Roland Lazenby

Kobe Bryant


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vom Dach eines Sozialbaus aus kaltblütig erschossen worden war. Bei der Befragung meinte der Täter lapidar: „Ich wollte einfach einen Cop umlegen.“ Bryant brauchte keinen Zeitungsartikel, um zu wissen, wie es in der Stadt zuging. Kein farbiger Einwohner in der Stadt brauchte das.

      Vielleicht war es wirklich nur eine einfache Routinekontrolle wegen eines kaputten Rücklichts, so wie es die Beamten später zu Protokoll gaben, doch der Gesamtkontext mutet doch merkwürdig an. Und es wurde noch merkwürdiger. Das wurde den Beamten spätestens dann bewusst, als sich der gut 2,10 m große Jellybean aus dem Fahrzeug schälte. Bryant versuchte ruhig zu bleiben, als ihm die Polizisten mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht leuchteten. Er nannte sofort seinen Namen und entschied sich, dass es wohl das Beste wäre, den Polizisten gleich zu sagen, dass er keinen Führerschein besaß, um sich so eine Durchsuchung seines Wagens zu ersparen. Er gab ihnen seine Zulassung, doch die Beamten waren ob seiner Aussage keinen Führerschein zu besitzen verwirrt. Aus irgendeinem Grund geriet Joe Bryant immer mehr in Panik. Vielleicht war es die Angst vor seiner Frau, wenn sie das alles herausfinden würde, wie einige Leute später behaupteten. Vielleicht war es aber auch nur Angst vor der Polizei.

      Was dann passierte, brachte nicht nur die Polizisten zum Staunen, sondern ganz Philadelphia einschließlich der damals noch sehr abgekapselten Szene der National Basketball Association der 1970er. Bryant drehte sich um und stieg in den Wagen. Zu diesem Zeitpunkt dachten die Beamten noch, dass er vielleicht doch seinen Führerschein aus dem Handschuhfach holen würde. Doch stattdessen startete er den Motor, legte den ersten Gang ein und brauste in seinem Z davon, sodass nur mehr der aufgewirbelte Staub und die ungläubigen Gesichter der Polizisten im Scheinwerferlicht zurückblieben.

      Es dauerte einen Moment, bevor die Beamten realisierten, was da gerade passiert war und dass Joe Bryant gerade die Flucht ergriffen hatte. Kaum hatten sie sich gefasst, sprangen sie in ihren Wagen und nahmen die Verfolgung auf, während sie eine Fahndungsmeldung über Funk durchgaben. Schnell wurde ihnen bewusst, dass es zu gefährlich wäre, sich eine Verfolgungsjagd mit dem Sportwagen zu liefern. Joe Bryant war davongebraust und fuhr wie ein Verrückter mit gut über 160 Sachen nach Schätzung der Polizisten. Im Nu hatte er den Park verlassen und flog nun im Blindflug die Straßen Philadelphias hinunter. Ohne Licht.

      Erst zwölf Minuten später wurde Bryant von einer anderen Streife gesichtet. Der Polizeibeamte Raymond Dunne schrieb in seinem Bericht, dass er gerade in westlicher Richtung auf der Cedar Avenue unterwegs war, als er im Rückspiegel einen sich schnell nähernden Sportwagen ohne Licht entdeckte. Der Fahrer hätte den Polizeiwagen wild angehupt, damit ihn dieser überholen ließ.

      Was für eine Szene. Da war Jellybean Bryant auf dem Highway Richtung Hölle unterwegs und versuchte sogar noch zu überholen. Im letzten Augenblick scherte er aus und vermied eine Kollision mit dem Polizeifahrzeug. Dunne nahm sofort die Verfolgung auf, musste jedoch aufgeben, als die Geschwindigkeit gefährliche Ausmaße annahm. Später gab Dunne zu Protokoll, dass er Angst gehabt hatte, die Kontrolle über seinen Streifenwagen zu verlieren, wenn er Jellybean weiter verfolgt hätte. Nur wenige Minuten später bretterte Bryant in eine verkehrsreiche Kreuzung an der Baltimore Avenue, die von einem Fahrzeug blockiert wurde. Als Bryant versuchte dem stehenden Fahrzeug auszuweichen, verlor er die letzte Kontrolle, die er noch über seinen Wagen besaß. Zuerst fuhr der Z gegen ein Stoppschild, dann schlitterte er über die Farragut Street und nahm dabei ein Parkverbotsschild mit, bevor er wie ein Pingpongball die Straße hinunter von einer Seite zur anderen gegen parkende Autos prallte und danach wieder zurück auf die Fahrbahn und zu guter Letzt über den Bordstein sprang und gegen eine Mauer knallte.

      Das hinterlassene Chaos erinnerte an einen kleinen Tornado. Bryant und seine Ex-Freundin saßen derweilen benommen in seinem komplett zerbeulten Wagen. Das war wohl auch der Zeitpunkt, an dem ihm bewusst wurde, dass er komplett vergessen hatte, das Kokain während seiner Flucht loszuwerden, welches die Polizei bei der darauffolgenden Durchsuchung des Wracks finden würde. Es war auch der Punkt, an dem Bryant seine letzte schlechte Entscheidung in dieser Nacht traf und einfach davonlief.

