihn zu einer Klasse für sich macht.“ Der Grund dafür, dass dieses Selbstbewusstsein so unerschütterlich war, lag darin, dass Bryant nichts an sich heranließ, was es ankratzen hätte können, erklärt Mumford. „Er setzte sich nie mit Ansichten auseinander, die den seinen nicht entsprachen.“

      Das half Bryant vor allem in seinen ersten Jahren in der NBA, Probleme zu bewältigen, half ihm durch seine Auseinandersetzungen mit Mitspielern und Trainern, durch die Vergewaltigungsvorwürfe 2003, durch die Probleme mit und die Entfremdung von seinen Eltern und später, als er sich immer wieder von schweren Verletzungen zurückkämpfte. Dieses Selbstvertrauen war auch die Basis für sein 81-Punkte-Spiel, seine unzähligen Würfe, die das Match zugunsten der Lakers entschieden, seine MVP-Auftritte und dass er nie ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Mitspielern hatte, auch wenn er wieder die meisten Würfe im Spiel verzeichnete. Es war auch der Grund, warum es sich Bryant während seiner Karriere zur Gewohnheit machte, auch mit Schmerzen zu spielen, die andere auf die Verletztenliste brachten, sagt Mumford. Dieses Selbstvertrauen war allerdings auch für ein anderes wichtiges Thema in seinem Leben verantwortlich, nämlich die Kluft zwischen ihm und seinem Teamkollegen Shaquille O’Neal, trotz der drei NBA-Meisterschaften, zu denen sie die Lakers gemeinsam von 2000 bis 2002 geführt hatten. Seine Beziehung zu dem hünenhaften Center beschrieb in vielerlei Hinsicht den Spannungsbogen seines von Ehrgeiz geprägten Weges; ein Weg, der Bryant immer wieder neue Konflikte bescherte und fast in jeder Phase seines Lebens präsent war.

      „Showboat“ war O’Neals Spitzname für Bryant, als sich dieser als NBA-Neuling immer wieder mit Slam Dunks und seiner Sprungkraft in den Vordergrund schob.

      Bryant hasste diesen Spitznamen zutiefst. Er fühlte sich damit zu jemandem degradiert, dem es an Ernsthaftigkeit und Kampfgeist fehlte, ein Vorwurf, der seinem Vater während dessen aktiver Zeit als Basketballprofi oft gemacht worden war. Andererseits steht dieser Spitzname auch für die ungeheure Liebe zu diesem Sport, die Bryant mit seinem Vater teilte und die Freude daran, Basketball zu einer Show zu machen.

      „Das lag mir bereits als Kind im Blut, da mein Vater schon Basketball spielte“, erklärte Bryant. „Ich liebte Basketball. Zwar übte ich auch andere Sportarten aus, doch bei keiner hatte ich so viel Spaß wie beim Basketball.“ Als Kind verbrachte Kobe viele Stunden damit, seinem Vater dabei zuzusehen, wie dieser sein Können in der italienischen Liga, in der er nach dem frühzeitigen Ende seiner Profikarriere in Amerika spielte, zum Besten gab.

      „Es war großartig zu sehen, wie die Zuseher auf seine Tricks und spielerischen Einlagen sowie seine Persönlichkeit reagierten, wenn er spielte“ erzählte mir Bryant. „Irgendwie wollte auch ich dieses Gefühl kennenlernen. Es war einfach cool, ihn spielen zu sehen. Er war eben Jellybean Bryant.“

      Sam Rines, Bryants wichtigster Coach in der Amateur Athletic Union, sah die gleiche brennende Leidenschaft in Joes Teenager Sohn. „Er liebte Basketball, er atmete den Sport regelrecht“, sagt Rines. „Er war ein unglaublicher Showman, wenn es darum ging, das Publikum zu unterhalten.“ Das Alter Ego zu „Showboat“ ist die „Schwarze Mamba“ – ein Spitzname, den sich Bryant selbst gab, um der Kritik der Öffentlichkeit im Zuge der Anschuldigungen wegen sexueller Nötigung entgegenzutreten. Bryant bediente sich dieser tödlichen Schlange aus einem Quentin Tarantino Film, da sie seiner Meinung nach die perfekte Verkörperung seines vermeintlich grenzenlos ehrgeizigen Charakters darstellte.

      Später beschrieb er diesen Prozess als das Akzeptieren „des Bösewichts“ als Teil einer äußerst ehrgeizigen Persönlichkeit. Als er in der HBO-Sendung Real Sports mit der Aussage seines früheren Teamkollegen Steve Nash konfrontiert wurde, in der dieser ihn als „verdammtes Arschloch“ bezeichnete, begann er herzlich zu lachen. Die Beschreibung traf es auf den Punkt, gab Bryant zu.

      Trotz der Tatsache, dass er dieses Image einer schwierigen, ehrgeizigen Person pflegte, ging er es in der komplett durchwachsenen Saison 2015/16 ruhiger an. In diesem Jahr steckten