      Dankenswerterweise gaben die Polizisten diesmal nicht den sprichwörtlichen „Warnschuss“ auf den fliehenden Jellybean ab. Abgesehen davon, dass er ein ausgezeichneter Basketballspieler war, war Bryant in der Highschool auch ein Star auf der Laufbahn. Trotzdem schaffte es einer der Beamten, Robert Lombardi, ihn nach ein paar Metern einzuholen. Als er ihn stellte, drehte sich Bryant um, bereit zuzuschlagen. „Er hob seine Faust, doch ich überwältigte ihn und legte ihm Handschellen an”, erinnerte sich Lombardi an den Vorfall. Dabei erlitt Bryant eine Platzwunde am Kopf, die mit sechs Stichen genäht werden musste. Jahrzehnte später erinnerte sich Gene Shue, Bryants damaliger Coach bei den Sixers, dass die Polizisten Bryant nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst hatten. Nun hieß es für Joe Handschellen, Gefängnis und die fürchterliche Angst davor, seiner Frau gegenübertreten zu müssen.

      In weniger als einer halben Stunde hatte sich das ganze Glück des jungen Joe Bryant in eine Welt aus Scherben verwandelt. Andererseits hatte es viele andere in Philadelphia gegeben, die für weit geringere Vergehen in der Leichenhalle gelandet waren. In dieser qualvollen Nacht in der Zelle hatte Jellybean eine kleine Offenbarung. Jahre zuvor hatte seine Großmutter prophezeit, dass es irgendwer in der Familie einmal zu großem Ruhm und Reichtum bringen würde. In dieser Nacht im Mai 1976 wurde Bryant zum ersten Mal klar, dass er wohl nicht diese Person aus der Prophezeiung sein würde.

      Kapitel 2

      VATERSCHAFT

      Während seiner gesamten Jugend war Joe Bryants Basketballkarriere auch eine Art strahlendes Vehikel in seinem Leben. Eines, das ihn an Orte brachte, die vielen anderen Farbigen verwehrt blieben. Jellybeans Spiel unterschied sich von dem der anderen. Er hatte einen ganz eigenen Stil, der sich bereits während seiner Kindheit zeigte, in der er viel Zeit bei seiner Großmutter in West Philadelphia, gleich neben einem öffentlichen Basketballcourt verbrachte. Sie ließ ihn jeden Tag draußen spielen, außer sonntags, wo sie ihn schon so früh aus dem Bett warf, damit sie beide Punkt sechs Uhr früh die Wohnung in Richtung der New Bethlehem Baptisten Kirche verlassen konnten, wo sie dann den Rest des Tages verbrachten.

      Als er beinahe erwachsen war, zogen Bryant und seine Familie nach Südwest Philadelphia in ein heruntergekommenes Reihenhaus in der Willows Avenue, nicht weit vom Kingsessing Spielplatz, der sein neues Basketballzentrum wurde. Willows war ein hartes Pflaster, so wie viele Straßen in Südwest Philly. Doch sie war gesäumt von Bäumen, unter denen Jellybeans Vater, Big Joe, gelegentlich auf der Veranda saß und die Welt anlächelte. Und meistens lächelte die Welt auch zurück. Big Joe war groß und kräftig gebaut und viele Menschen in Philadelphia respektierten ihn aufgrund seiner Größe, Freundlichkeit und der Liebe zu seinem Sohn.

      Dass er ein solches Ansehen in der Gemeinde besaß, war schon etwas Besonderes für einen Mann, der trotz äußerst widriger finanzieller Umstände drei Kinder großgezogen hatte. Noch Jahrzehnte später erinnerten sich Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten an Big Joe, oder Papa Bryant, wie ihn die Kinder aus der Umgebung nannten. Seinem Sohn beim Spielen zuzusehen, schien das Geheimnis hinter Big Joes Frohnatur zu sein. Er hatte große, kräftige Hände und ein rundes freundliches Gesicht, das fast immer lächelte. Doch seine Vorstellung von Disziplin war dann schon mehr von alttestamentarischer Natur. Einmal erzählte er Julius Thompson, einem Sportjournalisten aus Philadelphia, dass er seinen jugendlichen Sohn oft davor gewarnt hätte, „Tageslicht mit heimzubringen“, wenn dieser abends ausging. Anders gesagt, er sollte nicht zu lange ausbleiben und vor dem Morgengrauen heimkommen. Big Joe war eine imposante Erscheinung und fest entschlossen auf seinen Sohn aufzupassen. „Papa Bryant war immer dort, wo Joe war“, erinnert sich Vontez Simpson, ein Freund der Familie.

      Als Big Joe älter wurde und sein Gewicht und Diabetes ihm gesundheitlich zu schaffen machten, nahm er sich einen Stock zum Gehen. Und selbst in dieser Zeit erfüllte ihn das Spiel seines Sohnes und danach das seines Enkels Kobe mit Energie. Wie gerne er die beiden spielen sah, war daran zu erkennen, dass er noch Jahre später, als sein Leben fast vollkommen von seiner Diabeteskrankheit bestimmt wurde, mit seinem Sauerstofftank im Schlepptau die Spiele seines Enkels besuchte.

      Aus Georgia